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Test - RIDE 3 : Beim ersten Mal tat's noch weh …

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Es ist verblüffend, dass ein Studio wie Milestone so viele Feinheiten verbessern, Kleinigkeiten hinzufügen und Wünsche der Fans umsetzen kann, ohne am Ende einen echten Fortschritt zu verzeichnen. Denn neue Engine, neue Spielstruktur und aufgestockter Inhalt sind vergebliche Liebesmüh, weil RIDE auch im dritten Anlauf das Wichtigste fehlt: eine Seele.

Wie heißt es so schön: Ein Spiel ist mehr als die Summe seiner Teile. Egal wie toll eine Aufzählung aller Features klingt: Wenn diese Einzelteile nach der Zusammensetzung keine Begeisterung entfachen, dann stimmt etwas im Kern nicht. Im Fall der Motorrad-Simcade RIDE 3 macht die Liste der Features zwar ebenfalls einiges her, aber trotzdem schleppt man sich bemüht von Event zu Event.

Der Umschwung auf die Unreal Engine bringt schönere Grafiken mit sich als bei den Vorgängern. 200 akribisch nachmodellierte Motorräder versprechen optische wie fahrerische Abwechslung und angesichts der insgesamt 30 Strecken samt Wetter und Tageszeiten braucht sich das Spiel nicht hinter bekannten Marken wie Forza Motorsport, Project Cars oder Gran Turismo zu verstecken.

Milestone investierte viele Arbeitsstunden in Kleinigkeiten, die so mancher potenzielle Spieler womöglich gar nicht richtig bemerkt oder aufgrund ihrer Beliebigkeit nicht nutzt. Als Beispiel sei der Charaktereditor genannt, der euch nicht nur Einfluss auf das Aussehen eures Motorradfahrers gewährt, sondern auch auf dessen Fahrverhalten. Wie winkelt er Knie und Ellenbogen an, wenn er sich in die Kurve lehnt? Verwendet er den Fuß als Balancehilfe, wenn er auf einem Cross-Bike auf die Bremse tritt? Optionen über Optionen. Doch was nutzt das alles, wenn die Karriere nicht mehr bietet als eine Liste voller zusammengewürfelter Events?

So zäh wie Kaugummi

Rennspielsimulationen und ihre nächsten Verwandten, die sogenannten Simcade-Rennspiele, kämpfen alle durchweg damit, die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und liebevoller Präsentation zu halten. Zu viel Bling-Bling vergrault Puristen, zu wenig Schmuck langweilt das Durchschnittspublikum. Die goldene Mitte treffen viele Vertreter durch die Vermittlung einer virtuellen Rennsportbegeisterung, quasi durch das Versprühen eines explosiven Geruchsgemischs aus Benzin und verbranntem Gummi.

Gran Turismo und Forza Motorsport vertrauen dabei auf den „Car-Porn“-Aspekt sowie die Philosophie, jeder Epoche, jeder Rennklasse und jeder Fahrweise eine eigene Nische einzuräumen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. RIDE 3 versucht, in dieselbe Kerbe zu schlagen, strahlt dabei aber nicht genug Ruhe und Geduld aus.

Die 200 verfügbaren Motorräder wurden wunderschön nachmodelliert, doch das Spiel setzt sie zu hektisch in Szene. Es nimmt sich keine Zeit für die Bewunderung, vertraut der offensichtlichen Schönheit seiner Topmodelle nicht. Und warum? Ganz einfach: weil sich der Rest des Spiels dermaßen zieht, dass man als Durchschnittsrennspieler kaum die nötige Muße dafür aufbringen mag, und das hat Milestone offenbar selbst erkannt. Darum besteht die Karriere aus nicht mehr als einer Liste voller Events, die man innerhalb gewisser Grenzen nach eigenem Gutdünken abklappern darf. Dazwischen passiert nichts. Nicht einmal eine Siegerehrung.

Es sind nicht nur die schier endlosen Ladezeiten zwischen den Rennen, die einem den Spaß am gelegentlichen Gaffen vermiesen. Es sind auch die technischen Patzer, die jeden Ansatz von Atmosphäre verpuffen lassen. Beispielsweise stolpert die Musikbegleitung während der Ladezeiten immer wieder, was so ähnlich klingt, als hätte eine Schallplatte einen Kratzer. Menüs und Präsentation wirken so simpel und bieder, dass sie keine Dynamik aufbauen. Schon der häufig genutzte Titelsong ist so aufregend wie Omas Stützstrümpfe.

Solide Fahrphysik …

Das klingt in einer Beschreibung furchtbar hochtrabend. Simpel ausgedrückt soll es nichts anderes heißen, als dass der fehlende Esprit in Langeweile resultiert. In RIDE 3 passiert nichts, das Aufregung erzeugt. Zumindest nicht, bis man einen Feuerstuhl auf die Strecke bringt und überrascht ein leichtes Grinsen auflegt. Hey, das Spiel hat ja doch was auf dem Kasten!

