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Test - Transport Fever 2 : Und plötzlich ist es 4 Uhr morgens ...

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Neue Details, feineres Micro-Management und noch filigranere Bausteine für Schönbauer, Vernetzungsprofis und Zahlencruncher. Bei Transport Fever 2 geht es vom Hundertstel ins Tausendstel, zu Land, zu Wasser und in der Luft. Was der Nachfolger des Überraschungserfolgs von 2016 auf dem Kasten hat, erfahrt ihr in unserem Test.

Bei Spielen wie Sim City, Cities Skylines und Konsorten muss ich unweigerlich an Reiner Werner Fassbinders uralten TV-Klassiker „Welt am Draht“ denken. Vor meinem geistigen Auge werden die wuseligen kleinen Bewohner künstlicher Städte lebendig, haben gar ihre eigenen Wünsche und Ziele, die ich nur nicht erkennen kann, weil sie eben so klein und wuselig sind. Wer weiß schon, wie real das Ganze ist. Philosophisch gesehen weiß niemand, ob wir nicht sogar selbst Teil einer ähnlichen „Matrix“ sind.

Meist dauert es nur wenige Minuten, bis ich vollends in so einer Miniaturwelt versunken bin. Stunden über Stunden ziehen beinahe unbemerkt an mir vorüber, bis ich irgendwann im Schreck aufwache und feststelle, dass um vier Uhr am Morgen eine Runde Schlaf guttäte. Wenn ein Spiel so etwas schafft, dann ist es richtig gut.

Bis tief in die Nacht

Transport Fever 2 ist so ein Spiel mit endlosem, beziehungsgefährdendem Suchtfaktor. Dabei klingt die Hauptaufgabe so einfach: Baue Straßen und Schienen für dein Verkehrsimperium und erschaffe Transportrouten, mit denen du Passagiere und Waren gegen Geld beförderst. Na, wenn’s weiter nichts ist.

Was nach einem halbierten City Skylines klingt, ist tatsächlich ein riesiges Puzzle aus Miniatur-Verkehr und Wirtschaftssimulation mit gigantischem Umfang. Allein die Möglichkeit, fließend vom Mikrokosmos einzelner Straßen zur Makro-Ansicht eines kompletten Landstrichs zu wechseln, ist fesselnd und faszinierend. Ich könnte stundenlang einfach nur dem Treiben zusehen und wäre höchst zufrieden, wenn es nicht diese kleinen unnötigen Schnitzer gäbe.

Ich ärgere mich mich Mal um Mal bei den vorgefertigten Szenarien. Mal über Spielziele, die mir ohne brauchbares Tutorial vorgesetzt werden, mal über kryptische Zielbeschreibungen oder die stellenweise unfertige Übersetzung. Aargh! Aber ich fange mal beim Einfachsten an, damit ihr nicht nur Bahnhof versteht.

Wenn man das Spielgeschehen von der kleinsten möglichen Aktion aus betrachtet, wirkt alles so simpel. Man fügt den Straßen einer automatisch generierten Stadt ein paar weitere hinzu, setzt ein paar Haltestellen, kauft ein Wagendepot und ein Fahrzeug und schon geht es los. So lange die Wagen wissen, welche Haltestellen sie als erstes ansteuern sollen, holen sie Waren oder Passagiere automatisch ab und bringen sie an ihren Bestimmungsort. Zum Beispiel abgebautes Erz zu einer Metallfabrik. So ähnlich funktioniert es auch mit Zügen, Schiffen und Flugzeugen.

Der Alltag ist mannigfaltig: Tramlinien bestimmen, Postkutschen einkaufen, Bahnhöfe bauen, Gleise verlegen, Güter verladen, Passagiere kutschieren, Fluglinien anlegen … Dieses Spiel deckt so ziemlich jeden Aspekt ab, den es in einem Verkehrs-Tycoon geben kann, dreht dabei an allen wirtschaftlich relevanten Rädern und versprüht trotzdem fortlaufend den Charme einer überdimensionalen Modelleisenbahn.

Am liebsten würde ich die Simulation während meiner Bettzeiten einfach weiterlaufen lassen, aber mein Gewissen lässt das in der Ära von Fridays for Future nicht zu. Mein Core-i9-Hauptprozessor schuftet während dieses Spiels im Turbo-Modus, zieht dabei ein Drittel mehr Saft als sonst und lässt meinen Silent-Lüfter zur Flugzeugturbine mutieren. Da passiert also einiges im Hintergrund.

