Test - The C64 Mini : Der Kult-Computer ist zurück
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Die innovationsfreudigen Tüftler bei Nintendo machten es vor, andere eifern dem Trend nach. Im Fahrwasser des NES Mini erscheinen immer mehr Miniaturversionen früherer Konsolen und Computer. Da darf eine Variante des meistverkauften Heimcomputers nicht fehlen. Ob der kleine Kasten mit dem klobigen Namen “The C64 Mini“ einen ähnlichen Hype entfachen kann, ist allerdings fraglich.
Nomen est omen. Keine einzige Erwähnung des Firmennamens Commodore ziert den C64 Mini; nicht auf der Verpackung und schon gar nicht auf dem Gehäuse, das abseits seiner geschrumpften Maße dem Original alle Ehre macht. Auf der Blende steht stattdessen „The C64 Mini“. The? Wozu der unnötige Artikel, der weder im Sprachgebrauch noch in der offiziellen Bezeichnung der Maschine jemals gebraucht wurde? Ganz klar: Retro Games Ltd, der Hersteller dieses Geräts, hat keine Rechte am Originalmarkennamen. Der klobig wirkende und sprachlich funktionslose Artikel sichert eine Unterscheidung von der noch immer geschützten Marke Commodore 64.
Das stellt sich natürlich die Frage, ob das Produkt interessanter wäre, wenn die tatsächlichen Inhaber der Marke hinter dieser vermeintlichen Neuauflage stünden. Die Antwort: Nö, das wäre auch nicht viel besser, denn mehr als den Namen haben auch die nicht zu bieten. Unterm Strich kommt es also nur darauf an, was dem Kunden geboten wird.
Nüchtern betrachtet geht es um nicht viel mehr als eine Emulationsmaschine in hübscher Verpackung. The C64 Mini trifft in Farbe und Form exakt das Original aus dem Jahr 1983, das hierzulande aufgrund seiner Form unter dem Kosenamen „Brotkasten“ bekannt war. Natürlich in jeder Dimension um die Hälfte geschrumpft, sonst wäre das Anhängsel „Mini“ gelogen. Das Gerät macht sich somit ganz hervorragend als schnuckeliges Ausstellungsstück im Nerdregal. Nur wäre es allein dafür mit seinem Anschaffungspreis von 89 Euro etwas teuer. Wer so viel Geld auf den Tisch legt, will in der Regel auch damit spielen.
Mehr Konsole als Computer
Allerdings geht durch die geschrumpften Maße einiges am Funktionsumfang flöten. Die Tastatur, die das Gerät ziert, ist nur Schmuck. Anschlüsse für alte Floppy-Laufwerke oder Datasettenrekorder gibt es auch nicht. Schacht für ein Expansion-Modul oder anderen Retrofirlefanz, den man eventuell noch im Schrank liegen hat? Fehlanzeige! Lediglich zwei USB-Ports für Peripherie befinden sich auf der rechten Seite, dort, wo beim Original einst die Joystickports zu finden waren. Auf der Rückseite garantiert ein Mini-USB-Anschluss die Stromversorgung und eine HDMI-Buchse den Anschluss an moderne Fernseher.
Ein Kabel für den Fernseher wird mitgeliefert, ein Netzteil nicht. Welch ein seltsames Déjà-vu – siehe NES Mini. Der eine oder andere Käufer mag sich da am Kopf kratzen, denn der eine Euro für das Beilegen eines passenden Steckers hätte den Kohl nicht fett gemacht. Wahrscheinlich geht es hier weniger um eine Preisfrage als um eine Vereinfachung des Vertriebs auf internationalem Boden.
Der durchaus angebrachte Vergleich mit dem NES Mini endet hier noch lange nicht. Er nimmt sogar erst richtig Fahrt auf, wenn man das Gerät endlich angeschlossen und eingeschaltet hat, denn dann begrüßt euch ein Menü, das dem des NES Mini in Aussehen und Funktionen stark ähnelt. Mithilfe des beiliegenden Joysticks, der einem klassischen Competition Pro nachempfunden wurde, scrollt ihr durch eine Menüleiste mit 64 vorinstallierten Spielen oder ladet für jedes Spiel einen von vier möglichen Spielständen.
Klingt eher nach einem Spiel- als nach einem Homecomputer und es lässt sich nicht leugnen: Trotz des eingebauten Basic-Interpreters, der sogar den Start externer Programme von einem eingesteckten USB-Stick ermöglicht, wurde The C64 Mini nicht geschaffen, um alle Funktionen des einstigen Kultcomputers in die Neuzeit zu retten. Die Hauptfunktion besteht im Wiedergeben von Spielen, und das macht die Kiste ganz ordentlich, wenn auch nicht perfekt.
Mit seinen 256 MB RAM und ebenso viel festem ROM-Speicher ist The C64 Mini bestens für diese Aufgabe gerüstet, wenn nicht sogar überqualifiziert. Knifflige Zeilensprungtricks, die Programmierer einst nutzten, um mehr Farben vorzutäuschen, als die Maschine ursprünglich beherrschte, gibt der Emulator auch im hochskalierten 1080p recht originalgetreu wieder. Farbtreue und Nachstellung der Hardwareschwächen spielen in der oberen Liga mit, wobei es manchmal sogar zu viel des Guten ist, denn selbst die ermüdend langen Ladezeiten einiger Spiele entsprechen dem Stand von anno dazumal. Wer diesen entgehen will, kann sich allerdings mit einem gespeicherten Spielstand am Startbildschirm behelfen.
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