Test - Contra: Operation Galuga : Test: Es fetzt, es bockt – aber es ist leider nicht perfekt
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Einen Klassiker neu aufzulegen, hat seine Tücken. Fans wollen das Altbekannte, zugleich aber nicht durch mangelnde Überraschungen gelangweilt werden. Ein schwieriger Balanceakt, der Contra: Operation Galuga nicht hundertprozentig gelingt. Für Fans gepflegter Run-and-Gun-Action ist das Endergebnis allemal gut genug, aber es reicht eben nicht für einen neuen Evergreen.
Re-Imagining nennt man es auf Englisch, wenn ein Klassiker auf so vielen Ebenen neu erdacht wird, dass er auf den ersten Blick nicht wiederzuerkennen ist, zugleich aber so viele nostalgische Gefühle weckt, dass Kenner nach wenigen Spielminuten doch auf den Trichter kommen.
Contra: Operation Galuga soll ein Prachtexemplar dieser Gattung sein. Eine Neuinterpretation des allerersten Contra, das einst in der Spielhalle und auf Nintendos 8-Bit-Entertainment-System für Furore sorgte - nur eben in 3D-Grafik, mit mehr Chi Chi an den Rändern, einem ausführlichen Story-Einwurf und natürlich gehörigem Fanservice.
Gelingt dieses Vorhaben? Joah, so ziemlich. Ehrlich gesagt wäre es herbe enttäuschend gewesen, wenn WayForward in Konamis Auftrag Käse abgeliefert hätte. Dieses Studio war schließlich schon für das exzellente Contra 4 auf dem Nintendo DS zuständig, sollte also genug Erfahrung und Talent für diese Aufgabe haben.
Das merkt man auch sofort, wenn man zu spielen beginnt. Die ballernden Helden steuern sich präzise, es rummst ordentlich, Bosse haben diesen genialen Mix aus Bedrohlichkeit und lächerlichem Giganto-Design, und überhaupt kommt die angesetzte Gameplay-Mischung, die man als „Best-of-Contra“ werten könnte, richtig gut an.
Inhaltlich Teil 1, spielerisch Teil 3
Wie bei Contra nicht anders zu erwarten, läuft man die meiste Zeit auf einer zweidimensionalen Spielebene von links nach rechts und ballert alles ab, was sich bewegt. Weil die anfangs verfügbare Wasserpistole gut gepanzerten Soldaten und Kriegsmaschinen wenig Schaden zufügt, ist es ratsam, vorbeifliegende Upgrade-Kapseln einzusammeln, die besseres Arsenal spendieren. Etwa Cluster-Projektile, Streuschuss, Suchraketen, Flammenwerfer oder eine Laserkanone. Alles wie gehabt mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen bei Reichweite, Schussfrequenz und Durchschlagskraft.
Um dem System mehr strategische Note verpassen zu können, liehen sich die Entwickler allerdings einige Features aus Contra 3 (alias Super Probotector) vom Super Nintendo. Etwa die Möglichkeit, die beiden muskelbepackten Hauptfiguren Bill und Lance klettern und hangeln zu lassen, was den Bewegungsradius enorm erweitert. Auch die Waffenregelung wurde von Contra 3 übernommen, dabei aber noch um ein paar Nuancen erweitert. Man darf also zwei Waffen gleichzeitig tragen, beliebig zwischen beiden wechseln und verliert beim Sterben immer die Waffe, die man gerade verwendete.
Neu ist dabei eine Upgrade-Variante sowie ein Overload-Feature. Sammelt man nämlich eine zweite Waffenkapsel desselben Typs ein, wird die jeweilige Waffe stärker und erhält mehr Reichweite, was dazu verleitet, seltener den Wummen-Typ zu wechseln. Schon eine geile Sache, wenn der Laser plötzlich an Wänden abprallt und dadurch mehr Fläche abdeckt oder wenn man sorglos durch die Gegend laufen kann, weil doppelt so viele Homing-Raketen selbständig Gegner suchen.
Vor allem dahingehend, dass Gegner und ihre Projektile aus jeder Richtung kommen können. Vorbei die Zeit der Acht-Wege-Regelung, Freund und Feind schießen beliebig aus 360 Grad der Umgebung. Wie gut, dass man selbst mithilfe des rechten Analogsticks feinjustieren kann, in welche Richtung man ballert.
Der Overload ersetzt dagegen die Smartbomben von früher. Stattdessen opfert man die aktuelle Waffe für zehn Sekunden extremes Dauerfeuer. Braucht man selten, kann aber ein Lebensretter sein. Gerade bei fiesen Bossen, die gegen Schluss ihrer Lebenskraft nochmal aufdrehen.
Klingt doch Bombe, oder? Ja, und ob! Es fetzt, es knallt und ist stellenweise in genau der Art bockschwer, wie man es sich von einem gut gemachten Run and Gun wünscht: hart aber fair. Wenn ihr bei einem Boss schwitzend Zuckungen bekommt, weil ihr jedes gegnerische Projektil im Voraus erahnt, dann hat euch Contra: Operation Galuga mit Haut und Haaren gefressen.
