Test - Monster Hunter Rise : Vom Zweifler zum Fan
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Die einen lieben es schon seit Jahren, doch für viele Spieler war die Monster-Hunter-Reihe bislang ein Buch mit sieben Siegeln. Mir erging es da bislang ähnlich. Mir wollte sich einfach die Faszination nicht so recht erschließen. Monster Hunter Rise hat mich im wahrsten Sinne bekehrt. Nun kann ich kaum noch an etwas anderes denken als an die nächste coole Rüstung und die gemeinsame Jagd mit anderen Spielern. Warum es auf einmal doch “Klick!” gemacht hat, erfahrt ihr in unserem Test.
In den vergangenen Wochen habe ich einen überraschenden Meinungswechsel erlebt. Monster Hunter, das meine Klassenkameraden vor Jahren auf ihrer PlayStation Portable abfeierten und zum Mittelpunkt ihrer Pausengestaltung machten, wirkte auf mich einfach nur dröge. Der sich durch das ganze Spiel ziehende, ständig wiederholende Ablauf aus Monsterhinterherlaufen, Draufhauen und aus ihren Teilen bessere Ausrüstung zu schaffen, um noch größere Monster zu kloppen, ließ keinen Funken überspringen. Warum sollte ein dermaßen aus Redundanz bestehendes Spiel Spaß machen?
Lange Zeit später versuchten mich meine Kollegen in der Redaktion für Monster Hunter Generations zu begeistern. Ohne Erfolg. Schon nach weniger als einer halben Stunde spürte ich kein Bedürfnis, mich weiter mit dem Titel zu befassen. Monster Hunter World schenkte ich daher keinerlei Beachtung mehr.
Das lag im Rückblick vor allem an zwei Dingen: Monster Hunter überflutete mich einerseits mit Informationen und ließ mich dennoch völlig ratlos dastehen. Es gab Tausende Mechaniken, Tastendoppelbelegungen, Waffen, Herangehensweisen und Fachbegriffe. Alles wollte mir das Spiel auf einmal beibringen. Zweitens: die Fortbewegung. Große Areale zu durchstreifen, um ein Monster ein paar Mal mit einigen ungelenken Hieben zu treffen, nur um sogleich wieder im Schneckentempo die langatmige Verfolgung aufzunehmen, schaffte in mir kein Gefühl eines Spielflusses, der mich motiviert weiterzuspielen.
Richtige Verbesserungen zum richtigen Zeitpunkt
Für mich persönlich eigentlich nicht die besten Voraussetzungen für die Annahme, dass es mit dem Switch-Ableger anders laufen sollte. Wie die einführenden Zeilen allerdings schon verraten haben, ist genau das passiert. Warum also hat mich ausgerechnet Monster Hunter Rise als Neueinsteiger abgeholt? Ganz grundlegend stimmten mich Verbesserungen in der Mobilität des Jägers versöhnlicher gegenüber anderen Punkten, die mich in der Vergangenheit abschreckten.
Auf die Jagd geht es nämlich nicht alleine, sondern in Begleitung eines oder mehrerer Buddies. Neben den bekannten, Palico genannten, katzenähnlichen Unterstützern führt Monster Hunter Rise sogenannte Palamutes ein. Und was für eine Erleichterung sie sind! Die hundeartigen Begleiter fungieren ähnlich wie die Palicos als Kampfgefährten, gleichzeitig aber auch als Reittier. Dank ihnen lassen sich die umfangreichen Maps in Windeseile durchstreifen. Es ist sogar möglich, mit fliehenden Monstern Schritt zu halten. Das verbessert den Fluss einer durchschnittlichen Mission, in der eine bestimmte Kreatur erledigt werden muss, ungemein.
Auch der ehemals schwerfällige Kampf hat einen Auffrischungskurs in Sachen Dynamik genommen. Das Zauberwort lautet Seilkäfer. Es handelt sich um Insekten, die eine Rettungsleine spinnen, um flinke Manöver zu ermöglichen. Wirft mich ein Monster um, kann ich den Sturz blitzschnell mit einem Käfer abfangen. Alternativ ist ein Sprung über den Gegner möglich, mit dem sich beispielsweise Schwachstellen besser erreichen lassen. Darüber hinaus verfügt jeder Waffentyp über eigene Seilkäfer-Angriffe, die speziellen Schaden verursachen und es letztlich ermöglichen, ein Monster zu reiten.
