Special - Ein Schritt zu weit? : Wie GTA V Gemüter erhitzt
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Nun schwappen die Wogen im Internet natürlich hoch. „Was, wenn Kinder das sehen?“ Tja, dann hat wohl jemand was verkehrt gemacht, denn GTA V ist ein Spiel für Erwachsene. Sich über die Gewalt aufregen? Mal ehrlich, langsam wird es langweilig, Filme wie „SAW“ und selbst einige Fernsehserien hauen einem mittlerweile deutlich mehr um die Ohren. Klar, natürlich macht es einen Unterschied, ob man so etwas nur passiv in einem Film oder einer Serie erlebt oder aktiv tätig wird wie in einem Videospiel. Das ändert aber nichts am Grundsatz, dass Gewalt in allen Medien zunimmt.
Menschenrechtsorganisationen hingegen verurteilen die Folterdarstellung und sehen ihre Arbeit gefährdet, weil Folter verherrlicht oder verharmlost werde. Andere wieder sehen darin eine reine Masche, um Aufmerksamkeit für das Produkt zu erzeugen, so wie seinerzeit die Mission „No Russian“ in Call of Duty: Modern Warfare 2, in der man Zivilisten auf einem Flughafen niedermetzelte (in Deutschland entschärft).
Wieder andere sehen in der Szene ein Statement gegen die Moral der modernen (US-)Gesellschaft. Ein Statement, welches das Handeln gegen die eigenen Wertvorstellungen anprangert. "Folter ist nur für den Folterer da. Oder für denjenigen, der die Folter anordnet. Man foltert um des Spaßes willen! Wir alle sollten uns das eingestehen. Um Information zu erlangen, ist sie nutzlos." Da würde es einen schon interessieren, was die Betreiber von Guantanamo und Co. dazu sagen. Aber wer weiß, vielleicht ist die Szene auch nur ein erhobener Mittelfinger an all jene, von denen die GTA-Reihe schon seit Jahren angeprangert und für das Böse schlechthin gehalten wird, obwohl sie selbiges im Grunde nur überzogen und oftmals satirisch nachbildet.
Ob man diese Szene nun befürwortet oder nicht, sie passt in GTA V in den Gesamtkontext. Denn auch wenn es als Spiel ein Sandkasten für virtuelle Kriminalität und Gewalt ist, so werden doch Unmengen von gesellschaftlichen Themen aufgegriffen, karikiert oder satirisch angeprangert: Rassismus, Sexismus, Egoismus, Gewalt, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Erfolgswahn, Korruption und so vieles mehr. All das sind Elemente, die von GTA V auf spielerische Weise überzogen ans Licht gezerrt werden und nicht selten auch zum Nachdenken anregen, so wie eben diese Folterszene.
Ich selbst habe mich mittlerweile mit der Szene arrangiert. Ich ärgere mich zwar ein wenig über die nicht allzu gelungene Inszenierung der Sequenz, aber ich befürworte den Mut, den Rockstar hier an den Tag gelegt hat, solch ein Thema aufzugreifen, umzusetzen und damit sicherlich mehr als einem Spieler eine Menge Unbehagen zu bereiten und vielleicht auch Gründe zu geben, mal über Themen wie Folter und Gewalt und nicht zuletzt das eigene Tun im Spiel nachzudenken. Es ist natürlich leicht, darüber zu schimpfen und zu zetern und alles zu verurteilen. Aber man darf nicht vergessen, dass das Videospiel immer noch ein junges Medium und bei Weitem noch nicht so weit ist wie beispielsweise Filme, in denen solche Sequenzen schon längst zur Normalität gehören und über die sich kaum noch einer aufregt.
Die Spielelandschaft ist seit Jahren so bemüht, nirgends anzuecken, dass Rockstars Unbequemlichkeit immer wieder erfrischend ist. Bloß keine überzogene Gewalt oder zumindest so, dass sie nur „Spaß“ macht, bloß kein Sex, moralische Entscheidungen nur auf simpler Ja-Nein- oder Gut-böse-Basis. Rockstar hat – sicher nicht ganz uneigennützig – mit GTA V und seinen Vorgängern gezeigt, dass man durchaus erfolgreich gegen den Strom schwimmen kann. Man darf GTA V nicht dafür verurteilen, dass es Folter beinhaltet. Wen man dafür und für die Exzesse, die Trevor, Michael und Franklin im Spiel durchleben, verurteilen muss, ist die Gesellschaft. Wenn das die Absicht von Rockstar war, dann kann ich mit dieser unangenehmen Sequenz leben. Vielleicht werden durch Diskussionen wie diese auch mal andere Entwickler mutig genug, die Oberflächlichkeit zu verlassen und ein paar Ecken und Kanten zu zeigen.
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