Obendrein würde ich womöglich mein kleines Verkehrsimperium ruinieren, während es unbewacht ist, denn trotz gewisser zuschaltbarer Automatismen benötigen Nah- und Fernverkehr immer wieder einen Schuss menschliche Führung. Unrentable Linien müssen eingestellt oder umgestaltet, kaputte Fahrzeuge ersetzt oder repariert und den stetig wachsenden Anforderungen angepasst werden.

Kleine Siedlungen, die Mitte des virtuellen 18. Jahrhunderts noch überschaubar wirken, wachsen mit den Jahrzehnten zu Metropolen an, weil der Wohlstand mit den wirtschaftlichen Erfolgen kommt. Je mehr Menschen die Städte besiedeln, desto mehr Bedarf an Gütern und Transportmitteln, die wiederum von Firmen versorgt werden, die ebenfalls nach Expansion streben. Es nimmt eben kein Ende. Wirtschaftsexperte? Planungs-Ass? Schönbauer? Völlig gleich, auf welchem Zweig man dem Spielprinzip entgegenkommt, es gibt Platz und Nutzen für jeden. Allein das Aufstellen von Ampeln auf Straßen und Schienen kann zu einer eigenen Wissenschaft ausarten, wenn man effizient planen möchte.

Harte Schule

Bis dahin ist es allerdings ein steiniger Weg, denn die Macher bei Urban Games tun sich mit der Vermittlung der wirtschaftlichen Zusammenhänge schwer. Da mag der Kampagnen-Off-Sprecher beim Erläutern der aktuellen Aufgaben noch so süffisant sarkastische Anekdoten vom Stapel lassen, ohne anständiges Tutorial sind selbst die überschaubaren ersten Szenarien manchmal zum Haareraufen. Für mich stand schon nach der ersten Spielstunde fest, dass man in Transport Fever 2 ohne ein wenig Fummelei und Herumprobieren kein Land sieht.

Beispiel: Ein frühes Nebenziel der Kampagne gibt vor, ein Hauptquartier zu errichten. Um welche Art Gebäude es sich dabei dreht, wo es zu finden ist und welche Vorteile es bringt, wird mit keiner Zeile auch nur angeschnitten. Noch ein Beispiel: Ein warnendes Menü poppt auf und teilt mit, es gäbe Probleme mit einer Linie. Welche Art Probleme wird aber nicht vermittelt, es sei denn es geht um einfache Sachen wie eine mangelhafte Anbindung einer Haltestelle.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Warum etwa ein Holzlieferant kein Holz liefert, bevor dessen Endabnehmer eine von Anfang bis Ende voll umfassende Verkehrsanbindung hat, bleibt rätselhaft. Viel benutzerfreundlicher wäre, wenn die Lager und Umschlagplätze, von denen man zwischenzeitlich massenhaft anlegt, vor lauter Lieferungen aus den Nähten platzen würden. Im Vergleich zum Vorgänger gibt es zwar nur noch direkte Handelsketten ohne alternative Ausweichmöglichkeiten, aber warum diese noch immer vom Transport bestimmt werden statt vom Produzenten, erschließt sich mir nicht.

Transport Fever 2 macht den Logistiker zum Hauptorganisator und Manager ganzer Wirtschaftszweige, was mir leider arg unlogisch erscheint und Einsteigern grobe Steine in den Weg legt. Vor allem wenn komplette Wirtschaftsketten zusammenhängen. Um eine Stadt mit Schnaps zu versorgen, braucht die hiesige Destillerie ein Transportunternehmen. Vorher will sie aber mit Kakteensaft von einer Farm versorgt werden, die wiederum Dünger von einer anderen Stelle benötigt. Eigentlich alles ganz logisch und nachvollziehbar, wenn man mal weiß, was das Spiel von einem will. Schade nur, dass die Spieldesigner Anfänger mit dem Herausfummeln völlig allein lassen.

Klar, es gibt viele schöne Menüs und Bildfilter, die wirtschaftliche Kreisläufe anhand von Bedarfs-Charts erläutern, aber ich empfinde das alles als sehr trocken und wenig intuitiv gestaltet. Der ein oder andere Hinweis per Tooltipp würde Wunder wirken. Das gilt auch für die Steuerung. Woher sollen Anfänger denn wissen, dass sie Bahnhöfe mit den Tasten N und M drehen können, es sei denn, sie wuseln sich durch die endlose Steuerungsliste in den Spieloptionen? Ein kleiner schriftlicher Hinweis beim Bau des ersten Bahnhofs würde Einsteigern viele Stirnfalten glätten.

