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Test - Age of Wonders: Planetfall : Das bessere Civilization

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Bislang war die Age-of-Wonders-Reihe im übergroßen Schatten ihres alles überstrahlenden Vorbilds Heroes of Might & Magic leider oftmals nur mit dem Suchscheinwerfer wahrnehmbar. Für den dritten Teil griff ihr sogar Minecraft-Erfinder Notch finanziell unter die Arme. Dabei gilt die Serie unter Kennern sogar als das womögliche bessere, auf jeden Fall aber mutigere Heroes. Der neueste Teil, Planetfall, bildet dafür einmal mehr das Paradebeispiel.

Denn während Heroes of Might & Magic seit eh und je eigentlich nur auf der Stelle tritt und spätestens nach dem bei Fans ungeliebten vierten Teil Innovationen scheut wie der Teufel das Weihwasser, war sich Age of Wonders nie für mutige Experimente zu schade. Mit dem neuesten Teil verlässt die Serie endgültig nicht nur ausgetretene Pfade, sondern gleich den ganzen Planeten und das Genre und stürzt sich in die unendlichen Weiten des Weltraums …

Age of Wonders: Planetfall schlägt gleich in zweierlei Hinsicht völlig neue Wege ein. Der eine ist so offensichtlich, dass es kaum einer Erwähnung bedarf: Statt in einer Fantasy-Welt mit Rittern, Orks und Elfen spielt es nun in einem Science-Fiction-Universum im Stile von Warhammer 40.000. Die zweite große Änderung fällt hingegen so fundamental aus, dass sich ein Großteil des restlichen Tests vor allem darum drehen wird: Planetfall schneidet seine einstigen „Heroes of Might & Magic“-Wurzeln fast vollständig ab und erblüht in neuer Pracht als Züchtung aus dem Civilization-Stammbaum. Auf eine griffige Formel dividiert könnt ihr euch das Spiel vorstellen als …

Civilization mit XCOM-Kämpfen

Statt Heroes-Klon nun also ein Civ-Klon? In gewisser Weise: ja. In anderer Hinsicht: mitnichten! Denn Age of Wonders: Planetfall ist in vielerlei Hinsicht womöglich nichts weniger als das „bessere Civilization“. Und das aus gleich mehreren Gründen: Weil es eine richtige Kampagne bietet, samt verzweigender Handlung. Ein komplexes taktisches Kampfsystem, im Stile von XCOM. Nicht nur auf PC erscheint, sondern auch auf den Konsolen PS4 und Xbox One. Und weil es so viele, viele kleine feine Ideen auffährt, die ein solches Science-Fiction-Szenario überhaupt erst möglich macht – völlig unterschiedliche Völker zum Beispiel wie Menschen, Insekten, Roboter, Telepathen und: auf Dinosauriern (!) reitende Amazonen (!!) mit dressierten Pinguinen (!!!). Hip Hip Hurra!

Ein Spiel dieser Größenordnung und Komplexität zu beschreiben, artet schnell ins uferlose Aufzählen von Featuren, Spielmechaniken und -regeln aus. Darum stellt euch fürs Erste einfach mal Civilization vor. Statt auf der Erde allerdings auf fernen Planeten, ein bisschen wie damals im Ableger Alpha Centauri. Ihr beginnt wie vom großen Vorbild gewohnt mit einer Stadt und einer Armee, erkundet zunächst die Umgebung, errichtet Gebäude, kümmert euch um Nahrung und Zufriedenheit eurer Bürger, erforscht neue Technologien. erweitert nach und nach euer Territorium und trefft schließlich auf andere Völker, mit denen ihr in diplomatische Beziehungen tretet oder ihnen den Krieg erklärt.

Kommt es zum Kampf, könnt ihr diesen auf Wunsch zwar wie in Civilization auch „auswürfeln“ lassen. Das Besondere an den Heroes- und Age-of-Wonders-Spielen war jedoch immer, dass ihr eure Armee selbst in die Schlacht führen dürft. Für Planetfall ließ sich Entwickler Triumph Studios dabei stark von Taktikspielen à la XCOM inspirieren. Denn in den Kämpfen spielt nicht nur die Zusammenstellung eurer Armee, der geschickte Einsatz der unzähligen Fähigkeiten eurer mannigfaltigen Einheiten, deren Bewaffnung, Panzerung und Wendigkeit eine Rolle, sondern vor allem auch das Gelände des jeweiligen Schlachtfelds: Eure Einheiten sollten stets den Schutz von Mauern, Säulen und Bäumen suchen, deren Deckungsstärke sogar mit dem gleichen Schildsymbol wie in XCOM angezeigt wird – Triumph Studios machen gar keinen Hehl daraus, bei wem sie sich Inspiration geholt haben.

