Special - DayZ-Tagebuch: Kapitel 2 : Menschliche Abgründe
- PC
Bin ich ein schlechter Mensch? War mein Leben vielleicht nicht in Gefahr? Kann jemand meine Handlungen entschuldigen? Gibt es überhaupt noch jemanden, der das Recht hat, die Linie zwischen Gut und Böse zu ziehen? Diese Gedanken quälen mich schon seit Tagen. Wenn die Welt, wie wir sie kennen, vor die Hunde gegangen ist und nur noch das nackte Überleben zählt, ist es sehr schwer, einem anderen Menschen zu vertrauen. Ich habe mit angesehen, was Überlebende mit Hilfsbedürftigen machen. Wie sie ihre Macht ausnutzen, um das armselige Leben des anderen in einem Alptraum zu verwandeln, bevor sie ihn zum Sterben einfach am Straßenrand liegen lassen. All das nur, um sich stark zu fühlen. Wie kann ich da noch mit offenen Armen auf einen anderen Menschen zugehen? Trotzdem nagt es an mir. Mein Leben ist zwar kostbar, doch gibt es mir das Recht, bei drohender Gefahr ein anderes auszulöschen?
Hinweis: Gespielt wird immer auf einem vollen Server und nicht im Hardcore-Modus. Ich wechsle auch meinen Spielstil nach Lust und Laune. Das bedeutet, manchmal gehe ich auf andere Spieler zu, manchmal schieße ich lieber sofort oder spiele den Helden, indem ich zum Beispiel neuen Überlebenden Essen überreiche.
Olga, die einheimische Jägerin, Tag 1:
Da ist man nur für ein paar Tage in den Wäldern unterwegs und schon geht alles den Bach runter. Ich habe zwar kein Begrüßungskomitee erwartet, aber zumindest irgendjemanden. Jemanden, der nicht so aussieht, als wäre er gerade aus einem Grab gestiegen, um genau zu sein. Svetloyarsk ist voll von diesen Monstern, deren Gesichter ich zwar erkenne, aber sie haben nichts mehr von den Menschen, die sie einmal waren. Was ist bloß geschehen? Ich kann es nur vermuten. Diese hohe militärische Aktivität in den letzten Monaten hatte nichts Gutes zu bedeuten, ich habe es gespürt. Wie sich mir die Nackenhaare aufstellen, wenn ein Unwetter droht. Viele sagten, ich würde paranoid, als wir über dieses Thema redeten. Ich solle etwas mehr unter Menschen gehen, anstatt mich tagelang alleine im Wald aufzuhalten. Nur Wladimir hörte mir zu.
Er nannte es nicht Paranoia, sondern einen sechsten Sinn. Einen Sinn für drohende Gefahr. Wir beide hätten ihn, war seine Meinung. Nur einen ausgeprägten Sinn für meine Annäherungsversuche hatte er leider nie. Ich hoffe, es geht ihm gut. Noch habe ich kein zerfallenes Gesicht entdecken können, das seinem ähnelt. Vermutlich hat er sich bereits aus dem Staub gemacht. Mit Sicherheit wird er Artjom suchen. Er jagt stets im Süden, die westlichen Wälder sind mein Gebiet. Ich sollte allerdings schnell von hier verschwinden. Ein kurzer Stopp in meiner Wohnung ist aber ein Muss. Dort liegen meine SKS und noch etwas Proviant. Ich habe das beunruhigende Gefühl, dass ich beides dringend brauchen werde.
Doch wie sieht mein Plan aus? Das Beste, was mir einfällt, wäre ein Abstecher nach Novodmitrovsk. Es ist nicht nur eine große Stadt, in der bestimmt viele nützliche Sachen zu finden sind, sondern dort könnte ich auch nach Hilfe suchen. Mein Bruder Jegor ist dort Polizist. Ich kann nur hoffen, dass die Lage dort besser ist und er alles unter Kontrolle hat. Also ab in Richtung Nordwesten. Kurz nachdem ich Svetloyarsk verlassen habe, bleibe ich beim städtischen Friedhof stehen. Schockiert muss ich feststellen, das alle Gräber leer sind. Es sieht nicht so aus, als hätte sie jemand ausgehoben, sondern eher, als hätte sich jemand aus der Erde gegraben.
Nichts wie weg von hier. Die Reise nach Novodmitrovsk ist zwar nicht lang, aber ich will keine weitere Sekunde an diesem Ort verbringen. Auf dem Weg in die Stadt passiert nichts Besonderes. Alles scheint ruhig. Keine Menschenseele läuft mir über den Weg. Es fängt an zu regnen. Der Wind wird stärker und lässt das Vogelgezwitscher der Wälder verstummen. Als ich endlich in Novodmitrovsk angekommen bin, wird mir klar, wie groß diese Stadt eigentlich ist. Ich war schon lange nicht mehr hier, erinnere mich aber noch an ein paar wichtige Gebäude. Jegor war im Rathaus der Stadt angestellt. Hatte sogar einen eigenen Raum oben im Turm. Das ist meine erste Anlaufstation.
Mit Gänsehaut streife ich durch die leeren Straßen. Es gab einige Unfälle, die nun komplette Passagen blockieren. Ab und zu gehe ich in eines der Häuser, um nach Überlebenden oder Proviant zu suchen, finde aber nichts. Dann erstreckt sich vor mir der Marktplatz der Stadt, den ich überqueren muss, um in das Rathaus zu gelangen. Mir graut es bei dem Gedanken daran. Doch es scheint niemand hier zu sein, da ich es in die sichere Deckung des Hauses schaffe. Unzählige Treppenstufen später komme ich oben im Turm an. Jegors Schlafraum ist wie leergefegt, allerdings finde ich ein gut sichtbar platziertes Walkie-Talkie.
Ich stecke die dazugehörige Batterie rein und verstelle den Sender erst mal nicht. Nach nur wenigen Sekunden meldet sich eine bekannte Stimme. Es ist Jegor, der eine aufgezeichnete Nachricht wiederholt. Es gebe Überlebende an der südlichen Küste. Das Balota-Flugfeld sei abgeriegelt worden. Waffen und Munition im Überfluss. Wer Hilfe benötige, solle sich dorthin auf den Weg machen. Endlich, die ersten guten Neuigkeiten. Doch wie kam Jegor überhaupt dorthin? Wurde er versetzt? Wenn ja, wieso hat er mir nichts davon erzählt? Fürs Erste ist es mir aber egal, denn mein Ziel ist nun klar. Gleich morgen früh, wenn ich die Nacht, die ich im Turm verbringen werde, überstanden habe, begebe ich mich auf die lange Reise zum Balota-Militärflugfeld.
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