Länderauswahl:
Du wurdest von unserer Mobile-Seite hierher weitergeleitet.

Test - Empire of the Ants : Test: Phantastische Spielwelt trifft auf hakeliges Gameplay

  • PC
  • PS5
  • XSX
Von  |  | Kommentieren

Echtzeit-Taktik zwischen Blättern, Pfützen und Ameisenhügeln – der Perspektivwechsel könnte ganz besondere Herausforderungen bringen. Horden verschiedener Ameisen-Truppen, unterstützt von Blattläusen, treten den Kampf gegen Feuerwanzen & Co. an, im entscheidenden Moment unterstützt von Boostern auf Angriffskraft und Geschwindigkeit. Was ein dramatisches Krabell-C&C werden sollte, entpuppt sich leider am PC als wenig tragfähiges Konstrukt.

Es hätte so schön werden können. Relativ früh in meinen Erfahrungen mit Empire of the Ants gab es einen Kinnladen-Moment. Ich bugsierte meine Spielfigur über Blattwerk, dann erhob sich im Hintergrund eine Teichlandschaft und es sah einfach traumhaft aus, Erinnerungen an die Wow-Momente der Crysis-Waldwanderungen vor anderthalb Jahrzehnten kamen auf. Und das Krabbeln unserer Ameise – Nr. 103683, Namen gibt es in den Kolonien nicht – , geht auch possierlich über den Bildschirm. Im Hintergrund schwoll orchestrale Musik auf und tatsächlich fühlte es sich an, als würde Dokumentarfilm-Meistersprecher David Attenborough gleich meine Abenteuer kommentieren.

Allein, so wirklich beeindruckend und meditativ das Ameisenimperium daherkommt, so sehr man dem Spiel anmerkt, dass hier die Welt der kleinen Krabbeltierchen wirklich nahe gebracht werden sollte in Ästhetik und Geschichte, so sehr kann das resultierende Spiel nicht überzeugen. Insbesondere für alle, die irgendein Echtzeit-Strategie- oder -Taktik-Spiel der letzten zwei Jahrzehnte halbwegs nüchtern am PC erlebt haben, dürfte die unbeholfene Genre-Mischung abschrecken.

Das große Krabbeln

Grob gesagt teilt sich Empire of the Ants in zwei Spiele: einen eher Action-Adventure-artigen Part mit Geschicklichkeitseinlagen und etwas, dass formal als Echtzeit-Strategie klassifiziert werden möchte. Problematischerweise ist die Bedienung in beiden Fällen eine typische 3rd-Person-Perspektive der Protagonisten-Ameise. Das ergibt fürs Entlanglaufen an Wässerchen, beim Erkunden von Landschaften mit menschlichen Hinterlassenschaften und auch bei Sprungpassagen noch durchaus Sinn. An einigen Stellen erinnert die Präsentation von Autoreifen oder Münzen an den rührenden Perspektiven-Wechsel eines Micro Machines.

Die Geschicklichkeitspassagen, in denen wir etwa einen Weg über eine überflutete Gegend finden müssen, funktionieren soweit überwiegend. Manchmal kann das Absuchen dunkler Abschnitte etwas nerven, aber im Wesentlichen bleibt die Übersicht gewahrt und der Frustfaktor auch in Sprungpassagen beherrschbar.

Ärgerlicher wird das Ganze dann aber im Strategie-Teil. Ein kurzes Gedankenexperiment: wir alle kennen die Solo-so-lala-Missionen aus Command & Conquer oder StarCraft, wenn wir nur mit einer Commando-Einheit wie Tanya oder Kerrigan unterwegs sind. So weit, so hoffentlich bald vorüber. Jetzt stellt euch bitte vor, ein Spiel würde erfordern, dass Tanya persönlich vor Ort vorbeischauen muss, um in der Basis Einheiten-Produktionsstätten, brutzelnde Tesla-Spulen und Piff-Paff-Puff-Geschütztürme zu beauftragen.

Klingt gar nicht mal so clever? Richtig, ist es auch nicht. Der Fairness halber: Die Bewegung unserer Ameise geht recht schnell vonstatten, die Minimap hilft bei der Orientierung. Dennoch fühlt sich die Bedienung des Ganzen schlichtweg absurd an. 103683 läuft auf ein Nest, Tastendruck, ein Radialmenü mit unseren Optionen (Einheiten, Wirtschaft, Forschung, Verteidigung …) wird über dem Nest projiziert, wir laufen auf den entsprechenden Sektor, Tastendruck, neues Radialmenü für die tatsächlichen Optionen, Tastendruck, los geht’s. Oh, im Nest nebenan wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Ausbau der Verteidigungsanlagen? Dann nichts wie hin da, Tastendruck, Radialmenü ablaufen …

Immerhin: Was an Umständlichkeit in der Bedienung auf euch zukommt, wird an Komplexität im tatsächlichen Kampfverlauf genommen. Unseren maximal sechs Legionen können wir Angriffs- und Bewegungsbefehle geben, natürlich gibt es ein Schere-Stein-Papier-Prinzip der verschiedenen Insekten-Truppen und ein paar erforschbare Superkräfte für temporäre Boni und Wettereinflüsse. Insgesamt bleibt Empire of the Ants aber weit weg von den Möglichkeiten, die seit Längerem im Genre usus sind. Echtes Mikromanagement und taktische Finessen bleiben aus.

