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Test - Assassin‘s Creed: Nexus VR : Test: Das wichtigste VR-Spiel seit Half-Life: Alyx

  • PC
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Ein Spielerlebnis in VR kann so immersiv sein, dass man mit Haut und Haaren darin versinkt. Wenn aber immer seltener Spiele erscheinen, die grafisch wie spielerisch fesseln, versickert das Potenzial jeder noch so modernen VR-Brille im Wust schnelllebiger Mini-Games. Killer-Apps, die gute Geschichten erzählen und dabei komplexe Handlungsmöglichkeiten offerieren, sind also gefragt, wenn das Medium auf Dauer überleben soll. Ubisoft liefert mit Assassin’s Creed: Nexus genau das ab.

Nichts gegen Beat Saber oder Synth Riders. Diese Rhythmusspiele sind nicht nur Spielspaßgranaten, sondern auch fantastische Demo-Programme, die in den letzten Jahren wahrscheinlich mehr Headsets über den Ladentisch geschoben haben als alle anderen VR-Games zusammen. Aber sein wir mal ehrlich: Den Core-Gamer, der vierstellige Summen für einen PC ausgibt oder sich am Veröffentlichungstag in seinem lokalen Media Markt mit anderen prügelt, um die neueste Spielkonsole abzustauben, tangieren sie - wenn überhaupt - nur für kurze Zeit. Andernfalls hätten sich VR-Headsets inzwischen erheblich besser verkauft.

VR verspricht tiefes Eintauchen in fremde Welten, wie es ein normaler Bildschirm kaum vermag, und solange diese Art Spielerlebnis nicht zum Zugpferd wird, könnte das Medium noch tiefer in seiner Nische versinken als jetzt schon. Half-Life Alyx war ein Hoffnungsträger, aber ein einziges Spiel allein kann den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. VR-Modi für Resident-Evil-Ableger machen Vieles richtig und sind doch nur nachgereichte Abwandlungen längst bekannter Games. Und was noch schlimmer ist: je weiter die Entwicklungsziele auseinanderdriften, weil PCVR im Schatten der Standalone-Headsets vernachlässigt wird, desto fragmentierter scheint die VR-Fangemeinde.

Umso bedauerlicher wirkt es, dass ein Spiel wie Assassin’s Creed: Nexus VR derzeit exklusiv auf Meta-Quest-Headsets zu haben ist. Schön für Meta, schlecht für VR im Allgemeinen, denn das Letzte, was die VR-Szene zur Zeit braucht, sind hochpotente Exklusivtitel, die an Besitzern anderer Headsets vorbeigehen. Und in diesem Fall ist es besonders schlimm, denn was Red Storm unter der Flagge von Ubisoft abgeliefert hat, mag von Perfektion noch ein ganzes Stück entfernt sein, aber dieses Spiel könnte und sollte zu einer Blaupause für zukünftige AAA-Titel werden.

Aus den Vollen geschöpft

Assassin’s Creed: Nexus VR will keine Minispiel-Sammlung sein, kein einseitiges One-Trick-Pony wie The Climb und keine verkappte Kurzgeschichten-Version eines Action-Adventures wie das durchaus gelungene, aber ernüchternd kurze Star Wars: Vader Immortal. Es will ein vollumfängliches Assassin’s Creed sein, mit allem, was dazugehört. An Fassaden klettern, über Hausdächer rennen, durch Gassen schleichen, sich im Gebüsch verstecken, ahnungslose Wachen belauschen und dann meucheln und im Schwertkampf bestehen. Das komplette Programm von A bis Z eben.

Und es gelingt. Zwar nur in einer eingeschränkten Version mit geschrumpften Spielumgebungen, leicht abgewandelten Regeln fürs Klettern und Kämpfen und noch dazu mit einem etwas belastenden Hang zu Spielunterbrechungen durch Ladezeiten. Aber es gelingt allein schon aufgrund gewisser erzählerischer Kniffe.

Geradezu brillant wirkt es, dass Assassin’s Creed: Nexus endlich seinen erzählerischen Kern in die Tat umsetzt, denn das gesamte Spielerlebnis ist eine Simulation. Der Animus entsteht bei euch zu Hause, wenn ihr das Headset aufsetzt, was Red Storm mithilfe einer Mixed-Reality-Sequenz verdeutlicht. Während ihr eure Wohnzimmercouch im Hintergrund seht, sollt ihr kleine holografische Quadrate zu einem 3D-Code anreihen, um eine Kommunikationsverbindung zu euren Auftraggebern einzurichten. Ja, es sind mehrere, schließlich agiert ihr als Doppelagent. Man könnte sagen, ihr wählt eine dreidimensionale Telefonnummer, die eure Kommunikation verschlüsselt. Was für ein simples und doch geniales Stilmittel, das euch bereits in die Geschichte saugt, bevor das eigentliche Spiel überhaupt begonnen hat.

