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Test - Sea of Thieves : Langzeittest mit Licht und Schatten

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Selten gab es über die Natur eines Spiels so viel zu lernen wie in den vergangenen Tagen im Falle von Rares Piraten-MMO Sea of Thieves. Und genauso selten fiel es uns jemals schwerer, ein allumfassendes, festgenageltes Urteil zu bilden. Dieses Spiel kann genauso gut faszinieren, wie es einen zu Tode langweilen kann, denn der Unterhaltungswert kann nicht an der Spielstruktur gemessen werden. Er liegt im Spieler selbst verborgen.

Stellt euch vor, Rockstar Games würde die Umgebung des nächsten Grand Theft Auto doppelt so groß gestalten wie in GTA 5, es mit Sehenswürdigkeiten und liebenswerten Features vollstopfen, die zwar keinen echten Nutzen bieten, aber dennoch den Unterhaltungswert steigern. Im Ausgleich dafür gäbe es aber keine Handlung, sondern nur ein paar unverbindliche Autoklau- und Heist-Missionen. Moment mal! Das klingt doch fast nach GTA Online, das nach über vier Jahren noch immer sehr beliebt ist – nicht zuletzt, weil Rockstar stetig neue Spielmodi und Features nachschaufelt.

Das ausladend große Seefahrer-Abenteuer Sea of Thieves wirkt auf den ersten Blick keineswegs so vielseitig wie GTA Online. Doch der Eindruck täuscht gewaltig. Man muss eine Weile dranbleiben, bevor man die Feinheiten dieses Spiels entdeckt und es buchstäblich lieben lernt. Noch wichtiger ist allerdings, dass man es gemeinsam mit Freunden spielt, um das volle Potential auszuschöpfen.

Der häufig zitierte Vergleich mit einem Ball greift hier hundertprozentig: Sea of Thieves hat nicht nur die Vielseitigkeit eines Balls, mit dem man unendlich viele Spielmöglichkeiten auskosten kann, sondern auch denselben Nachteil: Alleine wird’s schnell fad, weil erst die Reaktion von Mitspielern das Regelwerk ausreizt. Aber genug der Vorab-Theorie.

Vergesst alle Statistiken

Die erste Regel, die man als Anfänger in Sea of Thieves verinnerlichen sollte, ist die, dass es keine Statistiken gibt – und man auch nicht versuchen sollte, sich eben solche zum Ziel zu machen. Dies alleine ist Legitimation genug für die Tatsache, dass es keinen echten Charakter-Editor gibt. Natürlich wäre es schön, wenn man eigenhändig am Aussehen seines Freibeuter-Avatars herumschrauben könnte, aber letztendlich ist das unwichtig, denn Rare möchte gar nicht, dass ihr euren Avatar als vorgeschobene Spielfigur verwendet. Rare möchte, dass ihr selbst in die Rolle des Piraten schlüpft.

Soll heißen: Sea of Thieves ist mehr Rollenspiel als Final Fantasy es jemals sein wird. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr spielt eine Rolle wie ein Schauspieler und werdet ermutigt, euch so gut wie möglich in die Rolle eines Vogelfreien hineinzuversetzen. Gelebte Seefahrer-Anarchie sozusagen. Tut was ihr wollt, wann ihr wollt. Allerdings ohne zählbare Stufen, ohne steigende Erfahrungswerte oder andere numerische Platzhalter. Es gibt zwar einen Piratenrang, der sich nach euren Taten richtet, aber der trennt lediglich die Landratten von fortgeschrittenen und erfahrenen Matrosen.

Bei Spielbeginn könnt ihr euch aussuchen, ob ihr alleine, zu zweit oder doch lieber zu viert in See stechen wollt, was vornehmlich Auswirkung auf euer Schiff hat. Wer alleine lossegelt, bekommt nur eine schwimmende Nussschale gestellt, auf der selbst kleinste Manöver furchtbar anstrengend ausfallen, weil ihr buchstäblich alles im Alleingang regeln müsst: Anker lichten, Segel setzen und ausrichten, Karten lesen, Ausrüstung verstauen oder schlicht die Fahrtrichtung angeben.

