Preview - The Crew 2 : Der Nachfolger wird endlich das, was Teil 1 schon sein wollte
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Ambitionen sind eine Sache, sie in die Praxis umsetzen eine andere. War die Idee hinter The Crew brauchbar? Die USA in verkleinerter Form als Schauplatz für ein Open-World-Rennspiel? Na sicher doch! Nur haperte es an allen Ecken und Enden am Feinschliff, was selbst beinharte Rennspielfreunde auf Dauer abschreckte. Ein Fehler, den der französische Entwickler Ivory Tower unter der Flagge von Ubisoft kein zweites Mal begehen möchte. The Crew 2 soll rundum besser werden.
Was heißt denn „besser“? Größer, schöner, umfangreicher? Das alleine wäre kaum eine adäquate Lösung für die Unzulänglichkeiten des Erstlings, aber ja, es gibt von allem mehr. Und The Crew 2 ist auch schöner als sein Vorgänger, obwohl es theoretisch um denselben Schauplatz geht. Einmal mehr dient eine Miniaturversion der USA, die etwa 100x100 virtuellen Kilometer Fläche entspricht, als Schauplatz für etliche Rennveranstaltungen und Grundlage für freies Cruisen.
Dank des Betawochenendes konnten wir uns jüngst persönlich von den Vorzügen der Neuiteration überzeugen und kamen schnell zu einem Urteil: The Crew 2 könnte dieses Mal das schaffen, was der Vorgänger erreichen wollte, nämlich eine ansehnliche Rennfahrerwelt etablieren, die autonom ist und lebt wie eine Ameisenstadt unter einer Glaskuppel.
Ein wichtiger Grundpfeiler dafür ist die Überzeugungskraft des Schauplatzes, die in Teil 1 allein auf den Straßen einige Einbußen erlitt. Grobe Abfahrten mit durchgezogenen Seitenstreifen, wenig Abwechslung in der Asphaltdarstellung, stetig wiederkehrende Bäume, Büsche und Felsen sowie weitere Schwächen zeugten von jeder Menge Copy-and-Paste-Gestaltung. Was nutzt die riesige Fläche, wenn am Ende doch alles gleich aussieht?
Auch The Crew 2 kommt in dieser Hinsicht nicht ungeschoren davon, aber immerhin sieht das Endergebnis um einiges besser aus. Einige Straßen wirken noch immer sehr grob, doch gehen Texturen nun flüssig ineinander über und verfügen über gesteigerte Details. Von allem gibt es nun mehr: mehr Bäume, mehr Felsen, mehr Brücken, mehr unterschiedliche Häusertypen in den Großstädten.
Brumm, platsch, surr
Forza Horizon bleibt in Sachen Umgebungsgestaltung ungeschlagen, wenn es um Open-World-Rennspiele geht, daran wird The Crew 2 nicht rütteln. Aber Ubisofts eigenständige Welt hat einige andere Vorzüge, die spielerisch hervorstechen. Kein Zweifel besteht etwa an der gebotenen Abwechslung durch diverse Fahrzeuge und passende Wettbewerbe. Wie schon in Teil 1 lasst ihr bei Einzelrennen in modernen Autos die Reifen glühen oder fügt matschigen Waldwegen neue Spurrillen hinzu. Gelegentlich geht es sogar im Geländebuggy querfeldein, sodass ihr ohne Streckenvorgabe selbst von Checkpoint zu Checkpoint finden müsst. So weit, so bekannt.
Neu sind dagegen Bootsrennen auf Flüssen und Seen sowie Flugveranstaltungen mit kleinen Propellerflugzeugen. Der Schnellste zu sein, ist nicht immer gefragt. Vor allem im Flugzeug geht es oft darum, mit gekonnt ausgeführten Stunts eine möglichst spektakuläre Show abzuziehen. Gelingen euch Loopings, Messerflug, Sturzflug und Konsorten mal im Freestyle und mal nach Vorgabe, so bewundern euch stetig neue Follower, die das Geschehen im Internet verfolgen.
Diesen Aspekt haben alle Wettbewerbe gemeinsam, egal in welcher Art Fahrzeug sie stattfinden, daher könnt ihr die Anzahl eurer Follower fast schon als Währung sehen. Je mehr Gefolgschaft, desto höher euer Pilotenrang, woraus wiederum die Teilnahmeerlaubnis für spektakulärere Wettbewerbe resultiert.
