Test - Godfall : Der PS5-Launch-Titel, den irgendwie niemand auf dem Schirm hat
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Bock auf ein neues, unverbrauchtes Setting, eine einzigartige Story und innovatives Quest-Design? Dann ist Godfall leider nichts für euch. Das Hack‘n‘Slay kommt als Abziehbild des gesamten Fantasy-Genres daher. Warum es trotzdem seine Stärken hat, verraten wir euch im Test.
Die Welt steht kurz vor der Vernichtung! Schlüpft in die Haut von Orin, einem der letzten, mächtigen Krieger, um dessen Bruder Macros davon abzuhalten, ein zweifelhaftes Ritual durchzuziehen, das ihm gottgleiche Macht gewährt, doch gleichzeitig die Welt Aperion an den Rand des Ruins treiben wird. Stürzt euch in Schlachten, besiegt seine sieben Schergen, werdet mächtiger und stellt euch eurem größenwahnsinnigen Anverwandten!
Wie? Die Story-Einleitung hat euch jetzt nicht so in ihren Bann gezogen? Ihr findet das klingt belanglos, generisch und schon tausendmal dagewesen? Dann habt ihr absolut Recht! Godfall wirft den Spieler von der ersten Minute an in eine Kakophonie aus Fantasy- und Rollenspielklischees, die allesamt aus dem Bodensatz für Fließband-Storytelling zusammengekratzt sein könnten.
Worldbuilding ist überbewertet
Ohne Sinn und Verstand werdet ihr zusammen mit bis zu zwei Mitspielern im Online-Koop von der ersten Minute an mit bedeutungsschwangeren Begrifflichkeiten zugekleistert, die sich als absolut inhaltsleer entpuppen. Godfall gibt sich wenig Mühe, den Spieler in seinen Bann zu ziehen oder seine Welt zu erklären. Das Siebte Sanktum – ein körperloses Orakel – schickt euch durch die Welt und sagt euch, was ihr tun müsst. Warum? Keine Ahnung. Weil ihr eben zu den Guten gehört, wahrscheinlich. Aethirium muss aufgesammelt werden. Das ist irgendeine Energie, die für Macros Ritual nötig ist. Warum? Keine Ahnung.
Wieso ihr das ausgerechnet sammelt, indem ihr seine sieben Handlanger tötet? Keine Ahnung. Warum diese Dudes sich dem größenwahnsinnigen Bruder angeschlossen haben? KEINE AHNUNG! Es ist auch vollkommen egal. Godfall haut euch einen scheinbar epischen Fantasy-Begriff nach dem anderen um die Ohren, ohne dass ihr auch nur den geringsten Bezug zu Welt oder Charakteren aufbauen könnt. Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig, denn der Fokus im Spiel liegt eindeutig woanders.
Kämpfen kann er!
Nämlich auf dem Kampfsystem und das ist durchaus gelungen. In klassischer Hack‘n’Slay-Manier schnetzelt ihr euch durch Horden von Gegnern, und das geht nach kurzer Eingewöhnungszeit doch ziemlich fluffig von der Hand. Aus bis zu fünf Waffentypen wie schwerfälligen Kriegshämmern, flinken Doppelklingen oder wendigen Stabwaffen könnt ihr eure Favoriten auswählen oder einfach alle meistern.
Jeder Typ bringt seinen eigenen Kampfstil mit unterschiedlichen Spezialattacken und Kombos mit. Kombiniert mit perfekt getimtem Ausweichen, wie ihr es etwa aus Dark Souls kennt, und zeitfenstergenauem Blocken, das im besten Fall den Gegner sogar kurz betäubt, wie es schon Kratos in God of War konnte, lässt Godfall hier kaum Slasher-Wünsche offen. Ist euer Fertigkeitenset am Anfang noch begrenzt, so schaltet ihr mit jeder Levelstufe neue Fähigkeiten, Kombos und Angriffe in einem umfangreichen Skilltree frei, die euch zur unaufhaltbaren Kampfmaschine mutieren lassen.
