Test - Turtle Beach VelocityOne Flight : Flieger-Komplettpaket mit kleinen Schwächen
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Als Microsoft den preisgekrönten Flight Simulator auf die Xbox portierte, jubelten einige Konsoleros: Endlich eine anspruchsvolle, vollwertige Flugsimulation auf der Konsole. Ein Microsoft-Exclusive mit Mördergrafik, Echtzeit-Wetterdaten und der ganzen Welt als Schauplatz. Unglücklich nur, dass sich das Ganze mit einem Standardcontroller wenig authentisch anfühlt und zudem viele umständliche Button-Kommandos abverlangt. Mit nur einem einzigen kompatiblen Hotas-Joystick als Alternative blieben kaum Ausweichmöglichkeiten. Zumindest bis jetzt, denn Turtle Beach hat mit dem VelocityOne Flight ein Steuerhorn-Komplettset in Petto, das seinen Dienst sowohl auf der Xbox als auch auf dem PC verrichtet. Lohnt sich die Anschaffung?
Hey, da hat ja echt mal jemand mitgedacht! Tischklemme integriert? Modulares Design? Farbige Kabel, die den Aufbau selbsterklärend gestalten? Cool! Es dauert keine fünf Minuten, bis das Gerät felsenfest am Schreibtisch klemmt. Ihr steckt schlicht Steuerhorn und Quadrant-Modul zusammen, verbindet sie mit einem der beiliegenden USB-Kabel und fixiert die Konstruktion dann am Tisch. Klappt mit wenigen Handgriffen und ohne viel zu suchen, da sowohl die Klemmschrauben als auch ein passender (monströser) Inbusschlüssel ihren festen Platz haben. Alles schön verstaut hinter einer kleinen Klappe auf der Oberseite des Hauptmoduls.
Dadurch wirkt VelocityOne Flight kompakt und doch luxuriös. Zwar nicht bei seinen Materialien, denn Turtle Beach verwendet recht schnörkelloses, eher dünnes Plastik, aber am Umfang mangelt es nicht. Es möchte ein unkompliziertes All-in-One-Steuergerät sein. Sollte es auch angesichts seines stolzen Preises von 379 Euronen.
Nun, dem ersten Eindruck nach fehlt erst einmal nichts. Alle Bedienelemente wirken übersichtlich und aufgeräumt. Das Hauptmodul glänzt mit einem großen, ergonomischen Steuerhorn, auf dem ein kleiner LCD-Screen sitzt. Alle üblichen Joypad-Knöpfe, zwei Daumen-Sticks, zwei Spezialknöpfe und volle vier Schultertasten (davon zwei analoge) finden darauf ihren Platz und lassen sich ohne großes Umgreifen erreichen.
Normale Härte? Nicht für ein übliches Steuerhorn, das normalerweise mit typischen Feuerknöpfen geizt, aber angesichts des vorliegenden Designs istrdiese Ausstattung unbedingt nötig, denn das Gerät hat keine Anschlussmöglichkeit für Ruder-Pedale. Um Seitenruder auf der Xbox bedienen zu können, bleibt also nur das Ausweichen auf analoge Trigger. Das ist zwar nicht realistisch, aber eine vertretbare Lösung. PC-Spielern bleibt weiterhin die Wahl, Pedale anderer Hersteller parallel anzuschließen.
Rechts vom Hauptmodul findet ihr das Quadrant-Modul mitsamt zehn frei belegbaren Knöpfen, einem viergeteilten Beschleunigungshebel und drei (nicht drehbaren) Stangen, wie man sie in Kleinflugzeugen zum Bestimmen von Treibstoffgemisch und Beschleunigungswert findet. Dazu kommt noch ein Trimmrad, mit dem man eine feste Steigungs- und Sinkrate bestimmt. Diese Ausstattung entspricht grob dem „Lenkrad“ eines Flugzeugs kleinen bis mittleren Formats. Große Linienflugzeuge und Jumbos steuert man inzwischen per Joystick, was aber niemanden davon abhalten sollte, auch ein großes Flugzeug per Steuerhorn durch die virtuellen Lüfte zu dirigieren.
