Test - Botany Manor : Test: Flower Power in der Pastell-Villa
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Hübsch in Watte gepackt trotzt Botany Manor sämtlichen Trends der actionorientierten Videospiellandschaft. Dieses Pflanzen-Adventure ist so ruhig und ereignisarm, dass selbst Princess Peach: Showtime dagegen wie ein Action-Drama wirkt. Im Oberstübchen rumpelt es derweil aber ordentlich.
Cel-Shading, Pastellfarben, eitel Sonnenschein. Mein Gott, ist es hier ruhig und friedlich! Mal angenommen, die Spieldesigner bei Balloon Studios hätten sich den Scherz erlaubt, euch nach einer Stunde im Herrenhaus Botany Manor urplötzlich einen mit den Zähnen fletschenden Chihuahua vorzusetzen, ihr würdet ungelogen an einem Herzkasper dahinscheiden. Denn so viel Aufregung hättet ihr niemals erwartet.
Das mag man bewerten wie es einem beliebt. Ruhige Videospiele gab es schon immer, seien es die Text-Adventures aus der Videospiel-Ursuppe oder die atmosphärisch wundersamen Point-and-Click-Episoden von Myst, die einst auf Konsolen und PCs beliebt waren, heute aber beinahe in Vergessenheit geraten sind. An ihnen schieden sich stets die Geister. Manchen waren sie zu zerebral, anderen schlicht zu langatmig. Fans feierten hingegen das vollständige Eintauchen in fremde Welten, das genussvolle Verbeißen in herausfordernde Gehirnkapriolen und die langsame, aber umso intensivere Entfaltung eines ausführlich ausgewalzten Handlungsbogens. Solltet ihr diese Art Spiel suchen, dann dürfte Botany Manor genau euer Ding sein.
Einsam durch die Blumen-Villa
Wir schreiben das Jahr 1890. Arabella Greene kehrt zu ihrer Villa zurück, die sie jedoch völlig verlassen vorfindet. Aus der Ego-Perspektive entdeckt ihr mit ihr allerhand herumliegende Briefe, offene Notizen und andere Spuren ihrer Vergangenheit. Durch Arabellas Augen (nicht aber durch ihren Verstand) erfahrt ihr, wie und warum sich die junge Frau den Konventionen ihrer Zeit widersetzte. Sie hat keine Familie und weigert sich grundsätzlich, den Erwartungen der Gesellschaft Folge zu leisten. Statt sich mit einem Gatten niederzulassen und Kinder zu bekommen, entschied sie sich für eine Laufbahn als autodidaktisch lernende Botanikerin.
So bestehen die zentralen Rätsel des Spiels auch darin herauszufinden, wie ihre Pflanzen-Sammlung am besten wächst und gedeiht. Ein Ausflug in die echte Botanik wird euch dabei nicht gewährt, denn sämtliche Pflanzen entstammen der Fantasie der Entwickler. Das ermöglicht wildeste Verknüpfungen mit der Einrichtung des Hauses, samt der für Adventures typischen Brotkrumen-Sammelei, die euch beim Knacken der Rätsel hilft.
Tja, spannend ist was anderes, und jedes Lob für den Spielablauf abseits der Rätsel wäre im höchsten Maße übertrieben, aber interessant kann es durchaus sein, wenn man herausfindet, dass eine gewisse Pflanze nur bei starkem Licht wächst, während eine andere erst bei einer vorbestimmten Windstärke aus ihrem Samen schlüpft. Wie bringt mein einen Keim in einer Villa zum Treiben, wenn er sich sonst nur in den sommerlichen Temperaturen eines Flusses wohlfühlt? Nun, es gibt eine Lösung für alles und etliche Hinweise, die man in Arabellas Notizbuch sortieren darf, um den Geheimnissen auf den Trichter zu kommen. Knobeln und Suchen haben in Botany Manor oberste Priorität.
Logik ist allerdings so gut wie nie vonnöten. Im Gegenteil: Jede Regel für den Anbau, jede Eigenschaft, die eine Pflanze hegt und jedes noch so abstruse Hilfsmittel für die Pflege der empfindlichen Gewächse entnehmt ihr den bereits genannten Briefen, Postern und herumliegenden Zetteln, die über das gesamte Anwesen verteilt sind. Euch bleibt eigentlich nur das Zuteilen der Hinweise im Notizbuch und die praktische Umsetzung.
Blumenkinder
Eines haben (fast) alle Blumen gemeinsam: Ihr Samen muss in einen Topf voll Erde gesteckt und bewässert werden, bevor ihr euch an die Manipulation jener Umwelteinflüsse wagt, nach denen die aktuelle Pflanze verlangt. Was mitunter bedeutet, dass ihr beim Erkunden der Villa eine Weile lang einen kleinen Blumen-Zögling mit euch herumschleppt, vorübergehend auf einem Tisch lagert oder an ihm herumexperimentiert, weil ihr noch nicht alle Hinweise richtig zuordnen konntet.
Völlig danebenzuliegen ist allerdings schwer, da nicht nur die Namen der Gewächse eindeutige Hinweise geben. Auch die Zimmer, die ihr nach und nach erforscht, verfügen über so wenige interaktive Einrichtungselemente, dass euch kaum eine andere Wahl bleibt, als die wenigen Möglichkeiten durchzuprobieren.
Wenn ihr den Zulauf einer Badewanne repariert und dadurch Zugriff auf Wasser in unterschiedlichen Temperaturen habt, müsst ihr keine Hellseher sein, um darauf zu kommen, dass eine der Pflanzen nur im Wasser wächst und eine gewisse Temperatur bevorzugt. Somit bleibt euch nur noch, die passenden Hinweise zu finden. Je weiter ihr im Spiel voranschreitet, desto mehr Pflanzen können parallel gezüchtet werden, was wiederum das Sortieren der Hinweise erschwert. Ein wenig Geduld und ein Talent zur Verknüpfung ist also von Vorteil.
Charakterbild auf Raten
Unglücklicherweise sind die (teilweise durchaus knackigen) Blumenrätsel der einzig nennenswerte Faktor im Spielablauf von Botany Manor. Der Rest des Spiels besteht aus Umherwandern oder dem Auffinden von Schlüsseln für neue Räumlichkeiten – meist ein automatischer Prozess, da Schlüssel entweder in zuvor unzugänglichen Räumen liegen oder vom Postboten an den Grundstückseingang geliefert werden. Ansonsten lest ihr euch durch Arabellas private Briefwechsel, die ihren Werdegang auf die trockenste denkbare Weise dokumentieren.
Kann man als Adventure-Fan von der Atmosphäre zehren? Teilweise. Wenn man Idylle und eitel Sonnenschein mag, dann bestimmt. Dass im ganzen Spiel nichts Nennenswertes in der Villa passiert – keine gravierenden Veränderungen, keine Gespräche mit Figuren, kein Drama und kein noch so kleiner Fingerzeig auf die alltäglichen Lebensumstände – ist dennoch eine sehr spezielle Note in diesem Genre, die wahrscheinlich nicht jedem gefällt.
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