Keine Angst, liebe Core Gamer, der Rest ist viel weniger stimmungsvolle Ablenkung als handfestes Gameplay – und zwar reichlich. Rund 15 Stunden Spielzeit füllt Ubisoft mit einer Revue der beliebtesten Hauptdarsteller der Serie.

Ihr schlüpft in die virtuelle Haut von Ezio Auditore da Firenze, Connor Kenway (AC3) und Kassandra (AC Odyssey), ohne altbekannte Geschichten neu aufgießen. Es geht teilweise sogar um Fortsetzungen und Epiloge ihrer früheren Auftritte, die durch Zitate, Cameos und unzweideutige Referenzen ein schrilles Fan-Service Federkleid spazieren führen. Aber wer würde sich darüber beschweren wollen, wenn der Schuh passt? Warum zwanghaft etwas Neues aus den Fingern saugen, wenn der ideale Stoff bereits vorhanden ist?

Die Macht der Gewohnheit

Den geneigten AC-Fan in vertraute Umgebungen zu verfrachten, hat schließlich den Vorteil, jegliche Berührungsangst oder mangelnde Gewöhnung an die VR-Spielweise durch Wiedererkennungswert abzufedern. Für das erste AC-Spiel in virtueller Realität kann es nichts Besseres geben als ein unbeschwertes Zurückfallen in alte Gewohnheiten, die von der Hand gehen, als hätte man sie mit der Muttermilch verinnerlicht.

Siehe etwa die Parkour-Läufe über Hausdächer. Es genügt, in eine Richtung zu laufen und den A-Knopf gedrückt zu halten, um punktgenau von der Kante eines Dachs zu springen oder einen leichten Hüpfer von einem hölzernen Querbalken zum nächsten zu wagen. Ihr müsst derweil nur noch bestimmen, in welche Richtung ihr sprintet und hüpft. Es fühlt sich eben genauso an wie ein typisches Assassin’s Creed, und darauf kommt es an.

Andere Dinge verlangen dafür ein umso genaueres eigenständiges Agieren. Siehe etwa das Festhalten an Häuserwänden, das keinerlei Faulenzerei duldet. Ihr werdet beim Klettern ordentlich mit den Armen rudern und sogar blitzschnell reagieren, wenn ihr euch nach einem Sprung abfangen wollt.

Ein weiteres Beispiel für gesteigerte Interaktion ist der Schwertkampf, bei dem jede Parade von korrekter Haltung und passendem Timing mit dem Schneidewerkzeug abhängt. Es ist irre spaßig, mit der einen Hand einen Kerkermeister in Schach zu halten und mit der anderen Hand Dolche auf die nachrückende Verstärkung zu werfen, die er so sehnlich erwartet. Multitasking gone Bad-Ass.

Zugegeben, man kann sich des Öfteren durch Schwertkämpfe mogeln, weil die KI der Wachen und Soldaten, gegen die man antritt, ebenso wenig mit menschlicher Reaktionsfreude mithält wie deren Bewegungsrepertoire. Überhaupt scheinen manche Wachen das Blickfeld eines Maulwurfs zu haben. Oder chronische Genickstarre, die sie davon abhält, mal nach oben zu schauen. Aber der Ansatz ist gut und lässt auf Fortentwicklung in anderen Spielen hoffen. Immerhin hat die Geräuschkulisse so viel Einfluss auf die Sinne der Wachen, dass einem höchst peinlich ist, wenn man mal aus Versehen mit dem Schwert gegen eine Vase stößt.

Wer Unzulänglichkeiten sucht, findet sie. Es gibt Szenen, bei denen Sterbe-Animationen abrupt enden, sodass Figuren in Posen festfrieren, die an eine Mischung aus Yoga und Wundstarrkrampf erinnern. So manche Gesichter wirken steif und die Grenzen gewisser Wände und Türen so unstimmig, dass man unfreiwillig durch sie hindurchschaut. Solche Kinderkrankheiten entstehen eben, wenn das Budget für VR-Spiele so knapp begrenzt ist, wie es derzeit der Fall ist.

Aber das sind weder Gamebreaker noch Dauergäste im Spielerlebnis. Höchstens gelegentliche Unstimmigkeiten, die nicht vom berauschenden Fluss des Gameplays ablenken können.

