Test - Street Fighter 30th Anniversary Collection : Geballte Ladung Spiele-Geschichte
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Das muss man erst einmal schaffen! Nicht nur Innovator sein, sondern auch Inspirationsquelle sowie führende Elite – und zugleich zeitlos bleiben. Ein Kunststück, das Capcom mit der Street-Fighter-Prügelspielreihe gelang. Genau genommen mit dem Sequel zum eher belächelten Erstling, der selbstverständlich neben vielen seiner Brüder auf der Sammlung zu Ehren seines dreißigsten Geburtstags enthalten ist.
Über das Phänomen Street Fighter könnte man Bücher schreiben. Hat wahrscheinlich längst irgendwer getan, darum ist es sinnlos, im Test einer Geburtstagscompilation zu tief in die Materie einzutauchen, zumal sowieso beinahe jeder, der heute in der zivilisierten Welt lebt, von dieser Kultreihe gehört hat.
Für all jene, die schon in den frühen 90er-Jahren unserem liebsten Hobby frönten, ist Street Fighter 2 ein derart großer Meilenstein der Videospielgeschichte, dass jede Form von Ignoranz einem Sakrileg nahekommt. Capcoms Prügelkönig war keineswegs der erste Genrevertreter, der zwei Kontrahenten im direkten Schlagabtausch gegeneinander antreten ließ – siehe Klassiker wie International Karate auf den 8-Bit–Heimcomputern. Dennoch krempelte dieser Ausnahmetitel ein ganzes Genre um durch seine exzellente Spielbarkeit, sein tolles Charakterdesign und die gewitzte Steuerung samt Spezialmanövern.
Street Fighter 2 schickte Hinterhof-Brawler wie Streets of Rage, Double Dragon und Final Fight augenblicklich in Rente, rettete in seiner ersten Umsetzung den Ruf des anfänglich geplagten Super Nintendos, erschien ein bis zwei Jahre später auf beinahe jedem erhältlichen System unter der Sonne – sogar dem völlig überforderten Schwarz-Weiß-Game-Boy – und zog einen Rattenschwanz an Plagiaten hinter sich her. Firmen wie Takara, SNK, Sega, Jaleco und viele andere sonnten sich im Erfolg von Ryu, Blanka, Chun Li und wie sie alle heißen. Andere Konkurrenten, die einst auf Augenhöhe waren, beispielsweise Konami, verloren beim Versuch, die Street-Fighter-Formel zu kopieren, jede Menge Ansehen.
Voll auf die Zwölf
Völlig gleich, ob ihr euch einen knallharten Fan nennt oder euch jungfräulich eins auf die Kauleiste geben lasst, die Street Fighter 30th Anniversary Edition wird euch lange beschäftigen und eindrucksvoll vermitteln, dass die Serie ihren ausgezeichneten Ruf zu Recht genießt. Hand aufs Herz: Wie viele 16-Bit-Titel können es inhaltlich mit modernen Vertretern ihres Genres aufnehmen?
Hier bekommt ihr gleich 12 Titel, von denen fast alle dieses Kunststück vollbringen. Oder besser gesagt: fünf Titel in mehreren Ausführungen, darunter das zu Recht belächelte Ur-Street-Fighter (auf Konsolen bekannt als Fighting Street), drei Varianten des phänomenalen Nachfolgers, zwei weitere von Super Street Fighter 2, drei Vertreter der Alphareihe und ebenso viele von Street Fighter 3.
Für Prügelhistoriker wie auch für Einsteiger kommt die Sammlung einem Rundumschlag in Stil und spielerischer Finesse gleich. Das Ursprungswerk wirkt ungeschliffen und schlecht ausbalanciert, Teil 2 dafür umso spielenswerter, weil bis ins letzte Detail durchgestaltet. Super Street Fighter 2 bringt im Vergleich zwar nicht viel Neues auf den Tisch, dürfte aber als perfektionierte Variation von Teil 2 durchgehen, die dank vier neuer Kämpfer mehr Abwechslung bietet.
Street Fighter Alpha und Street Fighter 3 gelten als Neuinterpretationen, die den Spielablauf etwas moderner gestalten und vor allem grafisch viel mehr auf dem Kasten haben. Besonders erwähnenswert ist Street Fighter 3 wegen seiner butterweichen handgezeichneten Animationen, die jeden Disney-Zeichentrickfilm grobschlächtig wirken lassen.
Wer es historisch ganz genau nimmt, weiß, dass die Sammlung damit keineswegs komplett ist. Allein die Anzahl der irregulären SF-2-Mods, die in den frühen 90ern Spielhallen unsicher machten, sprengt jede Vorstellung. Aber damit sind zumindest alle offiziellen Varianten abgedeckt, und zwar in Form der Spielhallenoriginale, die Emulationsprofi Digital Eclipse hervorragend in die Neuzeit rettet.
Die Sache hat für Einsteiger nur einen gewaltigen Haken: Selbst auf den niedrigen Schwierigkeitsgraden geht es gut zur Sache, was insbesondere bei den frühen Varianten von Street Fighter 2 ein wenig Frust hervorrufen kann, denn die alten Arcadeklopper waren darauf aus, willigen Spielern das Kleingeld aus den Ritzen zu saugen, wenn sie gegen die künstliche Intelligenz antraten. Andererseits: Wer will schon gegen die Konsole spielen? Schon 1992 waren Runden gegen die CPU nicht mehr als Trainingseinheiten für zünftige Zwei-Spieler-Turniere. Ob ihr diesen online oder offline nachgeht, steht euch in dieser Sammlung frei.
Eine schnörkellose Sammlung
Trost spendet nur, dass die neueren Varianten spürbar leichter werden, allerdings nie auf Anfängerniveau. Einsteiger müssen sich durchbeißen, bekommen aber immerhin auf Wunsch alle Spezialmanöver fein säuberlich aufgelistet. Viel mehr darf man nicht erwarten. Zwei Pixelfilter, zwei Formatoptionen, eine Zoomfunktion sowie ein deaktivierbarer Rahmen – das ist im Großen und Ganzen alles, was das Optionsmenü hergibt.
Selbst das sogenannte Museum samt Making-of-Kapitel besteht nur aus einer Reihe von Bildern und ist ziemlich löchrig. Beispielsweise fehlt ein Kapitel zur World-Warrior-Urversion von Street Fighter 2. Das Making of springt von den Konzeptzeichnungen der verworfenen Prototypen gleich weiter zur ersten Modifikation mit Namen Champion Edition. Auch werden diverse Umsetzungen genannt, aber nie deren System. PC-Engine, NES und alle anderen Plattformen packen die Entwickler der Sammlung grob in ihren technischen Zeitrahmen, selbst dann, wenn diese Verallgemeinerung die Tatsachen faktisch grob falsch darstellt. Allzu viel Mühe floss also nicht in das Begleitmaterial. Schade.
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