Auf der Piste liefert Milestone im Groben genau das, was man von einem Motorradrennspiel erwartet: viele Wettbewerbe, eine nachvollziehbare Steuerung und das typische Verhalten eines Motorrads samt Piloten. Wer sonst Rennspiele mit Autos vorzieht, muss sich zuerst an die längere Anfahrt einer Kurve gewöhnen. Wo Autos aufgrund ihrer Breite manchmal die halbe Fahrbahn belegen, möchte ein Zweiradflitzer so knapp und effizient wie möglich die Ideallinie nehmen und dazu einen steilen Neigungswinkel einnehmen. Das Timing für die Neigung zu erlernen dauert ein wenig, geht dann aber in Fleisch und Blut über.

RIDE 3 - Launch Trailer
In RIDE 3 steigt ihr in den Sattel von über 230 Motorrädern und jagt mit ihnen über einige der berühmtesten Rennstrecken der Welt.

Zumindest glaubt man das. In Wahrheit helfen euch jede Menge Fahrhilfen, die verhindern, dass es euch schon beim ersten kleinen Schlenker vom Bock wirft. Ganz ehrlich: So richtig Spaß macht RIDE 3 erst, wenn man diese Fahrhilfen abschaltet und spürt, was es heißt, ein Motorrad präzise zu steuern. Ein Autorennfahrer kann einen falsch abgeschätzten Anfahrtswinkel durch kurzes Bremsen und Schwenken korrigieren. Auf dem Motorrad ist das erheblich schwerer. Nur mit einem durchgehend flüssigen Kurveneinschlag kommt man ordentlich schnell am Scheitelpunkt vorbei. Jedes Zögern, jedes Nachjustieren und selbst ein verfrühtes Bremsen kann den Bock zum Schlingern bringen.

Allein das richtige Bremsen eines Mototorrads in einem Rennen stellt eine Kunst für sich dar. Am Vorderrad bremsen? Ist nur in Maßen effektvoll, sonst würde euer Pilot einen Purzelbaum über den Lenker schlagen. Nur hinten bremsen? Erzeugt nicht genug Widerstand. Mit beiden gleichzeitig langsamer werden? Nimmt euch die nötige Dynamik. Was also tun? Ganz klar: Die vordere Bremse betätigen und erst kurz vor dem Scheitelpunkt die hintere dazunehmen. Vollbremsungen sind so oder so zu vermeiden. Langsames Anfahren und schnelles Herausfahren aus der Kurve kennen Rennspielfans aus jedem beliebigen Genrevertreter. Auf einem Motorrad wird diese Empfehlung allerdings zur gnadenlosen Pflicht.

... bei stark schwankendem Schwierigkeitsgrad

Okay, vielleicht nicht im niedrigsten Schwierigkeitsgrad. Allgemein ist die KI in normalen Straßenrennen großzügig und lässt euch stets genug Platz zum Überholen. Zumindest, wenn sie nicht gerade selbst zum Überholen ansetzt, denn dann kann sie ungemein aggressiv, wenn nicht sogar unfair sein. Manchmal rammt sie euch absichtlich so geschickt, dass euch das Hinterrad wegfliegt – und kommt damit ungeschoren davon.

Das ist aber eher die Ausnahme. Die ersten Goldplatzierungen kassiert ihr schneller, als es gesund ist, denn schon beim ersten Zeitrennen schlägt der Schwierigkeitsgrad um. Von null auf hundert verlangt das Spiel plötzlich Bestzeiten, die jenseits von Gut und Böse liegen. Dann ist es vorbei mit der Großzügigkeit. Jede Kurve muss sitzen, muss mit maximal möglicher Geschwindigkeit genommen werden. Da kann man nur von Glück reden, dass eine Rückspulfunktion implementiert wurde, mit der ihr Fahrfehler augenblicklich korrigiert.

Ein ganz schön heftiger Kontrast, der mit jeder neuen Rennklasse extremer wird. Wenn ihr im zweiten Karrierelevel erstmals auf einem Plastikbomber des Typs Kawasaki Ninja sitzt und euch vorkommt wie Baron Münchhausen auf der Kanonenkugel, geratet ihr schon bei leichten Kurven ins Schwitzen, was leider nicht nur mit dem Mehr an Hubraum zusammenhängt, sondern auch mit der mangelnden Balance im Fahrerfeld.

Ein sehr anschauliches Beispiel sind Drag-Rennen. Das erste verfügbare Drag-Rennen könnt ihr gar nicht gewinnen, weil euch der Erwerb eines angemessen starken Motorrads verweigert wird. Die einzige Mühle im Angebot ist so lahm, dass ihr selbst mit Tuning und optimaler manueller Schaltung nur Platz 3 erreicht. Ganz offensichtlich hofft Milestone, dass ihr zu diesem Wettbewerb zurückkommt, um den Lapsus auszugleichen, sobald ihr auf stärkere Maschinen zurückgreifen könnt.

