Preview - GTFO : Was tut sich im Horror-Koop-Shooter?
- PC
Seit Dezember 2019 befindet sich der Horror-Koop-Shooter GTFO im Early Access auf Steam. Was sich in den Untiefen der bockschweren Bunker-Level seither getan hat, wie der kommende fünfte Rundown mit dem Namen Rebirth aussieht und warum GTFO bald sogar Roguelike-Elemente aufgreifen will, durfte ich in einer frühmorgendlichen Koop-Session mit den Entwicklern von 10 Chambers herausfinden.
Zusammen mit den Gebrüdern Simon und Viktor Viklund, die das Indie-Studio 10 Chambers seinerzeit gründeten und die Idee für GTFO hatten, und einem weiteren Mitglied aus der Entwickler-Crew geht es am Montagmorgen in die Tiefen der Bunkeranlage des neuen Rundowns - so nennen die Entwickler ihre jeweiligen Erweiterungen, aktuell ist das die #005. Ja, ihr habt richtig gelesen, meine Woche fing damit an, dass ich mich von Monstern durch dunkle Korridore jagen ließ. Klingt nach einem schlechten Start in die Woche?
“Mit einem Journalisten im Team sind wir noch nie durch ein Level gekommen”, mit diesen aufmunternden Worten begrüßte mich Simon Viklund, Narrative Director und Mitgründer von 10 Chambers zu Beginn unseres gemeinsamen Ausflugs. Na toll, da stehen die Vorzeichen ja richtig gut, und ich hatte noch nicht mal meinen ersten Kaffee. Zugegeben, in meinen dunklen Erinnerungen an die Release-Version von 2019 hallt der abartige Schwierigkeitsgrad des Spiels bis heute nach. Ein falscher Mucks und zwanzig wahnsinnige Monstrositäten rennen wie eine Horde tollwütiger Wildsäue hinter einem her. “Keine Sorge, das ist heute wie damals der Fall”, schiebt Viklunds Bruder Viktor schelmisch nach. Montag, typisch Montag.
Zwei Seiten einer Horror-Medaille
Schon 2019 war auf den ersten Blick klar: In der Kausa GTFO haben wir es mit einem sehr guten, aber eben auch mit einem sehr typischen Early-Access-Titel zu tun. Es gab beispielsweise noch keine Matchmaking-Funktion, obwohl GTFO ein 4-Spieler-Koop-Shooter ist. Die Balance der Waffen war ebenfalls recht unausgegoren, und es mangelte an Orientierung in den finsteren Bunkerschächten in Form von Tutorials oder wenigstens einer übersichtlichen Karte.
Versteht mich nicht falsch, trotz dieser Kinderkrankheiten war GTFO schon immer sehr spaßig, auch für Montagsmuffel und notorische Daneben-Ballerer wie mich. Es war weitestgehend frei von Bugs und zudem eine packende Herausforderung, fiel aber durch seine schroffen Kanten wie den genannten Mängeln oder fehlendem Voicechat bisweilen etwas sperrig aus. Das passt zwar zur Hardcore-Identität des Spiels - man stirbt eben oft in GTFO, einfach weil es ein unverzeihlicher, fieser Sack ist - aber ein paar mehr Rundungen als Ecken hätten es dann seinerzeit doch gerne sein dürfen. Das Gute vorneweg: Die Identität ist GTFO bis heute erhalten geblieben - die spielerischen und technischen Kinderkrankheiten indes wurden beseitigt. An dieser Front hat 10 Chambers ganze Arbeit geleistet.
Trotz Early Access ein (fast) fertiges Spiel
Inzwischen habe ich wenigstens den ersten Kaffee intus, als unser Rundown in zunächst gewohnter Manier beginnt. Wir nehmen einen Lift in scheinbar bodenlose Tiefen. Am Grund angekommen durchsuche ich mit meinem Team eine von Nebel durchzogene und mit Unmengen feindlicher Kreaturen gespickte Bunkeranlage, in der wir für unsere mysteriösen Auftraggeber, die Warden, unterschiedliche Aufgaben erfüllen, wie beispielsweise Terminals finden und Gegenstände bergen.