Entomologie-Exkursion

Das ist umso tragischer, weil Empire of the Ants die Leidenschaft für das Thema anzusehen ist. Die Geschichte, basierend auf einem Roman von Bernard Werber, führt uns gut in die Lebenswelt der Tierchen ein. Die zugrundliegende Weite und Vielzahl von Ameisenkolonien wird ebenso deutlich wie die Dramatik des täglichen Überlebenskampfes oder die Perspektiven auf andere Spezies.

Allein, nichts davon kann die gleichzeitig umständliche und oberflächliche Spielerfahrung wirklich abmildern. Empire of the Ants mag ein mutiges Experiment sein – aber diese können eben auch scheitern. Und dass zwar ein Mehrspieler-Modus, aber kein einfaches Gefecht jenseits der Geschichte gegen den Rechner möglich ist, kann auch nur verwundern.

Empire of the Ants - Gameplay-Video zeigt satte 8 Minuten der PS5-Version

Der neue Gameplay-Trailer zu Empire of the Ants zeigt euch satte 8 Minuten lang Spielszenen der PS5-Fassung, die am 7. November 2024 erscheint.

Greift zu, wenn...

… euch Insekten faszinieren und eine Spielwelt für euch wichtiger ist als Tiefe und Mechanik.

Spart es euch, wenn...

… ihr ein irgendwie klassisches Echtzeitstrategie-Spiel erwartet.

Fazit

Christian Burtchen - Portraitvon Christian Burtchen
Wunderschöne Spielwelt – leider ohne gutes Spiel dazu

Beim Testen von Multiplattform-Titeln gibt es einen Moment, den ich den „Tab-Seufzer“ getauft habe: Wenn ein Spiel eigentlich Maus-Unterstützung bietet, aber bei bestimmten Interface-Elementen Reiter eben nur durch wiederholten Tastendruck (meistens auf Q und E) durchgewechselt werden können. Das verheißt nichts Gutes in Bezug auf die PC-Umsetzung – und wäre in Empire of the Ants noch das geringste Ärgernis.

Wer ein gutes Gedächtnis für alle Irrungen und Wirkungen des Echtzeitstrategie-Genres hat, erinnert sich womöglich an die Genre-Hybriden der 90er und mittleren 2000er, in denen klassisches Rechtsklicken-zum-Angreifen mit einer aktiven Action-Figur kombiniert wurde, wie in Battlezone oder Rise and Fall: Civilizations at War zum Beispiel.

Nun, es hat einen Grund, dass sich diese Mischung nicht zur Blaupause für das Genre entwickelte: Sie funktioniert nie so richtig, weil die grundlegenden Metaphern und Machtphantasien um einiges auseinander liegen. Empire of the Ants entgeht dem in Teilen, weil wir mit unserer Spielfigur nicht wirklich kämpfen, aber dafür ist die Bedienung auf dem PC schon fast im Bereich der unfreiwilligen Komik. Von Nest zu Nest laufen, Radialmenüs abkrabbeln - so macht Basenaufbau keinen Spaß. Und der eigentliche Kampf ist trotz der verschiedenen Truppentypen, der Upgrades und der Spezialfähigkeiten gleichzeitig zu unübersichtlich und zu oberflächlich.

>> Ameisen? Es geht noch skurriler: Die 10 schrägsten Typen in Videospielen <<

In den Geschicklichkeits-Passagen oder zwischen den Missionen störte mich das viele Rumlaufen weniger. Gerade die Missionen, in denen ich zum Beispiel nach anderen Ameisen suchen musste, haben mir aber so gar keine Freude bereitet.

So bin ich mir am Ende des Tages nicht sicher, wen Empire of the Ants wirklich ansprechen soll. Das Spiel ist zweifelsfrei sympathisch, optisch ansprechend und mit viel Hingabe zur seiner krabbelnden Szenerie entwickelt worden – für derartige durchaus experimentelle Projekte ziehe ich meinen Hut! Aber ein wirklich empfehlenswertes Produkt ist daraus leider nicht geworden. Höchstens sehr meditativ angelegte Naturen oder Gamepad-Strategen könnten an Empire of the Ants ihren Spaß haben.

Überblick

Pro

  • bildhübsche Grafik
  • originell erzählte Geschichte und souveräne Dialoge
  • viel Ideenreichtum in der Spielwelt
  • passende Musik
  • netter Gedanke: Arachnophobie-Modus ohne Spinnen

Contra

  • nervtötende Bedienung des Strategieparts
  • wenig strategische Tiefe
  • wenig motivierende Geschicklichkeitspassagen
  • kein freies Spiel gegen den Rechner

Awards

  • Design
    • PC
    • PS5
    • XSX

Könnte dichinteressieren

Kommentarezum Artikel