Preview - Pokémon Karmesin/Purpur : Die Open World belebt die angestaubte Reihe ungemein
- NSw
Die neue Paldea-Region markiert für die Monsterhatz eine wahre Kehrtwende: Erstmals präsentiert euch die Pokémon-Reihe eine Welt, die ihr frei bereisen und nach eigenem Gusto erkunden dürft. Die Open World stellt aber nicht die einzige Neuerung in Karmesin und Purpur dar. Mit der Terakristallisierung ändert ihr mitten im Kampf den Typ eures Kämpfers. Dazu gesellen sich zahlreiche Quality-of-Life-Verbesserungen, die wir im Zuge eines Preview-Events etwa eineinhalb Stunden lang selbst testen durften – teils sogar im Vier-Spieler-Koop.
Der traditionsreichen Pokémon-Reihe wird gerne vorgeworfen, sich in einem kreativen Loch zu befinden. So sehr sich die Pokémon Company und Nintendo auch anstrengen, dies zu widerlegen, es handelt sich nicht um eine Falschaussage. Abgesehen von frischen Taschenmonstern bieten die Spiele jeweils zwar meist eine große Neuerung, die aber nur selten an dem soliden Fundament rüttelt. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Pokémon Legenden: Arceus strafte Anfang dieses Jahres alle Kritiker Lügen und bewies mit einem stark überarbeiteten Fangsystem, einer belebteren Oberwelt und vielen weiteren Features, dass die Entwickler ihre kreative Munition noch lange nicht verschossen haben. Die neue Doppelspitze Karmesin und Purpur greift einige der Überarbeitungen auf und verfeinert das altbackene Prinzip noch weiter.
Dem altgedienten Nachwuchstrainer sticht sofort die offene Welt ins Auge. Hinzu gesellt sich die Terakristallisierung, die in hitzigen Kämpfen über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Neben diesen beiden offensichtlichen Neuerungen buhlen aber noch haufenweise kleinere Features und Mechaniken um eure Gunst. Bei einem Preview-Event in London mit Pokémon Karmesin habe ich ein paar davon selbst ausprobiert.
The World is yours
Die Gestaltung der Paldea-Region eifert der realen iberischen Halbinsel nach. In der Demoversion zog ich über malerische grüne Wiesen und durchquerte eine sandige Wüstenregion. Unschön dabei: Eine harte Kante trennt die zwei Gebiete, sie fließen nicht organisch ineinander. Das zerstört die Glaubwürdigkeit etwas. Pokémon-Veteranen kennen solche faul gestalteten Übergänge aber leider zur Genüge.
Bei der Erkundung der offenen Welt helfen die neuen legendären Monster ungemein. Ich zog gemäß der gespielten Edition mit Koraidon durch die Gegend. Auf Knopfdruck besteige ich direkt das Tier und reite auf ihm. Doch damit nicht genug, auf dem Rücken meines treuen Begleiters erklimme ich auch Wände, schwimme durchs Wasser und gleite durch die Luft. Koraidon springt außerdem extrem hoch, wodurch ich sonst nur schwer zugängliche Orte erreiche.
Die versteckten Maschinen schickten bereits Pokémon Sonne und Mond in Rente, durch die legendären Reittiere wird dieser Weg konsequent weitergegangen. Der ständige Begleiter macht weitere Hilfsmittel zur Fortbewegung obsolet und stellt einen enormen Komfortgewinn dar. Koraidon steuerte sich bereits in der Previewfassung ziemlich gut, mit kleineren Ungenauigkeiten, die mich aber nie ernsthaft störten. Sollte ein Ziel selbst via Ritt zu weit entfernt sein, steht die gute, alte Schnellreise an bereits besuchte Orte zur Verfügung.
Ganz allgemein formuliert ist die gesamte Paldea-Region eine große Naturzone, wie sie in Schwert und Schild schon vorkam. Pokémon tummeln sich direkt auf der Oberwelt. Um einen Kampf zu starten, rennt ihr in sie hinein oder werft einen Pokéball auf die nichtsahnenden Tierchen. Dadurch entsteht schon fast glaubhaft der Eindruck, sich in einem von wilden Wesen bewohnten Biom zu befinden. Die Größenverhältnisse zum Trainer passen zwar nicht immer, aber lieber so, als dass ein riesiges Modell die komplette Sicht behindert.