Vereinfachte Physik
Da die geschlossene Beta nur eine Progression in den ersten anfänglichen Rängen zuließ und obendrein nur Anfängerfahrzeuge zu bieten hatte, war beim Anspielen noch keine echte Steigerung messbar. Daher wäre auch eine Aussage zum Anspruch der Wettbewerbe unangemessen. Allerdings dürften anspruchsvolle Rennpiloten ähnliche Kritik üben wie schon zuvor, denn das Handling sämtlicher Fahrzeuge ist extrem einfach und kaum realistisch.
Allen Autos fehlt bislang die übliche Trägheit, die selbst Arcade-Rennspiele wie Ridge Racer oder Need for Speed simulieren. Boote fühlen sich schon ein ganzes Stück authentischer an und steuern sich auch zickiger, allerdings bleibt abzuwarten, ob man irgendwann einem fiesen Wellengang begegnet. Bisher waren die Gewässer extrem seicht.
Am einfachsten gestaltete sich jedoch die Steuerung der Flugzeuge. Im Vergleich zu den Luftvehikeln von The Crew 2 wirkt selbst die vereinfachte Physik in Nintendos Pilotwings höchst anspruchsvoll. Loopings drehen, tief fliegen und so weiter ist bislng nicht mehr als eine Herausforderung für die Hand-Auge-Koordination. Strick einschlagen, Position einnehmen, fertig.
Ob das so bleibt, ist unklar, daher sollte man diesen Kritikpunkt nicht überbewerten. Außerdem hängt davon nicht zwingend der Spielspaß ab. Gerade die Möglichkeit, völlig komplikationslos an unterschiedlichsten Rennen teilnehmen zu dürfen, ja, gar von einem Event zum anderen zu hüpfen, dürfte vielen Spielern gefallen, die normalerweise vom Anspruch einiger Rennspiele abgeschreckt werden. Wer will denn erst eine halbe Pilotenausbildung absolvieren, bevor er loslegen darf? Der künstliche Horizont, der mit dem Tacho und dem Höhenmesser vereint wurde, ist das einzige Instrument, das eure Aufmerksamkeit beansprucht – der Rest liegt an eurem Geschick. Das muss nicht zwingend etwas Schlechtes sein!
So weit das Auge reicht
The Crew 2 schöpft eine Menge Reiz aus seiner beständigen, offenen Welt, der komplizierte Fahr- und Flugmechaniken nicht sonderlich stehen würden, weil sie die freie Erkundung behindern könnten. Wer ausschließlich Wettbewerbe abklappern möchte, kann das anhand der Weltkarte tun, verpasst dabei jedoch die Gelegenheit, auf eigene Faust durch die virtuellen Vereinigten Staaten zu düsen. 10.000 Quadratkilometer sind kein Pappenstiel.
Hier gibt es viel zu sehen und zu bestaunen, auch wenn ein großer Teil der Grafik wie zuvor erwähnt aus Copy-and-Paste-Assets besteht. Großstädte besuchen, Landstraßen abklappern und unterwegs den ausführlichen Fotomodus nutzen, um wilde Tiere im Bild einzufangen (und damit Follower zu begeistern), machen allein des Forscherdrangs wegen eine Menge Spaß
Wir haben in der Beta sogar die Gelegenheit genutzt, die Grenzen des Machbaren auszuloten. Wer mit einer einfachen Propellermaschine der unteren Klasse von Seattle nach Miami fliegt, benötigt dafür beeindruckende 25 Minuten und kann derweil einen Wahnsinnsausblick in einer maximalen Flughöhe von 4000 Metern genießen. Wer weiß, wie viele Geheimnisse und Verstecke die Entwickler von Ivory Tower untergebracht haben: Sehenswürdigkeiten, seltene Tiere, bewundernswerte Panoramen, versteckte Wettbewerbe ... Da ist einiges möglich!
Gespielt haben wir die Beta von The Crew auf der Xbox One X, die sämtliche Grafiken wunderbar hochaufgelöst darstellt. Ob natives 4K zu sehen ist, ist angesichts einiger grob texturierter Oberflächen nicht ohne Messgeräte feststellbar, aber wir schätzen, dass es sich eher um eine Zwischenlösung im 1800p-Bereich handelt. Scharf ist das Bild allemal, allerdings wäre uns ein optionaler Performance-Modus lieber gewesen, gerne mit höherer Bildrate oder zumindest ein paar erweiterten Grafikoptionen. Denn die Pop-ins der Randdetails auf Straßen (Begrenzungen, Wasserfässer, Sträucher) sind leider ziemlich auffällig. Gleiches gilt für die Distanzdarstellung der Schatten, deren Übergang einen Tick zu nah am Auge liegt.
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