So flüssig wie kaum ein anderes VR-Spiel

Während der Handlungsstrang stets präsent bleibt, sodass ihr nie das Gefühl habt, sinnlos über einen griechischen Marktplatz zu stolzieren oder auf einem Venedig-Urlaub zu sein, zieht sich der Geschlicklichkeits- und Tüftel-Anteil wie ein roter Faden durch sämtliche Spielelemente. Beinahe alles was ihr dringend benötigt (etwa Nachschub an Wurfmessern), findet ihr mithilfe eines Umgebungs-Scans, der in der Nähe befindliche Schätze anzeigt.

Seid ihr allerdings Komplettisten auf der Suche nach Beschäftigung, so dürften euch versteckte historische Kunstwerke und anekdotische Textafeln prima unterhalten. Ein bekanntes Gemälde zu finden oder eine Erklärung der vorherrschenden Machtverhältnisse der simulierten Ära ist nicht nur lehrreich, es wird auch mit Upgrade-Punkten belohnt, die man für Attribute wie gesteigerte Geschicklichkeit oder Psychologie einsetzt.

Assassins Creed: Nexus bringt dabei viele Gameplay-Facetten unter einen Hut, ohne eine einzelne Komponente erzwungen oder überpräsent wirken zu lassen. In vielen anderen VR-Games sieht man buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht, weil sich die Designer in Sachen Rätselfreude zu viel Einsatz vom Spieler erhoffen. Hier aber nicht.

Nie bringt ein Element den Spielfluss zum Stehen. Mal sollt ihr eine vermeintliche Spieluhr von Da Vinci reparieren oder an einem Holzrad drehen, damit sich ein Tor öffnet, aber nichts davon verlangt mehr als eine Minute Aufmerksamkeit, bevor es weitergeht.

Gerade eben noch huscht ihr in einer Parkour-Herausforderung über italienische Hausdächer, nur um einige Sekunden später mucksmäuschenstill den besten Sprungwinkel für eine heimtückische Attacke zu suchen. Ihr werdet die Ärmelklinge zücken und in eine Häuserschlucht springen, als wäre es eure zweite Natur, weil ihr nicht mehr darüber nachdenken müsst.

Ja selbst dann, wenn ihr Höhenangst habt. Euer Reflex bei der Suche nach Balance lässt sich beim Klettern manchmal nicht abschalten, obwohl ihr wisst, dass es nur um virtuelle Realität geht – doch genau das erhöht den Spaß. Man ist eben mittendrin statt nur dabei. Sollte euch das zu viel des Guten sein, könnt ihr noch immer ein Gitter einblenden lassen, das euch einen künstlichen Boden vorgaukelt.

Der Anstrich

Das einzige Thema, bei dem Assassin’s Creed: Nexus ernsthafte Kritik einstecken muss, ist der grafische Anstrich, der qualitativ irgendwo zwischen PS3 und PS4 herumwuselt, aufseiten der Texturen gelegentlich arg inkonsequent wirkt und den Wunsch nach einer PCVR-Version (oder gerne auch PSVR2) verstärkt. Warum die Quest-3-Fassung kein Stück besser aussieht als die für Quest 2, obwohl die grafische Kapazität des neuen Headsets viele Kritikpunkte abgefedert hätte, bleibt zudem ein Rätsel.

Assassin's Creed: Nexus VR - Launch-Trailer zum Start des VR-Abenteuers

Ab sofort könnt ihr in Assassin's Creed: Nexus VR auch in der virtuellen Realität meucheln!

Nun, nicht alles ist kritikwürdig. Im Gegenteil. Allein, dass Menschen und Gegenstände eine glaubhafte Größe an den Tag legen, sei positiv hervorgehoben. Auch gibt es selten VR-Spiele, bei denen man den Blick über etliche Hausdächer und Straßen voller NPCs schweifen lassen darf. Allein die Atmosphäre im Griechenland-Szenario ist fantastisch, nicht nur, weil die Aussicht schön und das Wetter sonnig ist, sondern weil auch die Stadtbewohner auf mein Verhalten reagieren. Wer Platz zum Laufen braucht, zieht einfach mal das Schwert und schüchtert so die Meute ein.

10 verblüffende Fakten, die du noch nicht über die Assassin's-Creed-Reihe wusstest

Auf der anderen Seite verderben jedoch immer wieder Nebelwände den Blick an den Horizont. Steife Gesichter und etwas zu grobe Haustexturen (die beim Klettern schnell auffallen) stehen im argen Kontrast zu den wunderschönen Details, die Kassandras Schwert und Ezios Gewand spendiert bekamen. Spielfiguren werfen nur grobe Alibi-Schatten, Pfützen nutzen farblose, grobe Cube-Maps als Spiegelungen, die nicht mal ein Blinder als Repräsentation der Umgebung identifizieren würde. Die Liste möglicher Verbesserungen, aus denen eine aufgebrezelte Version für Quest 3 Kapital schlagen könnte, ist lang.

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