Test - F1 2019 : Die Königsklasse des Rennsports
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Da ist es wieder, das jährliche Update. Egal ob FIFA oder Formel 1, der Vorwurf, nur marginale Änderungen zum Vollpreis an den Mann bringen zu wollen, liegt mit jeder weiteren Iteration in der Luft. Der Schlaf der Entwickler bei Codemasters dürfte aber selig sein, denn an ihnen perlen solche Vorwürfe ab. Zu Recht, wie die 2019er-Auskopplung ihrer Formel-1-Versoftung beweist. Es sind auch dieses Mal keine Meilensteine, die das Werk vom Vorgänger trennen, aber durchaus sinnvolle Neuerungen, inklusive einer neuen Rennklasse.
Unterscheidet sich die Formel 2 wirklich so stark von der Königsklasse, dass man von einem völlig neuen Spielmodus sprechen muss? Nö! Es geht nach wie vor um Open-Wheel-Fahrzeuge. Sie sind nicht ganz so schnittig und haben nicht ganz so viel Kraft unter der Haube, aber sonst unterscheidet sich die Formel 2 eher durch das Reglement und den Streckenplan von der gefeierten Formel 1. Ein Beispiel gefällig? In der F2 gibt es Rennen, bei denen der Fahrer mit der besten Zeit von ganz hinten im Feld starten muss.
Nachwuchsliga? Letztes Talentsieb vor dem ganz großen Ruhm? Alternativschlachtfeld für Motorfabrikanten? Egal, aus welchem Blickwinkel man die Formel 2 betrachtet, sie ist nicht minder spannend oder gar ungefährlicher als ihr großer Bruder. Umso schöner, dass sie jetzt ein Bestandteil in Codemasters Simulation ist. Wenn auch nicht ganz so, wie es sich die meisten vorgestellt haben. Enthalten ist nämlich nur die Saison 2018. Die aktuelle soll später nachgereicht werden.
Persönlicher Konkurrenzkampf
Das ist zwar schade, aber keine unbegründete Designentscheidung, schließlich soll die Formel 2 im Rahmen der Storykampagne den Weg eures fiktiven neuen Piloten in die Königsklasse ebnen. Das geht immer nur saisonweise und so muss die 2018er-Liga enthalten sein, wenn der Übergang in die Formel 1 dieses Jahr stattfinden soll. Zu schade, dass Codemasters in diesem Rahmen nicht das volle Spektrum anbietet, sondern nur die letzten drei Rennen vor dem Aufstieg.
Nicht falsch verstehen: Wer die Formel 2 mit all ihren Strecken und besonderen Rennregelungen genießen möchte, kann das durchaus, nur eben nicht in der Karriere. Die erwähnten letzten drei Rennen dienen eher als Stimmungsmacher. Sie porträtieren einen Konkurrenzkampf zwischen drei Fahrern aus zwei konkurrierenden Rennställen, die unterschiedliche Philosophien beim Thema Teamgeist pflegen. Und da der Konflikt nicht nur auf der Strecke stattfindet, sondern auch in den Zwischensequenzen in Form eines verbalen Schlagabtauschs, hat die Geschichte den Beigeschmack einer Seifenoper. Ein wenig übertrieben, ein wenig klischeebehaftet, aber durchaus unterhaltsam, da der Zwist über die ganze Saison der Formel 1 in Form von Pressemeldungen weitergeführt wird.
Handfeste Narrative gibt es bei simulationslastigen Rennspielen eher selten. Zu behaupten, Codemasters hätte die ultimative Rennsportstory mit fabelhaften virtuellen Schauspielern implementiert, wäre eine maßlose Übertreibung. Trotzdem liefert die Handlung etwas, was den früheren Formel-1-Spielen fehlte, nämlich einen roten Faden, der das Abklappern der Rennwochenenden ein wenig auflockert. Operation gelungen!
