Test - Payday 3 : Wenn dein Multiplayer-Game zur Gruppentherapie wird
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Nie mehr arbeiten? Ein Leben lang am Pool liegen, das Leben genießen, um die Welt reisen, luxuriös essen? Ein Traum, den sich die Wenigsten durch einen normalen Job erfüllen können. Da hilft nur ein Lottogewinn oder ein Ba-Ba-Banküberfall. Payday lässt euch den Tagtraum einer auf Englisch Heist genannten, minutiös geplanten … ähem … Bargeldabbuchung in spielerischer Form erleben. Inzwischen in dritter Iteration, was beweist, dass hinter der moralisch fragwürdigen Handlung auch eine gewaltige Portion Spaß stehen muss. Was Payday 3 besser oder schlechter macht als seine beiden Vorgänger, klären wir jetzt.
Angesichts der aktuellen Inflation, die Mietpreise und Lebenshaltungskosten in die Höhe schnellen lässt, hätte wohl jeder gern einen Job mit dem Stundenlohn eines Bankräubers. Ein wenig Planung, rein, raus und ab ins Ausland? Schön wär‘s, auch wenn man dafür das Gewissen eines Betonklotzes und Nerven wie Stahlseile bräuchte. Wobei die meisten Banken heutzutage gar nicht mehr so viel Bares auf Lager haben. Der klassische Banküberfall ist ein romantisch verzerrtes Hollywood-Relikt voller Action und Dramatik. Ein Stoff, geradezu geschaffen für ein Videospiel wie Payday 3. Damit es aber nicht ganz so banal zugeht, gewährt eine Hintergrundgeschichte genug Rechtfertigung für eure Taten.
Die Story setzt dort an, wo Teil 2 endete. Der große Erfolg eurer kriminellen Vereinigung, der mitunter politische Auswirkungen hatte, verärgerte viele hochrangige Machthaber so sehr, dass die Mitglieder eures kleinen Verbrecherklubs nirgendwo mehr sicher sein konnten. Das Küken der Gruppe entging jüngst nur knapp einem tödlichen Anschlag. Daher schließt ihr euch wieder zusammen und sucht nach neuen Geldquellen, um Gegenmaßnahmen finanzieren zu können.
Die in Standbildern und Sprachausgabe vermittelte Geschichte umrahmt zwar einzelne Heists, dient aber letztendlich nur als schöne Verpackung für die Multiplayer-Sitzungen. Mit bis zu vier Räubern findet ihr euch online für einen Heist ein und legt einfach los. Penible Planung wie in GTA 5 fällt flach, was aber auch daran liegt, dass der Ablauf übersichtlich bleibt und stets durch Funksprüche einer Teamleiterin koordiniert wird. Lediglich die Wahl der Spielerklasse und ihrer Perks, deren Fortschritt ihr im Laufe des Spiels nach eigenem Gutdünken in 17 Kategorien ausbaut, legen eurem gewählten Avatar bestimmte Rollen im Team nahe. Echte Talente mit eingegrenztem Aufgabenfeld, wie in Teil 2, gibt es leider nicht mehr.
Kohle, Schmuck und andere Schätze
Was genau getan werden muss, hängt vom Missionsziel ab. Wollt ihr in eine Bank rein, einen Nachtclub ausräumen oder soll ein Juwelier bunte Steinchen spenden? Klingt alles ähnlich, hat aber jeweils andere Zwischenziele.
Um in eine Bank einzudringen, schleicht ihr euch beispielsweise als vermeintliche Kunden ins Gebäude, beobachtet das Personal und deren Laufwege, schätzt ab, wo euch Bankkunden ungewollt verraten könnten und versucht so nah wie möglich an den Sicherheitsbereich heranzukommen. Unterwegs hackt ihr Überwachungskameras und erarbeitet euch Schlüsselkarten, die euch stetig näher an die Beute bringen.
Waffengewalt solange es geht hinauszuzögern, steht als ultimatives Ziel im Raum, kann aber nicht immer garantiert werden, weil viele Faktoren unkontrollierbar sind. Besonders dann, wenn Unbeteiligte (oder auch Security-Wachen) umherwuseln, denen eure Schleich-Aktionen verdächtig vorkommen.
Seht ihr ihr beim Schleichen kein Land, bleibt noch immer die Option, Gewalt anzuwenden. In dem Fall setzt ihr Masken auf, um unerkannt zu bleiben, und zückt Knarren, worauf die meisten Zivilisten aus Angst gefügig auf den Boden gehen. Läuft alles glatt, braucht ihr nur noch einen hochrangigen Bankangestellten, der für euch den Tresor öffnet.
Der muss natürlich „überredet“ werden, was meist mit einem stillen Alarm einhergeht, der die Polizei auf den Plan bringt. Nun aber schnell: Geld (buchstäblich) einsacken, die Geldsäcke schubweise Richtung Seitenausgang bringen, den Fluchtwagen beladen und dann an der Polizei vorbei in die Freiheit rasen.
Je öfter das gelingt, desto höher steigen Geld und Erfahrungslevel, was euch im Shop schönere Masken und bessere Waffen einbringt. So macht Übung buchstäblich den Meister.
Teamwork ist alles
Ach, klingt so ein Überfall einfach, wenn man alles aufzählt. Tatsächlich geht es aber um Teamarbeit, die wie ein gut geschmiertes Uhrwerk laufen muss. Wer überwacht welches Stockwerk? Wer fesselt Zivilisten, damit sie ruhig bleiben? Wer schleppt zu welchem Zeitpunkt die Säcke zum Fluchtfahrzeug (das auch mal ein Hubschrauber sein kann)?