Leider zieht sich dieses Phänomen durch jede Art von Rennen. Wer sich das falsche Fahrzeug aussucht, hat keine Chance, im Spitzenfeld zu landen. Nach einer gewissen Spielzeit kristallisiert sich eine Art Lektion für den Spieler heraus: Beschleunigung und Endgeschwindigkeit sind nicht das Ende der Fahnenstange. Wendigkeit und Bremskraft sind genauso wichtig wie die Pferdestärken eines Feuerstuhls. Abhängig vom Wettbewerb schwanken die Vorgaben mal in die eine oder die andere Richtung.

RIDE 3 findet dadurch leider keine befriedigende Balance. Habt ihr die „Lektion“, die eine neue Klasse vermittelt, einmal verinnerlicht, so stellen die kommenden Wettbewerbe normalerweise kein Problem mehr da. Wünschenswert wäre aber eine sanfte Lernkurve und kein Holzhammer, der euch der schieren Verzweiflung wegen zu einem spielerischen Fortschritt (oder zum Einschalten der Anfängerfahrhilfen) zwingt und zugleich ein paar Grind-Runden nahelegt, damit ihr Kohle für neue Motorräder ansparen könnt. Aber selbst dann ist nicht gegeben, dass ihr euch für die richtige Maschine entscheidet. Wie gut oder schlecht sich ein gewisses Motorrad für den aktuellen Wettbewerb eignet, merkt ihr erst, wenn ihr auf der Piste seid.

RIDE 3 - Extreme Customization Trailer
Mit dem Lackierungs-Editor erhaltet ihr zahlreiche Individualisierungsoptionen in RIDE 3 an die Hand.

Unreal Engine ohne Biss

Der stark schwankende Schwierigkeitsgrad hängt nicht nur mit den spielerischen Vorgaben zusammen. Er wird auch durch einige gestalterische Entscheidungen beeinflusst, die nur bedingt nachvollziehbar sind. Ganz vorne auf der Kritikliste steht die Standardbildrate für die Konsolenvariante. Auf der Standard-PS4 und der normalen Xbox One sind 30 fps in Stein gemeißelt. Für ein Simcade-Spiel, das in Kurven eine derart hohe Präzision verlangt, ist das nicht hinnehmbar, zumal die Kritik daran nicht erst seit gestern besteht. Schon bei den Vorgängern gab es genug Beschwerden deswegen.

Das ist wohl ein Grund, warum euch Milestone auf PS4 Pro und Xbox One X die Wahl zwischen hoher Auflösung oder hoher Bildrate lässt. Wer hier auf 60 fps schaltet, ist klar im Vorteil, weil sich das Fahrgefühl dadurch erheblich verbessert. Doch nicht alle Konsolenbesitzer können auf PS4 Pro oder Xbox One X zurückgreifen. Und diejenigen, die stärkere Hardware besitzen, ziehen einen unfairen Vorteil daraus, da sich bessere Reaktionszeiten eben auch positiv auf die Bestzeiten auswirken können. Diese Designentscheidung ist keine gute.

Die Frage, warum RIDE 3 nicht grundsätzlich 60 fps zulässt, muss sich Milestone sowieso gefallen lassen. Ja, der Umstieg auf die Unreal Engine 4 ist anhand vieler grafischer Verbesserungen sichtbar, aber Bäume haben die Grafiker nicht ausgerissen. Die visuellen Details bewegen sich auf dem Stand von 2015, was man ganz besonders an den Randbauten jener Strecken erkennt, die in jedem anderen Rennspiel vertreten sind – also typische Kandidaten wie Laguna Seca oder Nürburgring. Selbst gestalterisch schöne Ausnahmen, wie etwa die Strecke am Gardasee, lassen den letzten Schliff vermissen.

Da wäre etwa die Schattendarstellung, die nur wenige Meter vor dem eigenen Fahrzeug von vorgefertigten Schatten auf Echtzeitberechnung umschwenkt. Geradezu katastrophal ist hier der Fakt, dass sich besagte Schatten nicht mit den Echtzeitschatten decken. Immer wieder sieht es so aus, als würden die Schatten von Bäumen und größeren Objekten ausradiert, um bei höherem Sonnenstand durch kürzere Varianten ersetzt zu werden.

An anderer Stelle herrscht hingegen Effekthascherei, wo keine nötig ist. Das ist beispielsweise auf der Macao-Strecke der Fall, die unnötigerweise nur bei Nacht spielbar ist und grundsätzlich nassen Asphalt auffährt, obwohl es in Macao keine Nachtrennen gibt. Diese berüchtigte Strecke in China ist schon bei Tageslicht gefährlich genug, weil oft sehr eng in ihrer Streckenführung. Nasser Belag und von Neonlichtern geflutete Aussicht demonstrieren zwar die Stärken der Engine, mindern allerdings die Authentizität des Spiels.

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