Ein endloser Spielplatz

Das klingt alles nach harter Kritik, und ich kann nicht leugnen, dass mir einige dieser Schnitzer sauer aufstoßen. Schließlich ist es schon schwierig genug, die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verkehrszweige aufrecht zu erhalten, wenn man mal weiß, was zu tun ist. Sobald man aber mal geschnallt hat, wo welcher Bedarf besteht, flutscht das ganze Spielprinzip ziemlich gut und lässt viel gestalterischen Freiraum.

So erlaubt Transport Fever 2 im Gegensatz zum Vorgänger die modulare Erweiterung vieler Knotenpunkte. LKW-Umschlagplätzen spendiert man größere Lagerflächen, Bahnhöfen zusätzliche Gebäude, neue Gleise und Warteplattformen. Flughäfen verschafft man derweil neue Hallen - sofern Bedarf besteht.

Wer einfach drauflosbastelt, läuft trotz Kontosummen in Millionenhöhe Gefahr, der Pleite entgegenzusteuern. Ein Kredit von der Bank kann das nur kurzzeitig hinauszögern, denn gerechnet wird in jährlichen Abschreibungen, die sich ganz schnell verdoppeln und verdreifachen, wenn man keine Kunden hat, die für Fahrzeuge und Lager bezahlen.

Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Kurzzeit-Planung. Kleine Investitionen zahlen sich besser aus als riesige, vorab durchgeplante Mammutprojekte. Das gilt für jede einzelne Fassette des Spiels. Siehe etwa das Verlegen von Gleisen oder Autobahnen. Zieht man einfach ein gigantisches Gleis von einer Stadt zur anderen, bezahlt man Unsummen für Tunnel und Trassen, die manchmal gar nicht nötig wären. Nimmt man sich zusätzlich die Zeit, das Gelände mithilfe von Terraforming-Werkzeugen in Höhe und Beschaffenheit anzupassen, spart man nicht nur Geld, sondern kann auch noch gestalterisch schöne Verbindungen schaffen.

Trucker-Rick auf Abwegen - Bei Transport Fever 2 als Rickmeister

Trucker-Rick ist heute auf Abwegen. Er ist unterwegs als Rickmeister in Transport Fever 2.

Was das angeht, ist Transport Fever 2 sowieso ein Fass ohne Boden – nicht nur in den laufenden Szenarien. Wer will, kann in einem Editor riesige Landschaften vorab anlegen: mit Städten, Wirtschaftsquellen, Oberflächen und allem Drum und Dran, wobei mehrere territoriale Themen den Ton vorgeben. So gibt es auf europäischem Boden nicht nur eine andere Flora als im karibischen Setting, sondern auch andere Modelle für Züge, Schiffe, Straßenbahnen und Transportfahrzeuge.

Historische Lektionen

Je nachdem, ob ihr die Kampagne mit ihren vorgefertigten Spielzielen angeht oder im freien Modus einfach frei Schnauze versucht, ein endlos laufendes Imperium zu versorgen, sind die territorialen Vorgaben unterschiedlich streng. Die Kampagne verknüpft den Spielablauf nämlich kapitelweise mit historischen Ereignissen und versucht diese auf nicht allzu ernste Weise als Lektion zu verkaufen.

Mangels Zeitlimit und knauserischem Budget zielen diese Lektionen eher auf die Vorstellung der einzelnen Spielelemente als auf wirtschaftliche Zusammenhänge, sind aber stets amüsant. Ich habe im Rahmen der Kampagne jedenfalls mehr über historische Fahrzeuge gelernt als über die jeweils beleuchtete Epoche an sich. Wer will, kann auch nach dem Abschluss des Hauptziels und der drei Nebenziele weiter in einem Szenario bleiben, um es im zeitlichen Kontext heranzuzüchten.

Ich empfand den historisch linear aufgezogenen roten Faden, der von der frühen Industrialisierung bis zum High-Tech-Zeitalter reicht, trotz der angeschnittenen Stolpersteine in der Vermittlung einzelner Spielziele als sehr kurzweilig, weil erzählerisch geschickt eingefädelt. In jedem Kapitel wird ein komplett anderer Teil in der Historie angeschnitten, von der transsibirischen Eisenbahn über die Frühzeit der Luftfahrt bis hin zum Shinkansen-Zug.

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