Die Kämpfe werden auf diese Weise zu deutlich mehr als einem reinen Gegenüberstellen von Armeegröße und Schlagkraft, sondern ein taktisches Stellungsspiel, das kluges Vorgehen belohnt und unbedacht stürmisches abstraft.

In dieser Disziplin, den Kämpfen, spielt Age of Wonders: Planetfall mit Bravour all die Karten aus, die ihm das Science-Fiction-Szenario auf die Hand gibt. Will heißen: Bei sechs verschiedenen Rassen mit jeweils über einem Dutzend unterschiedlicher Einheiten, die über individuelle Eigenschaften, Fähigkeiten und Ausrüstung verfügen, ist die Spieltiefe, wer sie bis zum Boden ergründen will, tiefer als jedes Schwarze Loch.

Die Echsen sprühen mit giftigem Schleim um sich, die Telepathen können Einheiten des Gegners auf ihre Seite bekehren, die Cyborgs hacken sich in mechanische Einheiten wie Panzer und Mechs, um sie außer Betrieb zu setzen, und die Zwergen-artigen Bergbauspezialisten graben sich in den Boden, um sich auf diese Weise auch an Orten zu verschanzen, an denen es eigentlich keine Deckung gibt. Pflanzen-artige Einheiten halten ihre Gegner mit ihren Wurzeln an Ort und Stelle fest, damit sie nicht fliehen können, rasende Bestien rammen ihre Gegner mit Anlauf ins offene, ungeschützte Gelände hinaus, und Flugsaurier stoßen aus luftiger Höhe auf ihre Feinde herab.

Nicht für die Kampagne, sondern fürs Leben lernen wir

Die taktischen Feinheiten von Age of Wonders: Planetfall in ihrer Gänze zu durchdringen, stellt vermutlich nicht weniger als eine Lebensaufgabe dar. Doch auch wenn Publisher Paradox für seine hochkomplexen Hardcore-Strategietitel als ebenso berühmt wie bei Einsteigern berüchtigt gilt, fühlt man sich nie überfordert. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, deren unteres Ende der Skala keine hundertprozentige Kenntnis jedes einzelnen Spielelements notwendig macht, man auch einfach mal drauflosspielen und schauen kann, was passiert.

Zum anderen müsst ihr die Kämpfe nicht zwangsweise selbst führen, sondern könnt sie im Zweifelsfall auch einfach vom Computer „auswürfeln“ lassen – wie in Civilization eben. Das Schöne: Das Ergebnis wird nicht lediglich anhand einer undurchsichtigen Formel berechnet. Stattdessen „spielt“ die CPU die Schlacht tatsächlich durch, in Windeseile natürlich. Bei Bedarf könnt ihr euch sogar die Wiederholung ansehen, um exakt nachzuvollziehen, wie das Ergebnis zustande kommt.

Generell fühlt sich Age of Wonders: Planetfall zu jeder Zeit erstaunlich „fair“ an. Während das Ergebnis der Kämpfe gerade in den früheren Civilization-Teilen gelegentlich etwas willkürlich wirkte oder in XCOM regelmäßig Angriffe, die mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 95 % ausgegeben werden, ins Leere laufen, hatte ich in Planetfall kein einziges Mal das Gefühl, vom Zufall „betrogen“ worden zu sein. Die Gründe dafür würden an dieser Stelle zu sehr ins Detail gehen, sie sprechen aber allesamt für die außergewöhnlich durchdachten und ausgereiften Spielmechaniken dieses Spiels und die Erfahrung, über die Entwickler und Publisher im Genre wie kaum jemand sonst verfügen.

Als Nebenwirkung dieser Verlässlichkeit trat allerdings (zumindest bei mir) der Effekt auf, dass ich die Kämpfe irgendwann kaum noch selbst austrug, sondern sie direkt der CPU überließ – allein schon um Zeit zu sparen, aber auch, weil ich bei steigender Komplexität das Spiel bei der KI mitunter in den besseren Händen aufgehoben sah. Das eigentlich geniale Feature eines richtigen Kampfsystems wird dadurch auf eine beinahe schon paradoxe Art überflüssig.

Kampagne: Galaktisches Epos

Noch ein Grund, warum Anfänger in Age of Wonders: Planetfall trotz aller Komplexität ganz leicht ins Spiel „reinkommen“: die Kampagne. Angesichts einer Spieldauer von 60 Stunden oder deutlich mehr (je nach Spielweise und eingestelltem Schwierigkeitsgrad) klingt es fast schon nach der Übertreibung des Jahres, wenn die Entwickler sie lediglich als das „Tutorial“ fürs Endlosspiel bezeichnen.