Die Wyvernritt genannte Mechanik ist ebenfalls neu in Monster Hunter Rise. Hat ein Monster erst einmal genügend Seilschaden erlitten, genügt ein Knopfdruck, um es zuzureiten. Der begrenzte Zeitraum kann genutzt werden, um anderen Kreaturen zu schaden oder das Reittier gegen eine Wand zu schleudern. Capcom hat sich im Kontrast zum übrigen Spiel an sehr simple Kommandos gehalten. Trotzdem fällt die Kontrolle je nach Monster steif wie ein drei Tage altes Baguette aus. Klar, ein wildes Monster sofort wie ein dressiertes Pferd reiten zu können, wäre unglaubwürdig. Spielerisch ist es aber recht nervig. Nichtsdestotrotz bereichert der Wyvernritt Rise um einige seiner coolsten Momente überhaupt.
Herrliche Welten
Der Seilkäfer ist kein reines Kampfwerkzeug. Die Entwickler haben sich ein paar Dinge von The Legend of Zelda: Breath of the Wild abgeguckt und einen stärkeren Fokus auf Erkundung gelegt. Dank Seilmanövern sind Entdeckungtouren in die Vertikale gewachsen. Mit ihnen schwinge ich wie Spider-Man von Bergspitze zu Bergspitze, wenn auch längst nicht so stylisch.
Schummrige Bambuswälder, felsige Wüsten und zerklüftete Eislandschaften - Monster Hunter geizt auf der Switch nicht mit Reizen. Jede der vielschichtigen Maps erweckt einen durchdachten Eindruck. Trotz ihrer simplen Grundstruktur lassen sich auch nach Stunden noch geheime Winkel entdecken. Belohnt wird mein Forscherherz mit kleinen Lore-Häppchen zur Geschichte des Ortes, neuen Basislagern oder besonders guten Stellen zum Farmen von Ressourcen. Das motiviert für lange Zeit. Durch den Seilkäfer haben daher sowohl Kampfsystem, als auch Fortbewegung an Tiefe gewonnen. Sein Einsatz ist jedoch nicht unbegrenzt möglich und an Cooldowns gekoppelt.
Eine Mauer aus Tutorials
Wie schon beschrieben, stimmten mich die vielen Neuerungen milder gegenüber einem Hauptproblem des Spiels, das Einsteiger trotzdem noch haben werden: die Tutorialstruktur. Ja, auch Monster Hunter Rise erschlägt gerade zu Beginn mit überwiegend verschriftlichten Erklärungen, Hinweisen und Tipps, die für einen ratlosen Anfänger mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Ich musste mich festbeißen wie eine Bulldogge, um nicht gleich wieder vor lauter Verzweiflung aufzuhören. Ist diese Hürde jedoch einmal überwunden, wird man nach und nach mit angenehmen Aha-Effekten belohnt, da sich immer mehr Feinheiten und Möglichkeiten erschließen. Erst sehr viel später setzte ich mich mit Funktionen auseinander, die ich zuvor angesichts der Informationsflut ausgeblendet hatte. Das setzt Eigeninitiative und Geduld voraus, die nicht jeder von Anfang an mitbringt.
Einer dieser Aha-Effekte für mich war, dass jeder der 14 Waffentypen ein ganz eigenes Move-Set mitbringt und sich daher völlig anders spielt. Für Kenner ist das natürlich ein alter Hut. Egal, ob ich als Tank mit einem mannsgroßen Schwert an vorderster Front stehen möchte, Monster Hunter mit einem Bogengewehr in einen Third-Person-Shooter verwandle oder mich an komplexere Waffen wie die Morph-Axt mit unterschiedlichen Modi wage, jeder Waffentyp ist mit einem eigenen Spielstil gleichzusetzen. Diese Vielfalt bietet für jeden etwas, der sich nicht festlegen möchte, seine Strategie je nach Monster wählt oder einfach nur eine passende Vorgehensweise sucht.
