Test - Ghost of Tsushima Director’s Cut : Die PS5-Version und der DLC „Die Insel Iki“
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Ghost of Tsushima markierte vor über einem Jahr als letztes großes PS4-Exklusivspiel in gewisser Weise das Ende einer Ära. Nun erscheint das Open-World-Abenteuer in einer überarbeiteten Version für Playstation 5 und bringt dazu den ersten großen DLC mit.
Lohnt sich Ghost of Tsushima für PS5? Nun, diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Für alle, die es noch nicht kennen und nicht vom Überangebot an Open-World-Epen übersättigt sind, womöglich noch dazu eine Leidenschaft für historische japanische Settings pflegen, lautet die Antwort klar: ja. Wer die PS4-Version schon sein eigen nennt, sollte vor dem Kauf erstmal in sich gehen und abwägen, ob ihm die wenigen Verbesserungen sein Geld wert sind.
Denn Ghost of Tsushima sah schließlich schon auf der PS4 atemberaubend gut aus. Kaum ein anderes Spiel setzt seine Grafikeffekte so geschickt und auf den Punkt ein, um Stimmungen zu erzeugen: Wenn der Sturm durch die bebenden Wipfel der Bäume rauscht, das Sonnenlicht auf den unzähligen Blättern einer Blumenwiese glänzt oder der Nebel über dem Waldboden schwebend vom Licht des Mondes glüht, ist das ganz großes Kino. Ghost of Tsushima ist ein Meistergaukler des optischen Blendwerks, wie am besten am verschwenderischen, hart an der Grenze zur Lächerlichkeit protzigen Einsatz an Partikeleffekten zu erkennen ist: Überall schweben Blüten und Pollen in der Luft, tanzen die Glühwürmchen und stieben die herbstlich bunten Blätter.
Ghost of Tsushima mag damit höchstwahrscheinlich zu den zehn schönsten Spielen der letzten Generation gehören, kaschiert aber vor allem unnachahmlich geschickt seine im Kern simple Beschaffenheit. Sobald solcherlei Effekte nämlich mal für einen Moment fehlen, keine Beleuchtung auf der Oberfläche glitzert, keine bunten Blüten um Aufmerksamkeit heischen und sich die nackten Texturen im Schatten ihre Blöße geben, wirken die Objekte unnatürlich matt, bleibt die Szenerie leblos und unnatürlich. Dreht mal euren Kopf in Richtung der Sonne (traumhaft schön!) und dann in die abgewandte, schattige Seite (uff …), und ihr erkennt sofort den Unterschied.
Angesichts der ständigen Reizüberflutung von atemberaubenden Anblicken des Windes, der seine verspielten Muster ins hohe Gras zeichnet, und den Bäumen, die ihre Äste schütteln wie Cheerleader ihre Pompoms, wird einem kaum bewusst, dass die riesige Spielwelt aus einer einzigen Copy&Paste-Armee der gleichen Gräser, Blumen und Bäume besteht – was als Nebeneffekt schon auf der PS4 zu sagenhaft kurzen Ladezeiten führte. Auf der SSD der PS5 fallen diese nun nahezu vollständig weg, was für ein Open-World-Spiel zweifellos bemerkenswert ist, aber im Gegensatz etwa zu Assassin’s Creed nur eine kleine Zeitersparnis einbringt.
Flüchtigen Blickes lässt sich zwischen PS4- und PS5-Version kaum ein nennenswerter Unterschied feststellen – bis auf die flüssigen 60 FPS, die die Erfahrung zweifellos aufwerten und das Spielerlebnis deutlich angenehmer und sanfter gestalten. Vor allem das elegante Schleichen fühlt sich durch die flockige Bildrate wie ein einziger Fluss an. Allerdings kommt auch die unoptimierte PS4-Version auf ähnliche Ergebnisse, wenn sie auf der PS5 läuft, was das Update fast schon zur Mogelpackung degradiert. Ob einem solch Schnickschnack wie haptische DualSense-Funktionen beim Reiten und Bogenschießen, eine verbesserte Lippensynchronität bei der japanischen Sprachausgabe und 3D-Audio die 10 Euro fürs Update wert sind, muss jeder selbst wissen.
Der neue DLC: Die Insel Iki
Deutlich interessanter ist daher der erste große DLC, der im Director’s Cut direkt enthalten ist, für 20 Euro aber auch für PS4-Spieler nachgekauft werden kann. Dieser bietet einen kompletten neuen Akt, den ihr nach Absolvieren des ersten Gebietes, also nach etwa einem Drittel der Kampagne, betreten könnt. Jin reist darin auf die namensgebende „Insel Iki“, die flächenmäßig in etwa einer Region des Hauptspiels entspricht und eine entsprechende Menge an neuem Content bereithält.