Die Sleeper genannten Monster, die überall lauern, wachen erst dann auf, wenn wir uns zu laut durch den Level bewegen. Daher gilt es, sie auf dem Weg entweder schleichend zu meiden oder mit der Nahkampf-Waffe lautlos zu erledigen. Gelingt das nicht, bricht völliges Chaos aus und die Viecher wecken mit markerschütternden Schreien alle ihre Artgenossen, die uns dann gemeinsam an die Gurgel gehen - was zumeist das Ende eines Rundowns bedeutet. Soweit wenig Neues, Opa erzählt vom Krieg. Aber warum ist in diesem Absatz plötzlich keine Spur mehr von den ganzen genannten Problemchen?
Ganz einfach, weil GTFO sich inzwischen in einem überragenden Zustand befindet - und das in fast allen Facetten. Early Access? GTFO fühlt sich wie ein fertiges Spiel an. Die Unity-Engine zickt nicht rum, sondern kleidet die nebligen Korridore und Giger-esquen Monster in dämmriges Licht und nahezu dickflüssig anmutende Schatten. Die drückende Atmosphäre wird vor allem durch eine ungemein packende musikalische Untermalung aufgebaut, die uns mit schaurigen Tönen Hinweise auf nahende Gefahren gibt.
Auch spielerisch hakt GTFO zu keiner Zeit: Die Waffenbalance fällt inzwischen ausgewogen aus und die Interaktion mit den Gadgets der Teammitglieder belohnt methodisches Vortasten durch die spannenden, verwinkelten Level der Bunkeranlagen. Seit dem letzten Patch funktioniert sogar das Matchmaking - trotz Alphastatus – einwandfrei, und wir dürfen uns auch endlich gegenseitig im Voicechat des Spiels Vorwürfe wegen unseres tölpelhaften Spielstils an die Köpfe werfen.
Bleibt die Frage, warum sich GTFO noch immer im Early Access befindet? “Unser Spiel war schon zum Launch 2019 frei von Bugs. Uns fehlte es aber an Feinschliff und Progression”, erklärt mir Simon Viklund. Mit Letzterem meint der Schwede vor allem Features, die im Spiel für Belohnung sorgen und damit auch Wiederspielwert generieren. Diese bisher lose Schraube zurrt das Team von 10 Chambers mit dem Rundown #005 jetzt auch fest.
Boost me up, Scotty!
Bisher gab es in GTFO außer dicken Cojones im Gamer-Freundeskreis wenig zu gewinnen. Mit dem fünften Rundown ändert sich das (die Eier bleiben natürlich). In den Tiefen der Bunkeranlagen locken von nun an Artefakte, die wir auch beim vorzeitigen Ende unserer Gruppe behalten dürfen - also ein wenig so wie in modernen Rogue-likes. Die seltenen Teile werden automatisch zu Boostern zusammengesetzt, die wir daraufhin vor dem nächsten Start ausrüsten oder gegen andere Booster austauschen können und die je nach Artefakt-Zusammensetzung unterschiedliche Vorteile und bisweilen sogar Mali mit sich bringen. So steigen wir beispielsweise mit etwas weniger Lebenspunkten in den Bunker ab, dafür macht unser Maschinengewehr aber mehr Schaden, was in Notsituationen ziemlich nützlich sein kann.
Die Booster erleichtern das Spiel ein wenig, nehmen GTFO aber zu keinem Zeitpunkt sein forderndes Naturell. Auch mit mehr Power am Geschütz bestraft uns das Spiel weiterhin, wenn wir zu harsch voran hetzen oder einen Gang nicht mit klebrigem Schaum einkleiden, damit die Monsterwellen später auf unserer Flucht aus dem Bunker darin hängen bleiben. “Wir wollten den Spielern nicht einfach nur leichtere Durchgänge ermöglichen, sondern sie ermutigen, koordiniert zusammen zu spielen. Wer die Booster im Team gut abstimmt, kann effektiver vorgehen und den Durchgang so individueller gestalten”, erklärt Simon Viklund.
“Indem die Booster Verbrauchsgüter sind, die nur einige wenige Durchläufe halten, bleibt der Anreiz erhalten, immer wieder aufs Neue in den Bunker hinabzusteigen und Artefakte zu finden”, heißt es seitens der Entwickler. In welchem Level sich das besonders lohnt, zeigt die Artefakt-Hitze an. Die variiert von Tag zu Tag zwischen den Abschnitten eines Rundowns, sodass sich der Besuch bereits gemeisterter Level erneut lohnt, denn schließlich lockt auch dort noch wertvolle Beute. Kluger Schachzug, denn so verbinden die schwedischen Entwickler ihre knackige Herausforderung gleich mit einer Lootspirale die auch dann noch motiviert, wenn man am Rundown scheitert oder die Inhalte vergangener Level bereits kennt.
