Test - Bayonetta 1 & 2 : Wahnsinn serienmäßig – jetzt auch unterwegs
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Lieber Leser, es tut mir von Herzen leid, aber du kommst zu spät. Zu spät für die hochtrabende Bayonetta-Rezension, in der jeder Satz vor lauter Superlativen aus allen Nähten platzt. Spätestens mit der Veröffentlichung der 4K-tauglichen PC-Fassung aus dem letzten Jahr wurde alles Machbare erreicht. Was danach kommt, ist eben „nur noch“ Bayonetta, auch wenn die Aussicht auf eine Prügelrunde im Flugzeug dank Nintendo Switch allemal verlockend erscheint.
Schon mal auf den Kalender geschaut? Wir schreiben das Jahr 2018! Es ist somit verdammte zehn Jahre her, seit erste Konzept- und Grafikentwürfe von Bayonetta das Licht der Pressewelt erblickten. Trotzdem sprechen wir noch immer von einer Monstermarke, ja, eventuell sogar von einem Kaufargument für eine relativ junge Konsole. Das nennt man doch mal eine Welle! Platinum Games hätte diesen Hype im Leben nicht vorausahnen können.
Um so müßiger scheint es, abermals alle glorreichen Aspekte von Bayonetta aufzuzählen. Ist es noch immer ein nervenaufreibendes Spiel aus dem Brawler-Genre? Noch immer ansehnlich, fesselnd, ohne Ende abgefahren? Ist es noch immer ein mitreißendes Erlebnis, wenn Sexy Hexy Bayonetta den himmlischen Armeen von Paradiso den Allerwertesten aufreißt? Na, und ob, darauf könnt ihr einen lassen!
Völlig egal, wie oft ihr Bayonetta durchspielt, es wird nie fad oder eintönig. Wenn dieser hochgewachsene, gertenschlanke Vamp von einer Frau im pechschwarzen Dress zu akrobatischen Prügelkombos ansetzt, bleibt keine Kinnlade oben. Wenn sie ihr Haar in ein fünfzehn Meter hohes Schattenmonster verwandelt, das einem Gegner den Kopf abbeißt, wenn sie einen anderen armen Tropf per Bestrafungskombo in einen stacheligen Sarg quetscht oder ihn unter einem mit Stacheln besetzten Holzrad zu Hackfleisch verarbeitet, dann herrscht auch neun Jahre nach der Premiere Alarm in der Großhirnrinde des Spielers. Action, Dämonen, schöne Grafik, ein Hauch Sexappeal. Diesem Spiel fehlt es an nichts!
Was einen Klassiker ausmacht
Der lang anhaltende Hype rund um Bayonetta kommt nicht nur durch spielerische Vorzüge zustande. Es geht um eine unnachahmliche Mixtur aus Stil, ausufernder Präsentation und einer ganzen Palette gewollter Regelbrüche. Während andere Hauptdarsteller sich beim Publikum anbiedern und den Spieler an der Hand nehmen, um ihn behutsam durch ein nachvollziehbares Abenteuer zu leiten, schert sich Bayonetta kein Stück darum, dass Einsteiger am Anfang nur Bahnhof verstehen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich nach all den Jahren den Unsinn des Kampagnenstrangs verstanden habe. Da wird lustig zwischen mehreren Zeitperioden und Schauplätzen hin und her gesprungen, werden neue Darsteller mit dem Dampfhammer eingeführt und Zusammenhänge wildester Natur geknüpft.
Warum die Protagonistin den Bibliothekarinnenstil pflegt, schwülstiges, hochgestochenes Oxford Englisch spricht oder Knarren an den Füßen trägt, wird nie erklärt und kann nicht hergeleitet werden. Wie beinahe alles in diesem Spiel ist das nur eine Frage des Designs. Der Handlungsstrang ist so überaus hochtrabend, so völlig unweltlich und ungreifbar, dass jeden Augenblick auch Kermit der Frosch um die Ecke kommen oder Darth Vader mit einer Lachgasflasche im Hintergrund sitzen könnte, ohne dass es aus der Reihe fallen würde.
Bayonetta ist brutal, schamlos, blasphemisch, vulgär, exzentrisch und nicht zuletzt völlig schwachsinnig. Kurz gesagt: ein Klassiker. Zwar ein arg japanophil veranlagter, der mit vielen auf Sega und Capcom abzielenden Insiderwitzen glänzt (eine Folge der entfernten Verwandtschaft zu Devil May Cry), aber ganz klar ein Klassiker mit superflüssigem Spielablauf, endlosem Spielwitz, knallhartem Schwierigkeitsgrad und jeder Menge roter Sauce.
Huch, da sind sie ja doch wieder, die ganzen Superlative. Schon irre, dass Bayonetta nach all der Zeit noch immer so starke Reaktionen hervorruft. Sicher nicht bei jedermann. Platinums Hitmarke polarisiert gewaltig. Da gibt es auch keine Grauzone, entweder man findet es geil oder man kann nichts damit anfangen - wobei Letzteres nicht selten auf die Kappe des Schwierigkeitsgrads geht. Aber ist das auf der Switch so geblieben?
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