Auffallend ähnlich zum ersten „Assassin’s Creed: Valhalla“-DLC mit seiner Druiden-Folklore erhält auch die erste Tsushima-Erweiterung einen starken Einschlag ins Mystische: Die Mongolen-Invasoren, die auf Iki einfallen und von euch vertrieben werden müssen, werden angeführt von einer Schamanin, die Jin mit ihrer Hexerei zu Visionen verhilft und ihn so mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Denn Jin verbindet ein ganz persönliches Band mit der Insel Iki. Als Kind begleitete er seinen Vater hier in die Schlacht, reifte zu dem Mann, der er werden sollte, doch beging er gleichzeitig einen fatalen Fehler, der bis heute tiefe Narben auf seiner Seele hinterlassen hat. Um ihn zu korrigieren, muss er sich auf ein unheiliges Zweckbündnis mit einer Piratenbande einlassen. Schon das Hauptspiel erzählte vor dem Hintergrund historischen Schlachtengetöses in erster Linie eine psychologische Geschichte über einen Mann, der zwischen ehrenhafter Prinzipientreue und moralisch flexiblem, zweckgebundenen Pragmatismus nach seinem individuellen Weg und moralischem Kompass suchte.
Auch der DLC versteht sich darauf, seine Geschichte zwischen die Zeilen zu schreiben und dabei persönliche Fragen der Moral, der Reue und dem Streben nach Erlösung zu stellen. Was dem Ansinnen nach durchaus löblich sein mag und als subtil menschliche Zwischentöne wahrgenommen werden soll, fällt wie so häufig, wenn in solcherlei Geschichten Vater-Sohn-Beziehungen thematisiert werden, etwas flach aus, die damit behauptete Tiefe gleicht bei näherer Betrachtung eher der Reflexion auf einer Pfütze, deren schöner Schein unter der Oberfläche schnell den Grund erkennen lässt.
Spielerisch halten die Missionen der Kampagne nochmal eindrücklich die ganze spielerische Vielfalt und inszenatorische Klasse des Spiels vor Augen: Schleichaufträge in feindliche Befestigungen wechseln sich ab mit besinnlichen Momenten an majestätischen Klippen und Ausritte durch malerische Landschaften und münden zunehmend in einen sich immer weiter aufschaukelnden Rausch pompöser Schlachten. Im direkten Vergleich mit dem erst kürzlich erschienenen Assassin’s-Creed-DLC Die Belagerung von Paris demonstriert Tsushima augenfällig, warum es dem großen Vorbild in einigen (nicht allen) Kategorien um einen Hauch überlegen ist: beim raffinierteren Kampfsystem vor allem, aber auch im spielerischen Feinschliff, der visuellen Opulenz oder der inhaltlichen Ausgewogenheit von meditativen und martialischen Momenten.
In ihrer Open-World-Maßlosigkeit liefern sich die beiden hingegen ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Knapp 15 Stunden werden für den DLC benötigt, wer sich mit allem Haupt- und Nebenkram beschäftigt: darunter die typischen Trödeleien wie Haikus, heiße Quellen und Bambusstände, aber auch ein spektakulärer Bosskampf in einer funkelnden Tropfsteinhöhle. An die Stelle der austauschbaren Fuchsbauten rücken die neuen Tier-Heiligtümer, in denen ihr euch per Flötenspiel in einem neckischen Geschicklichkeitstest per Bewegungssteuerung mit süßen Katzen, Affen und Rehen anfreundet, die an Niedlichkeit kaum zu übertreffen sind und vor denen es in den nächsten Tagen in Memes und Viralvideos wohl kein Entkommen geben wird.
Wer sich nur mit der Story beschäftigt, ist nach gerade mal drei Stunden schon durch, die Story-Nebenmissionen fügen dem noch einmal zwei weitere hinzu – was für den Preis von 20 Euro erschreckend wenig ist. So stark und abwechslungsreich die Geschichte zweifellos inszeniert ist, trägt ihre Kürze nachhaltig zum oberflächlichen Gesamteindruck bei. Schnörkellos eilt sie geradlinig dem Ende entgegen, anstatt erzählerische Finten zu schlagen und eine Entwicklung zu durchwandern, klappert sie lediglich die Streckenposten ihres Konfliktes bis zur Lösung ab und wirkt derartig eher wie eine typische Nebenquest denn episches Drama.
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