Individualisierungs-Fetischisten können angesichts der ausufernden Anpassungsmöglichkeiten ein Freudentänzchen aufführen. Denn die umfangreichen Editoren für Charakter, Palico und Palamute sind erst der Anfang. Ein Kernelement von Monster Hunter besteht natürlich darin, die durch die Jagd gewonnenen Teile für coole neue und noch bessere Rüstungen zu verwenden. Denn der Charakter selbst sammelt keine Erfahrungspunkte. Lediglich durch bessere Ausrüstung und Fertigkeiten geben die immer größer werdenden Monster kleinbei. Auch Steuerung und die Belegung von Schnellzugriffen lassen sich nach eigenem Wunsch anpassen. War ich zu Beginn noch froh, überhaupt zu wissen, was wo ist, lernte ich diese Freiheit nach mehr und mehr Missionen sehr zu schätzen, um noch effektiver jagen zu können.
Da manche für den Bau von Rüstungen notwendigen Teile geringere Drop-Raten aufweisen, bleibt es nicht aus, bestimmte Quests mehr als ein- oder zweimal absolvieren zu müssen. Deshalb ist Monster Hunter Rise, wie seine Vorgänger, von redundantem Gameplay geprägt. Am sehr befriedigenden Loot-Ablauf kann man aber durchaus Gefallen finden. Trotzdem hat sich Capcom noch etwas Neues einfallen lassen, um frischen Wind durch die Jagdgefilde wehen zu lassen.
Chaos in Kamura
Rise ergänzt den obligatorischen Jagd- und Sammelwahn durch sogenannte Randale-Missionen. Dahinter versteckt sich im Grunde nicht mehr als ein Horde-Modus, in dem es das Hub-Dorf Kamura durch die Befestigung von Anlagen vor Dutzenden Monstern zu verteidigen gilt.
Zu Beginn werden verschiedene Geschütze und Fallen an dafür vorgesehenen Plattformen installiert, die je nach Art von der CPU oder dem Spieler kontrolliert werden. Sodann stürmen massenhaft Monster heran, die vornehmlich per Geschütz ausgeschaltet werden. Randale-Missionen sind daher näher am Shooter-Genre gelagert. Mit steigender Zahl abgewehrter Wellen wächst das Arsenal an Waffen, die stetig neu organisiert werden müssen. Leider werden diese Errungenschaften für die nächste Randale-Mission wieder auf Null gesetzt.
Spielerisches Chaos liegt zwar in der Natur eines jeden Horde-Modus, doch die Randale hat mich dann doch von Zeit zu Zeit überfordert. Sobald die Festung voller bildschirmfüllender Monster ist, fiel es nicht selten schwer noch zu erkennen, was überhaupt vor sich geht und welches Monster mich gerade attackiert und davon abhält, ein Geschütz zu verwenden. Insofern ist die Randale eine nette Ergänzung, begegnet dem Rest von Rise spielerisch aber nicht auf Augenhöhe.
Unkomplizierter Multiplayer
Zwar sind alle herkömmlichen, als auch Randale-Missionen selbstverständlich auch für Singleplayer ausgelegt. Ihr könnt (und solltet!) Monster Hunter Rise jedoch im Multiplayer mit bis zu drei weiteren Spielern genießen. Zusammen selbst die größten Viecher zu legen, sich mit sich ergänzenden Waffen zu unterstützen, hebt das Jagd-Gefühl noch einmal auf ein ganz neues Level. Ob mit Freunden oder Fremden ist fast schon egal. Ohne vorherigen Austausch von Codes kann jeder Spieler jederzeit ganz einfach zu einer Mission hinzustoßen, auch zu einer bereits laufenden. Das ist im Switch-Kosmos nicht selbstverständlich.
Unkompliziert ist der Multiplayer zumindest ab dem Moment, wenn man erst einmal die “bürokratische” Prozedur verstanden hat, die dafür nötig ist. Sich zuerst über einen Palico mit dem Internet verbinden zu müssen, um an völlig anderer Stelle im Hub-Dorf Missionen zu starten und auszuschreiben, ist nicht auf Anhieb intuitiv, aber auch keine Hürde. Wie mich der sehr viel jagderfahrenere Kollege Zeno wissen ließ, war der Multiplayer zumindest in Monster Hunter World, ich darf zitieren: “Pain in the ass.” Rise attestiert auch er als Kenner der Reihe einen sehr viel zugänglicheren Ansatz. Nach abgeschlossener Jagd lassen sich fremde Spieler mit einem Like versehen, um sie später einfacher wieder zu finden. Auch das ist praktisch.
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