Schwer und zu leicht gleichzeitig
Wo wir es gerade von Dark Souls hatten: Auch wenn das Kampfsystem hier und da an den Genrevorreiter erinnert, ist Godfall definitiv kein Souls-like. Das gigantische Boss-Design mag zwar durchaus daran erinnern und auch die Tatsache, dass die fiesen Monstergegner euch gelegentlich mal mit einer einzigen Schlagkombo die Lichter auslöschen. Doch automatische Speicherpunkte sind an allen Ecken und Enden gesetzt und ihr verliert auch nicht euren Fortschritt. Damit meinen wir nicht nur den Fortschritt an Loot und Erfahrungspunkten, den ihr im bisherigen Kampf gesammelt habt. Nein! In der Regel bleibt auch der Schaden, den ihr bereits am Gegner verursacht habt, nach dem Tod bestehen (bei Weltbossen ist der Lebensbalken dazu oft gedrittelt).
Das macht das ganze Rumgehacke manchmal schon fast zu einfach. Wenn ihr nach jedem Respawn mit vollem Leben und allen Medi-Packs wieder startet, der Gegner aber immer angeschlagen bleibt, könnt ihr euch einfach nur gut getimet durch die Arenaschlachten sterben, bis ihr Stück für Stück die Lebensleiste runtergearbeitet habt. Hier fehlt uns die Konsequenz, das Ganze entweder richtig schwierig zu gestalten oder alternativ gegnerische Super-Kombos wegzulassen.
Hübsch mit ganz viel Bling
Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, denn das Kampfsystem ist Godfalls Stärke. Es macht zwar wenig neu, bedient sich aber gelungen bei Genrekollegen und gibt ihm hier und da seinen eigenen Twist. Zusätzlich ploppt aus beinahe jedem Gegner Loot. Seien es Waffen, Accessoires oder Crafting-Materialien. Wer gerne grindet, kommt in Godfall voll auf seine Kosten! Es gibt Ringe, Amulette, Banner, und und und … mit denen ihr eure Gesundheits-, Energie- und Angriffswerte verbessern könnt. Die wiederum gibt es in fünf unterschiedlichen Wertigkeitsstufen. Allesamt können mit diversen Baumaterialien, die ihr in der Spielwelt findet, verbessert, aufgelevelt und verzaubert werden.
Zusätzlich schaltet ihr euch mit ebendiesen Rohstoffen zwölf Avatare frei, sogenannte Valorkürasse, in deren Haut ihr schlüpft, um ihre einzigartigen Werte und ultimativen Attacken zu erlangen. Etwas befremdlich: Orin wechselt mit diesen Rüstungen auch gleichzeitig Geschlecht und Stimme – Warum? Wie immer, keine Ahnung. Vielleicht wird es in einer der unzähligen, sammelbaren Kodex-Seiten erklärt, die aber mit all ihrem inhaltsleeren Blabla wenig Lust machen gelesen zu werden.
Das Design der Rüstungen ist, ebenso wie alles andere im Spiel, übertrieben, glänzend, groß und stilisiert. Klassischer JRPG-Look, absolut unpraktikables Rüstungsdesign und überzeichnet große Waffen sind an der Tagesordnung. Grafisch drückt es da alle Klischee-Knöpfe. Godfall ist wunderhübsch. Die Welten, die ihr bereist, folgen alle einem Thema. So ist etwa Erdwelt herbstlich braun, in der Wasserwelt ist alles bläulich mit exotischen, korallenartigen Pflanzen. Unzählige Details und Partikeleffekte lassen die bezaubernden Welten belebt wirken. Zusammen mit all den Kampf- und Waffeneffekten macht das Godfall zu einem ziemlich Hardware-hungrigen Spiel. (wir haben sowohl die PC- als auch PS5-Version getestet).
Trotz der gelungenen Grafik und der soliden, englischen Sprecher kommt auch die Optik insgesamt etwas seelenlos daher. Alles hat man irgendwie so oder so ähnlich schon mal gesehen. Die Welten sind zwar nicht komplett schlauchig, man fühlt sich in seiner Bewegung aber doch nicht frei. Die Nebenquests bestehen allesamt nur aus Suchen, Kämpfen, Looten. Hier hat man nicht mal versucht, ein Handlungsgerüst zu konstruieren – vielleicht besser so.
Wer mit hohem Grind-Faktor und einem echt spaßigen Kampfsystem zufrieden ist, kann mit Godfall durchaus auf seine Kosten kommen, besonders, wenn ihr das Spiel im Dreier-Team angeht und gemeinsam schlachtet. Wenn ihr euch jedoch auch nur den geringsten Hauch Worldbuilding oder Bezug zu den Charakteren wünscht, findet ihr bei Genreklassikern sicher eine bessere Partie fürs schnelle Schnetzeln.
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