Doch wird schnell klar, was sie damit meinen: Herzstück von Age of Wonders: Planetfall ist weniger die Kampagne, sondern der sogenannte Szenario-Modus, der mit einer Partie Civilization vergleichbar ist. Ihr erstellt eine Spielwelt in einer Größe von winzig bis enorm, legt die Anzahl der Spieler fest, die Beschaffenheit von Terrain, Klima und die Siegbedingungen, greift auf vorgefertigte Planeten zurück oder lasst die Weltkarte nach euren Vorgaben zufällig generieren.

Die Kampagne wiederum dient in erster Linie dazu, euch die sechs verschiedenen Völker und ihre Besonderheiten vorzustellen und euch mit dem allgemeinen Ablauf des Spiels vertraut zu machen. Daher spielt ihr jeweils „nur“ zwei Kapitel pro Rasse, was angesichts der epischen Größe der Kampagne von Heroes of Might & Magic zunächst nach nicht sehr viel klingt, zumal sich die Größe der Spielwelten jeweils mit Ausmaßen von „winzig“ bis maximal „mittel“ vermeintlich in Grenzen hält. Dennoch ist man mit jeder einzelnen Map gute vier bis sieben Stunden beschäftigt – genau das richtige Maß zwischen ordentlichem Umfang und sinnvoller, nicht erschlagender Länge.

Allerdings macht sich dadurch auf Dauer auch eine gewisse Ermüdungserscheinung bemerkbar, da man in jeder Kampagnenmission wieder von vorne anfängt und daher immer wieder mit denselben Abläufen beschäftigt ist: Basis aufbauen, Territorium erweitern, Bündnisse eingehen, Eingeborene zufriedenstellen, Armeen ausheben etc. Das Endgame, das in Civ-ähnlichen Spielen bekanntlich die eigentliche strategische Herausforderung darstellt, die fortgeschrittenen Technologien, höherwertigen Einheiten, unterschiedlichen Siegbedingungen und diffizileren diplomatischen Beziehungen bekommt man erst in der finalen Schlacht bzw. im Endlosspiel zu Gesicht.

Die Geschichte wird zwar nur in unspektakulären Textdialogen erzählt, führt aber anschaulich in die Hinter- und Beweggründe der verschiedenen Fraktionen und ihre jeweilige Stellung im interstellaren Konflikt ein. Nachdem das Imperium der Star Union zugrunde gegangen ist, das Jahrhunderte lang für Frieden und Wohlstand in der Galaxis sorgte, streiten nun die daraus hervorgegangenen Splitterparteien darum, wer als Phoenix aus dieser Asche hervorgehen und sich zum neuen Herrscher aufschwingen darf.

Das Beste aus Civilization, Heroes of M&M und XCOM - Video-Preview zu Age of Wonders: Planetfall
Das neue Age of Wonders: Planetfall schaut sich erstaunlich viel bei Civilization und XCOM ab. Wir konnten bereits gut drei Stunden zocken und sagen euch ob das der Serie gut tut.

Das Besondere: Nicht nur Sieg oder Niederlage, sondern auch eure Entscheidungen, mit wem ihr euch verbündet bzw. gegen wen ihr Krieg führt und auf welche Weise ihr die Partie gewinnt, beeinflussen, zumindest zu einem gewissen Grad, den Verlauf der Geschichte. Die insektenartigen Kir‘Ko wurden beispielsweise jahrzehntelang von den Menschen als Sklaven gehalten. Strebt ihr nun eine Politik der Aussöhnung mit den einstigen Unterdrückern an? Oder steht euch der Sinn nach Rache? Geht ihr als Bergbauvolk der Dvar ein riskantes Zweckbündnis mit den moralisch zweifelhaften Cyborgs ein auf die Gefahr hin, dass sie euch für ihre eigenen machthungrigen Ziele missbrauchen? Schwingt ihr euch zum alleinigen Herrscher eines Planeten auf, oder vernichtet ihr ihn mit einer Superwaffe, um die Ausbreitung einer gefährlichen Seuche zu verhindern? Eine vollkommen andere Richtung schlägt die Geschichte zwar nie ein. Allerdings lässt euch Planetfall auf diese Weise immer die Wahl, welche Strategie ihr verfolgen wollt, ohne euch ein bestimmtes Vorgehen aufzuzwingen.

Auf der nächsten Seite: Konsolen-Test: Was taugt die PS4-Version?

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