Kleine und große Bequemlichkeiten
Eine so umfangreiche Welt erkundet sich nicht von alleine, und dafür hat sich die Pokémon Company neben dem legendären Reittier noch weitere Quality-of-Life-Verbesserungen einfallen lassen. Via Knopfdruck sendet ihr den Erstplatzierten eurer Box aus, um Items einzusammeln oder herumlaufende Mönsterchen zu bekämpfen. Gelingt der vollautomatische Angriff, erhält das gesamte Team Erfahrungspunkte. Was passiert, sollte die Attacke misslingen, kann ich euch nicht sagen: Das kam in der Previewzeit schlicht und ergreifend nicht vor. Trainerkämpfe startet ihr nun immer manuell, ihr werdet nicht mehr automatisch angegriffen. Pokécenter finden sich nun außerdem deutlich öfter, was lästige Rückreisen in Städte minimiert.
Noch viel stärker als diese Hilfestellungen fällt aber ins Gewicht, dass ihr bei eurem Vorgehen nun freier seid. In bisherigen Serienteilen lautete das oberste Ziel stets, alle Arenaleiter in einer fixen Reihenfolge zu besiegen und der Allerbeste zu werden. Dieser Umstand ändert sich mit Karmesin und Purpur. Zwar müsst ihr noch immer acht Trainer besiegen und dadurch Orden verdienen, entscheidet jetzt aber selbst, in welcher Reihenfolge ihr die Arenen angeht. Ob und wie genau die Levels ihrer Pokémon skalieren, darüber ließ man mich noch im Dunkeln. Der von mir bekämpfte Pflanzenfreak Brassius setzte meinem feurigen Rüstungsträger Crimanzo aber nur wenig entgegen. Das lag aber schlicht an meinem Element-Vorteil - die Stufen unserer Kämpfer passten sehr gut zusammen.
Neben der Arena-Route existieren noch zwei weitere Storylines. Bei der einen stoppt ihr die Machenschaften des bösen Teams Star. Dazu nehmt ihr in bester Open-World-Manier mehrere Camps hopps. Das gestaltete sich in der Previewfassung ziemlich dröge. Nachdem ich an der Pforte geklopft hatte, galt es, eine bestimmte Anzahl an Pokémon zu erledigen. Das geschah komplett mit der Aussende-Mechanik, letztlich also eine reine Fleißaufgabe. Der anschließende Kampf gegen Irsa, die Anführerin der Feuer-Mitglieder von Team Star, überzeugte mich dann schon mehr. Der Gegner war nämlich kein traditionelles Taschenmonster, sondern ihr Starmobil. Ja, ihr prügelt ein armes, wehrloses Auto zu Altmetall.
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Beim dritten Pfad sucht ihr Geheimgewürze. Um an die begehrten Zutaten zu kommen, legt ihr euch mit riesigen Pokémon an. In meinem Fall stand ein überdimensioniertes Klawf zwischen mir und der gewünschten Ressource.
Kristallisierte Kämpfe
Neben der offenen Welt nennt die Pokémon Company die Terakristallisierung als großes neues Feature. Diese erinnert an die Dynamaximierung aus Schwert und Schild, bietet aber mehr taktische Möglichkeiten. Denn versetzt ihr einen eurer Kämpfer in diesen besonderen Zustand, ändert sich teils auch sein Typ. Ein Wampitz mit Wasser-Attacken? Kein Problem! Allerdings will der Einsatz der Terakristallisierung wohlüberlegt sein, nach einmaliger Auslösung bleibt sie für euer gesamtes Team gesperrt, bis ihr die Fähigkeit durch eine Rast am Pokécenter oder einem Terakristall wieder aufladet.
Die Kristalle taugen aber nicht nur zur Aufladung der Spezialfähigkeit, hier startet ihr auch die Raids. Im Prinzip hauen vier Spieler in Echtzeit auf ein bereits verwandeltes Pokémon, alternativ feuert ihr eure Mitstreiter an, was ihnen Buffs verleiht und sie heilt. Aber mal im Ernst: Sonderlich anders spielte sich der eine Raid, den ich absolvierte, im Vergleich zu Schwert und Schild nicht. Durch das strikte Zeitlimit kam aber immerhin ein Mindestmaß an Spannung auf.
Ungeahnt nett fällt die gemeinsame Erkundung der Open World aus. Via Code steigt ihr in eine Session ein, das ging in London schnell und problemlos vonstatten. Normale Kämpfe bestreitet ihr zwar nicht gemeinsam, dafür darf sich jeder an einem aufgebauten Picknick-Tisch einfinden. In den Camps spielt ihr wie gehabt mit euren Pokémon, um die Bindung zu stärken. Oder ihr baut in bester Cooking-Mama-Manier ein Sandwich zusammen, das euch mit Buffs versorgt. Die Zutaten findet ihr in der Welt oder kauft sie in Städten.
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