Damit die Spieler nach dem Beutezug nicht einfach so den Weg zurück zum Aufzug ins Freie nehmen, haben sich die Entwickler außerdem eine kleine Gemeinheit ausgedacht. Wer die Augen offen hält, der sieht an den Decken der Bunkeranlagen mancherorts fleischig tropfende Brut-Säcke hängen. Aus denen erscheinen nach einer gewissen Zeit neue Sleeper, die einige unvorsichtige Abenteurer auf dem Rückweg überraschen dürften - daher wohl auch der Titel des aktuellen Rundowns “Rebirth”.
Wie sieht die Zukunft aus?
“In einem Jahr wollen wir spätestens die Version 1.0 erreichen”, gibt mir Simon Viklund als Ausblick auf die weitere Entwicklungszeit mit. “Bis dahin werden wir den Rundown #005 mit zusätzlichen Abschnitten erweitern und noch ein wenig mehr an der Atmosphäre tüfteln.” Die ist zwar schon zum Fürchten gruselig, soll aber vor allem durch weitere Sound-Einspieler zusätzlich unterlegt werden - wie beispielsweise Tropfgeräusche, die Hinweise auf Respawn-Säcke an der Decke geben sollen. Das ist übrigens Chef-Sache bei 10 Chambers, denn Simon Viklund selbst übernimmt das Sound-Design, genau wie seinerzeit in Payday 2.
Eine bestehende Baustelle ist derzeit noch die unübersichtliche Karte, mit der es im besten Fall möglich ist, wie ein Besoffener durch die Bunkeranlage zu torkeln, aber kaum sich sinnvoll daran zu orientieren. Hieran soll noch während des fünften Rundowns Abhilfe in Form von dreidimensionalen Wegpunkten geschaffen werden, anhand derer sich die Spieler zumindest ein wenig genauer durch die Level quälen können. Das dürfte schon sehr helfen, denn durch die verschiedenen Ebenen der Bunkerlevel geht die Orientierung bisweilen nach den ersten Schritten flöten.
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In Sachen Story soll es auch endlich deutlich vorangehen. Die bisher eher blassen Charaktere werden zukünftig näher beleuchtet. “Jeder Charakter erhält eine Hintergrundgeschichte, die auch mehr über den Bunker und seine monströsen Bewohner verraten wird.” Gut so, denn das atmosphärische Setting verlangt dringend nach mehr Erklärung, schließlich wüsste man dann doch ganz gerne, warum man sich am Montagmorgen in einen Bunker stürzt und darin nach Zeug für die ominösen “Warden” wühlt.
Ein Blick in die Kristallkugel
Freundlicherweise flüsterten mir die Viklunds noch einige Ideen zu, die den Entwicklern derzeit unter den Nägeln brennen. Aktuell arbeite man daran, die Nahkampf-Waffen ein wenig vielfältiger zu gestalten, zum Beispiel mit Betäubungs-Prügeln, die Monster für kurze Zeit paralysieren. Das wäre in der Tat nicht verkehrt, immerhin gibt es bisher nur vier visuell recht ähnliche Hämmer, die alle identisch funktionieren - nun ja, sie zerhämmern eben.
Außerdem sind Gadgets in Planung, die man im Level selbst finden und dort gegen das Start-Gadget eintauschen soll. “Ich könnte mir einen Scanner vorstellen, der im Rundown zu finden ist und besonders wertvolle Artefakte aufdeckt”, schließt Simon Viklund seine Überlegungen - spannende Ideen, die in ähnlicher Form auch schon von den Fans geäußert wurden. Die Schweden haben also mal wieder den Puls der Community erspürt.
Nach etwa eineinhalb Stunden, in denen wir uns so leise und vorsichtig-methodisch, wie es an einem Montagmorgen nur möglich ist, durch die Korridore des Bunkers quälten, ist es dann doch passiert: wir sind verreckt. Die Entwickler im Team zu haben, hat dabei in etwa einen so großen Unterschied gemacht, wie Not gegen Elend einzutauschen - nämlich keinen. Weil wir in aller Montäglichkeit kurzerhand einen Treppenaufgang nicht abgesichert hatten, wurden wir überrannt, so kann’s gehen. Wenigstens kann sich mein Puls jetzt wieder ein wenig beruhigen. Nach über einer Stunde auf 180 fühle ich mich tatsächlich so alt wie ich bin. Also doch ein typischer Montag ...
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