Solltet ihr vom Rest des Spiels weltbewegende Neuerungen im Vergleich mit dem Vorjahr erwarten, so werdet ihr definitiv enttäuscht. Formel 1 2019 verfügt noch immer über ein fabelhaftes, butterweiches Fahrgefühl und die vielen kleinen Features, die in den letzten Jahren etabliert wurden. Etwa das Aufwerten des eigenen Wagens durch das Erfüllen von Aufgaben in Trainingsrunden oder ein Stimmungsbarometer, das ihr durch Interviews mit der Presse beeinflussen könnt.
Erfreulicherweise gibt es jedoch keinen Zwang mehr, sämtliche Trainingseinheiten manuell abzuschließen. Man darf Forschungsergebnisse auch von der CPU einfahren lassen, wenn man sich nur auf den Kern des Rennwochenendes konzentrieren möchte. Eine praktische Änderung, die viel Zeit spart, aber letztendlich nur ein kleines Detail am Rande - genauso wie die wachsende Konkurrenz mit dem Teamkameraden, die auf Spezialevents ausgeweitet wurde. Heimst euer Kamerad beispielsweise Ruhm und Ehre auf einer Retroveranstaltung oder einem Schaurennen ein, könnt ihr ihm die Butter vom Brot nehmen, indem ihr selbst daran teilnehmt.
Kleine, feine Verbesserungen
Ansonsten bleibt es bei optischen Spielereien, die durchaus willkommen sind. Siehe etwa der Showroom. Hier dürft ihr alle Flitzer des Spiels ausführlich begaffen, ähnlich wie bei Turn 10s Forza Vista. Das Ganze ist nicht so spektakulär wie bei Forza Motorsport, aber ein schönes kleines Extra, zumal man mit handfesten Daten über die Fahrzeuge überschüttet wird. Ein Fest für Zahlenfanatiker.
Der normale Spielablauf ist dagegen so geblieben, wie man ihn kennt. Training, Qualifikation, Rennen und von vorne - selbstverständlich unter Berücksichtigung aller offiziellen Regeländerungen für die Saison. Was allerdings keine Beachtung findet, sind kleinere Anpassungen im Streckenlayout. Im realen Rennen wurde der Eintritt in die Boxengasse auf der Circuit Paul Ricard leicht verändert – bei Codemasters sieht man noch die alte Fassung. Viel vorwerfen kann man den Grafikern aber nicht, denn die Änderung war kurzfristig.
Was das neue Reglement der Formel 1 angeht, die auch bei der Aerodynamik anschlägt, so scheint es in Codemasters' gelungenem Mix aus Arcade-Spielmechanik und Simulation wenig spürbare Auswirkung zu geben. Einzig die Neigung zum Übersteuern merkt man den Flitzern nun schon etwas früher an als sonst, was besonders dann zur Geltung kommt, wenn man bei niedriger oder mittlerer Geschwindigkeit zu heftig aufs Gas tritt. Die Folge: Schleudergang - bei Regen natürlich noch schneller als auf dem Trockenen. Joypad-Piloten merken davon deutlich weniger als Lenkradveteranen.
Letztere dürften noch immer ein wenig am eher mittelmäßigen Force-Feedback auszusetzen haben, das einerseits etwas ruckartig wirkt, andererseits wenige Feinheiten der Strecke transportiert – etwa Unebenheiten oder leichte Seitengefälle. Ein wenig Fummelei im Menü hilft zumindest, das Gesamtgefühl zu verbessern. Anspruchsvolle Piloten sollten sich zumindest die Dämpfungseinstellung des Force-Feedbacks vornehmen.
Warum die Entwickler dieses Mal auf offizielle Onlinemeisterschaften im Muliplayer-Modus verzichten, ist nicht nachvollziehbar, aber auch halb so schlimm, weil man nun eigenhändig Turniere und Ligen für Freunde und Onlinebekannte anlegen darf. Wer hier herausstechen möchte, bedient sich am Lackeditor oder kauft Skins vom Marktplatz gegen Echtgeld ein. Zum Glück ist das ein rein optisches Feature und keine Pay-to-win-Anlage.
Außerdem ziert nun ein E-Sports-Menüpunkt die Reiter des Hauptmenüs. Das wäre eine schöne Neuerung, wenn sie volle Implementierung erfahren hätte. Leider öffnen sich bei Verwendung lediglich die systeminternen Browser.
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