Dieser Spielmodus besteht nur, weil es genug Leute gibt, die im Vorfeld schon ankündigten, sie seien notorische Solospieler und hätten gar kein Interesse an einem Abenteuer mit einer richtigen Mannschaft. Unterm Strich könnte es aber keine sinnlosere Beschäftigung geben. Einsam übers Meer schippern? Stunden, Tage, wochenlang? Und dann von jeder größeren Crew über den Haufen geschossen werden? Oder einsam gegen einen Haufen Skelettkrieger antreten? Das ist ungefähr so sinnvoll wie eine Solorunde „Mensch ärgere dich nicht“. Macht nur noch weniger Spaß. Glaubt uns, wir haben es ausprobiert.

Wer trotzdem alleine losschippern will, kann das natürlich tun und muss keine Einschränkungen fürchten. Weiterhin dürft ihr alles tun, was auch in einer Gruppe von bis zu Vieren möglich ist. Und was genau kann man unternehmen? Nun, vornehmlich das weite Meer erforschen, dessen Darstellung alleine für Stunden faszinieren kann. Mehr zu den grafischen Vorzügen später.

Was ein Seefahrer alles braucht

Eine Seefahrt setzt zuerst einmal voraus, dass der Kahn, den man steuert, intakt ist. Soll heißen: Er fährt und sinkt nicht wegen etwaiger Lecks. Letztere kann man mit Holzbrettern stopfen und eingedrungenes Wasser mit einem Eimer über Bord schaffen. Besser ist das, sonst sinken wertvolle Utensilien, die man an Bord bringt, mit ins Seemannsgrab. Darunter Kanonenkugeln, Schrotmunition für diverse Handwaffen, Säbel, Grogfässer und Nahrung zum Auffüllen der Lebenskraft.

Finden könnt ihr all dies auf den Inseln, die ihr besucht. Nicht selten stehen dort Fässer herum, die ihr plündert. Ihr könnt natürlich auch die Schiffe anderer Piraten leerräumen, doch ist das meist mit Kampfhandlungen verbunden, und für die braucht ihr wiederum Bewaffnung. So oder so kommt ihr um einige Inseltrips nicht herum.

Warum dann nicht gleich eine ordentliche Mission angehen und einen Schatz ausgraben? Erwerbt eine Schatzkarte von einem Questgeber, entschlüsselt deren kryptisch formulierte Hinweise, nehmt Kompass und Schaufel zur Hand und fangt an zu buddeln. Unterwegs findet ihr so viel Kleinkram, das reicht für zwei bis drei Überfälle auf dem Meer. Und Gold häuft ihr dabei auch noch an. Kann doch kaum besser kommen!

Zugegeben, diese Schatzsucherquests sind unterm Strich ziemlich generisch, aber sie sollen ja auch keine Handlung ersetzen. Sie sollen lediglich einen groben Leitfaden bieten, der euch auf das ultimative Ziel einstimmt: den Überfall auf die zentrale Schatzinsel des Gebiets.Auch bei den anderen beiden Gilden, für die ihr Transportaufträge erledigt oder eine Runde metzeln geht, erhaltet ihr keinen Ersatz für eine handfeste Handlung oder einen vergleichbaren Rangaufstieg. Ihr sammelt lediglich Reputation über stetig gleiche Missionen.

Die erwähnte Insel zu finden ist ein Leichtes: immer Richtung Totenkopfwolke. Sie einzunehmen, gleicht hingegen einem Himmelfahrtskommando. Während kleinere Inseln nur von einer Handvoll Skelettkrieger und ein paar Haien bewohnt sind, müsst ihr euch hier einer ganzen Armee Untoter stellen, Strategien austüfteln und als Team an einem Strang ziehen. Als Belohnung winkt ein riesiger Schatz, den ihr gar nicht auf einmal ausräumen könnt. Ihr müsst also mehrmals da rein, wenn ihr wirklich reich werden wollt, und das ist gar nicht mal so einfach.

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