Test - Gran Turismo 5 : Von der Realität überholt
- PS3
Viele Japaner, wenige Europäer
Ohnehin lässt die Fahrzeugauswahl noch zu wünschen übrig. Zwar ist die nackte Zahl von 1031 Autos beeindruckend, wenn aber drei Audi TT aus verschiedenen Jahren und ein getunter Audi TT in diese lange Liste einfließen, ist sie auch nicht verwunderlich. Zudem orientiert sich die Auswahl sehr am japanischen Markt. Während von Honda und Toyota jeweils mehr als zehn Autos in der Garage stehen, sind es bei BMW und Mercedes gerade mal derer fünf. Und: Von den 1031 Fahrzeugen gehören nur 200 zur Premiumklasse. Diese handverlesene Anzahl kann in erster Linie mit einem fantastisch detaillierten, voll funktionsfähigen Cockpit punkten, das Schadensmodell ist hingegen eine echte Enttäuschung. Ob Frontal-Crash mit 250 km/h oder dreifacher Überschlag - ein paar Dellen oder eine herunterhängende Stoßstange sind das höchste der Gefühle. Einzig die drei Rallye-Autos haben ein detaillierteres Schadensmodell, bei dem auch schon mal eine Tür verloren geht oder die Motorhaube die Sicht verdeckt. Die Auswirkungen sind aber nur optischer Natur und beeinflussen das Fahrverhalten nicht im Geringsten.
Die Standardklasse, die mit den restlichen 800 Autos den Löwenanteil ausmacht, bleibt aber von allem unberührt - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Modelle, die größtenteils aus Gran Turismo 4 zu stammen scheinen und nur mit ein paar mehr Polygonen ausstaffiert wurden, zeigen praktisch keine Reaktion auf Unfälle. Außerdem fehlt ihnen die Cockpit-Ansicht komplett, sodass euch die Verfolgerperspektive, die Stoßstangensicht und der gewöhnungsbedürftige Blick vom Dach auf die Motorhaube und die Strecke übrig bleiben. Warum man in fünf Jahren Entwicklungszeit nicht wenigstens ein Standard-Cockpit für die übrigen Fahrzeuge aus dem Boden gestampft hat, ist unverständlich. Das wird einer Rennsimulation nicht gerecht. Dies gilt auch für die äußerst dünnen Motoren-Sounds und die unsägliche Kollisionsphysik aus den früheren Teilen, die fernab jeglicher Realität auf Einschläge in die Mauer und Kontrahenten reagiert.
Stillstand bei der Fahrphysik
Apropos Physik: Für Yamauchi liegt der Fokus bei Gran Turismo 5 vor allem anderen auf dem Fahrverhalten, schließlich trägt das Rennspiel ja auch die Bezeichnung "der wahre Rennsimulator". Zum Teil stimmt das sogar, denn jeder Bolide fährt sich anders, vom Kart über das Muscle-Car bis hin zum Supersportwagen muss man sich auf die jeweiligen Eigenheiten einstellen. Das gilt umso mehr, wenn man auf nasser, staubiger oder verschneiter Piste unterwegs ist. Aber das typische schwammige Fahrgefühl der Serie bleibt. Erst kommt das Heck nicht so recht um die Kurve, dann wird man aber plötzlich beinahe davon überholt. Im plattformübergreifenden Duell hat Forza Motorsport 3 die Nase vorn. Die Steuerung bringt eure Eingaben nicht nur glaubwürdiger auf die Straße, sondern erlaubt auch mehr Feintuning bei den Fahrhilfen.
Wie schon bei den Fahrzeugen erlebt man beim Streckenaufgebot ebenfalls ein Wiedersehen mit den Vorgängern. Nordschleife, Tsukuba Circuit, Chamonix, Autumn Ring, Deep Forest Raceway, Trial Mountain Circuit und etliche andere können ebenfalls wieder unter die Räder genommen. Wie schon bei den Autos hat man oft das Gefühl, Polyphony Digital hätte die Strecken einfach aus Gran Turismo 4 genommen und sie mit einem kleinem Facelift in die HD-Welt portiert. Das trifft auf die billige Landschaftstapete genauso zu wie auf die Pappbäume, die grobpixeligen und steifen Zuschauer sowie die Matschtexturen abseits der Leitplanken. Etwas anders sieht es bei den brandneuen Strecken aus, insbesondere in Rom und Madrid, die grafisch viel gelungener wirken. Wo Licht ist, ist bei Gran Turismo 5 aber gleich wieder viel Schatten. Das bezieht sich nicht auf die teils atemberaubenden Tag- und Nachtwechsel, sondern auf die unzeitgemäßen Wettereffekte. In der Cockpit-Perspektive klatschen - ob Regen oder Schnee - große Pixeltropfen auf die Frontscheibe, die Darstellung an der Seite wirkt nochmal um einiges billiger. Aus den anderen Kamerablickwinkeln machen sie ebenfalls keine gute Figur, weil sich auf der Strecke weder Pfützen bilden noch das Auto nass wird. An Genrekollegen wie F1 2010 kommt dieses Wettersystem in keiner Weise heran. Weiterer Haken: Die Witterungsbedingungen gibt es nur auf einer ausgewählten Anzahl von Strecken, sie können nicht individuell vor dem Start eingestellt werden.
Entspannter Job am Kommandostand
Wer A sagt, muss auch B sagen, dachte sich Polyphony Digital und brachte den B-Spec-Modus aus Gran Turismo 4 ebenfalls zurück. Als Teamleiter erstellt ihr einen von bis zu sechs Fahrern, setzt ihn in eines eurer Fahrzeuge und lasst ihn gegen die vom Computer kontrollierten Kontrahenten antreten. Einen direkten Einfluss auf das Renngeschehen habt ihr in diesem Managermodus nicht, per Funk könnt ihr dem Piloten jedoch Befehle wie "Schneller fahren", "Überholen" oder "Boxenstopp" geben. Aber Vorsicht: Sitzt ihr ihm ständig im Rücken und befehlt, endlich mal auf die Tube zu drücken, unterlaufen ihm früher oder später auch mal Fahrfehler. Wenn das passiert, ist das gleich doppelt ärgerlich. Euer Fahrer wartet nach einem Ausflug ins Kiesbett erst einmal geduldig, bis das gesamte Fahrerfeld vorbeigezogen ist. Das gibt ein Extralob beim Fahrsicherheitstraining, ist aber natürlich extrem frustrierend. Um als vollwertiges Management-Spiel durchzugehen, ist der Modus letztlich zu spartanisch und unmotivierend. Und: Von den Erfahrungspunkten habt ihr für den sonstigen Fortschritt im Spiel nichts, Polyphony Digital trennt A- und B-Spec-Modus fein säuberlich.
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