Fans des Originals staunen über schöne Abwandlungen bekannter Kulissen wie etwa dem Dschungel oder dem Wasserfall, der Schneelandschaft oder dem Aliennest, freuen sich aber zugleich über neue Levelstrukturen, kleine Überraschungen und so manches Easter Egg, das in den insgesamt acht Spielstufen versteckt wurde. Hammer!
An den falschen Enden verbessert
Wenn dem so ist, warum klingt dann die Einleitung dieses Tests nur mäßig begeistert? Antwort: weil eben nicht jede Kleinigkeit in dieser Neuinterpretation gelungen ist. Neben der Tatsache, dass man nun bis zu drei Treffer je Leben einstecken kann, was den Entwicklern den Freischein gibt, auch mal eine schlecht ausgearbeitete Stelle durchzudrücken, ist es allem voran das Leveldesign, das zwischen genial und schlampig schwankt. Zumal es leider an den falschen Stellen ansetzt, um Schwächen des Originals auszumerzen.
Es ist beispielsweise verständlich, dass jene Level der Schere zum Opfer fallen, die schon auf dem NES wenig Begeisterung entfachten. Gemeint sind Level 2 und 4, bei denen man die Helden in Verfolgerperspektive betrachtete und statisch in den Raum hinein ballern ließ. Diese wurden nun durch Hoverbike-Level ersetzt, die ebenfalls an Contra 3 angelehnt sind. Das Problem ist nur, dass die schwebenden Motorräder in der Neuinterpretation kaum Spaß bereiten und einen präzise steuerbaren Spielablauf sabotieren. Die Action ist zwar auch hier dicht verwoben, aber es kristallisiert sich keine Berechtigung für das Fahrzeug heraus.
In Contra 3 war das Hoverbike-Level eine spielerische Abwechslung, ein High-Speed-Abschnitt, dessen Glaubwürdigkeit rapide abnahm, während die hitzige Action ins Unermessliche stieg. Vom Bike schwang man sich auf einen Helikopter und ließ sich zum Schluss auf einer großen Rakete zum Boss befördern. Da wurde selbst Baron Münchhausen blass im Gesicht.
In Operation Galuga scrollt dagegen nur der Hintergrund schneller vorbei als sonst. Derweil plätschert der Spielablauf eher dahin. Ansonsten bewirken die Bikes nur, dass man sich unabhängig vom Boden schneller nach links und rechts auf der Spielfläche bewegen kann – oder eher muss, weil Projektile aus gemeineren Schusswinkeln angeflogen kommen.
Das mag nach einem kleinen Designschnitzer klingen, wiegt aber schwer, wenn es ausgerechnet diese Level sind, die Contra: Operation Galuga eine ausgeglichene Spielbalance nehmen. In den normalen Leveln sitzt der Schwierigkeitsgrad genau am rechten Fleck – trotz der ungewohnten Drei-Treffer-Regelung. Bei den Hoverbikes verwandelt sich der Spielaufbau hingegen in ein Glücksspiel, weil Feinde stets genau dorthin ballern, wo man gerade herumdüst, zugleich aber flexibel auf diversen Pfaden entlang gleiten, schweben oder fahren.
Zweischneidige Entscheidungen
Ambivalenz ist ein Begriff, den man bei der Beschreibung von Contra: Operation Galuga leider nicht loswird. Alles scheint eine positive und eine negative Seite zu haben. Siehe etwa die Grafik. Sie fängt den Stil des Originals gut ein und erinnert dank starker Kontraste oft an die NES-Vorlage. Andererseits wirkt sie für ein modernes Contra ein wenig zu farbenfroh und zu naiv, zumal die 3D-Grafik dem Spielprinzip nicht zuträgt.
Vor einigen Jahren testeten wir das ähnlich geartete Blazing Chrome (Test), dessen düstere Farbpalette mit fein ausgearbeiteten Pixelart-Hintergründen mehr Contra-Magie versprühte, als es Operation Galugas eher detailarme 3D-Grafik je könnte. Warum nicht diesem Beispiel folgen, wenn der Spielablauf streng zweidimensional bleibt? Dass die Switch-Version trotzdem nur auf 30 FPS läuft und selbst die PS5-Fassung gelegentlich von ihren 60 FPS abweicht, streut nur Salz in die Wunde.
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Oder wie wäre es mit der Story, die zwar das Universum ausfleischt, aber dennoch stört, weil sinnlose Gespräche mitten in den bleigeschwängerten Spielablauf gepflanzt wurden und den Fluss sinnlos unterbrechen. Klar, der rote Faden hilft, die neuen Nebenfiguren vorzustellen, die auch spielerischen Mehrwert mitbringen. So darf man nun ab Level 4 eine dritte Heldin steuern, die ein flinkeres Bewegungsmuster hat, dafür aber nur zwei Hitpoints mitbringt.
Oder man schaltet Probotector frei, den Roboter-Helden der früheren PAL-Region-Adaptionen von Contra. Schöner Fanservice, aber nichts, was dem Spiel auf lange Sicht einen höheren Wiederspielwert verleiht. Im Gegenteil: gut gemeinte, aber bei genauer Betrachtung verwässernde Bonus-Perks wie etwa ausgewählte Waffen bei Spielstart oder temporäre Unverwundbarkeit nehmen dem Spiel das, was Contra früher ausmachte, nämlich seine Gnadenlosigkeit.
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