Jede Verzögerung und jeder noch so ungeschickt ausgeführte Schritt erhöht auf dem Fluchtweg den möglichen Anteil an Blei in der Luft – was mitunter in einer ernstzunehmenden Straßenballerei endet. Wenn nicht sogar ein Zeitlimit tickt, das euch den Erfolg vermiest.
Siehe etwa beim Überfall auf einen Geldtransporter im Bereich einer in Renovierung befindlichen Brücke. Der besagte Transporter lässt sich nur aufhalten, wenn ihr rechtzeitig einen EMP-Generator platziert, der die Elektronik des Fahrzeugs ausschaltet. Verpasst ihr diese Chance oder geht so grob vor, dass das Begleitpersonal die Tour abbrechen will, müsst ihr den Transporter von unten aufbohren. Alles Dinge, die man dank klarer Anweisungen schnell erlernt, auf dass sie später bei wiederholten Online-Heists abermals abgenudelt werden können. Nur ein etwaiges Auswendiglernen hätte wenig Sinn, denn die Verteilung der Utensilien in den Räumlichkeiten wird zusammengewürfelt.
Mehr Steath-Optionen
Kenner des Vorgängers entdecken abseits der sichtbar verbesserten, aber keineswegs top-modernen Grafik leider wenig Neues. Tatsächlich schrumpft Payday 3 den Inhalt auf das Nötigste zusammen, nachdem Teil 2 seit 2013 über etliche Updates Reife erlangte. Die Auswahl an Waffen, Masken und sonstigen Items, die man erwerben kann, hat stark abgenommen. Momentan gibt es auch nur acht Kapitel, die sich zwar stark unterscheiden, aber schnell verinnerlicht sind. Das wäre halb so wild, wenn die Fortsetzung neue Spielelemente in die Heists brächte. Stattdessen kommen Tweaks zutage, die man auch in Teil 2 hätte unterbringen können.
Das meiste betrifft den Schleich-Anteil, der Fehler etwas gutmütiger verzeiht und dadurch öfter ermöglicht, völlig ohne Schießerei durch einen Überfall zu kommen. Wachpersonal bringt euch anfangs zurück in den öffentlichen Bereich und ihr könnt mehrmals falsche Funksprüche absetzen, wenn der Vorgesetzte einer umgenieteten Wache nach dem Status fragt.
Generell ist es leichter, Wachen zu überlisten und Geiseln zu nehmen. So könnt ihr nun unbegrenzt viele Gefangene fesseln und sie zu eurem Vorteil nutzen. Etwa, indem ihr die Polizei durch Verhandlungen hinhaltet, während ihr phasenweise Gefangene herausgebt. Mehr als ein paar Medikits sowie zusätzliche Sekunden Puffer für eure Kollegen ist aber nicht drin. Weder lassen sich dadurch die Bedingungen für eure Flucht verbessern noch direkte Forderungen an die Polizei herausschlagen. Schade, hier hätte Starbreeze Studios noch viel mehr herausholen können.
Ein Urteil, das leider ebenso das Gunplay betrifft. Das Treffer-Feedback kommt deutlicher rüber. Dennoch wirkt das Ballern allgemein etwas schwammig und unpräzise. Je mehr Polizisten sich einfinden, desto genauer muss man hinschauen, wen man eigentlich trifft und wen nicht, was in einem dichten Kugelhagel unnötig Zeit kostet.
Gruppentherapie
Dass der Spielablauf abseits der gesteigerten Stealth-Effizienz altbekannt bleibt, muss für eingespielte Teams nicht zwingend schlecht sein. Der Spaß hat keineswegs abgenommen. Im Gegenteil, Paydays Mischung aus Stealth-Stress und Gunplay schweißt noch immer Teams zusammen. Wenn sich euer Trupp nicht versteht (was manchmal wortlos funktionieren muss, wenn ein Fremder nicht am Discord-Chat teilnimmt), kippt das Vorhaben in der Regel. Da wird geflucht und gedrängelt, weil irgendwer das Gefühl hat, es ginge nicht schnell genug, aber auch gelobt, gewitzelt und gefeiert, wenn alles wie am Schnürchen läuft.
Wobei die besten Momente jene sind, wenn alles beinahe gleichzeitig zusammenkommt oder der Heist nach einem völlig chaotischen Finale im Kugelhagel spektakulär in die Hose geht. Endlose Lachanfälle inklusive. Dieses Spiel birgt so viele Emotionen, dass man manchmal das Gefühl hat, einer Gruppentherapie beizuwohnen.
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Wenn noch ein Heul-Anfall dazukäme, wären alle denkbaren Emotionen vertreten. Ja, selbst Wut, denn manchmal ärgert man sich gemeinsam ein Loch ins Knie. Server-Probleme, die aus heiterem Himmel Stotteranfälle produziert, oder der komplette Zusammenbruch der Anbindung kurz vor Vollendung des Heists – das sind Momente die Magengeschwüre produzieren. Leider kommen sie trotz Besserung nach dem chaotischen Release öfter vor, als es einem lieb sein kann.
Immerhin: einige Verbesserungen kamen recht schnell. Am ersten Tag unserer Testphase kämpften wir noch mit den Menüs der PC-Version, die schlichtweg nicht funktionieren wollten und selbst einfachste Einstellungen verweigerten. Kommt in den besten Familien vor.
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