Viel Blingbling für viele Funktionen
Einmal eingeschaltet, konkurriert das Gerät erfolgreich mit jedem Weihnachtsbaum. Etliche LEDs glühen in diversen Farben und heben sämtliche Steuerelemente hervor. Sieht zuerst nach Spielerei aus, aber wenn man das Zimmerlicht für einen virtuellen Nachtflug dimmt, kommt angenehme Stimmung auf, zumal einige der LEDs auch eine Funktion haben werden. Irgendwann demnächst, angeblich wohl im Februar. Im Moment macht das SIP (Status Indicator Panel), das auf der Fläche hinter dem Steuerhorn angebracht wurde, nämlich noch keine Anstalten, den Zustand des Flugzeugs zu vermitteln. Alle Anzeigen bleiben im Moment noch einfarbig.
Nach einem der bald anstehenden Firmware-Updates soll es aber so kommen, dass sie bei erhöhter Belastung, bei nicht eingefahrenem Fahrwerk in der Cruise-Phase und bei anderen Gelegenheiten als Warnsignal aufleuchten. Anhand zweier einklemmbarer Folien habt ihr die Wahl, welche Statusanzeigen ihr angezeigt bekommen möchtet. Auch auf der Xbox.
Das ist gerade auf Konsolenseite eine sehr erfreuliche Nachricht, denn abseits der zehn frei programmierbaren Knöpfe auf dem Quadrant-Modul beweist auch das SIP die Tauglichkeit des Xbox-Controller-Protokolls für Funktionen jenseits der Standard-Buttons. Hersteller von Lenkrädern (für Rennspiele) kämpfen schon seit Ewigkeiten gegen Microsofts stoische-Controller-Programmierung, welche Entwicklern im Gegensatz zum PlayStation-Gegenstück so gut wie gar nicht entgegenkommt. Das VelocityOne Flight Steuerhorn erleichtert derweil die Bedienung einer ganzen Menge Funktionen, die man mit einem normalen Controller nur sehr umständlich oder im schlimmsten Fall gar nicht erreicht. Hip hip hurra, es geht also doch!
Da solche Funktionen abhängig des gewählten Flugzeug-Typs unterschiedlicher nicht sein könnten, stehen sogar mehrere Profile zur Verfügung, die man mithilfe des kleinen LCD-Screens, das auf dem Steuerhorn sitzt, auswählt. Daran gibt es nichts auszusetzen, außer dass der Screen vielleicht ein wenig größer sein könnte.
So oder so muss man sich mit dem kleinen Bildschirm auseinandersetzen, denn nur dort schaltet man zwischen der Xbox- und der PC-Funktionalität um, bestimmt Farben und Leuchtkraft der LEDs (die man auf Wunsch auch ganz deaktivieren darf) oder startet händisch eine Stoppuhr für die freie Navigation nach klassischem Schema. Eine Prüffunktion erlaubt sogar die Abfrage der Feuerknopf-Funktionen anhand des Bildschirms. Wow! Dieses Steuerhorn deckt so ziemlich alle Funktionen ab, die man sich wünschen kann.
Höhen und Tiefen
Schade nur, dass man sich schon beim Einschalten des Flight Simulator beim Kopfkratzen erwischt. Wie kann es sein, dass ein Gerät mit acht Steuerachsen alles Erdenkliche in einem virtuellen Flugzeug verrichten kann, aber beim Menü des Spiels versagt? Für das Dirigieren des virtuellen Cursors im Hauptmenü benötigt man weiterhin eine parallel angeschlossene Maus oder einen normalen Xbox-Controller, egal ob auf dem PC oder auf der Konsole. Ehrlich jetzt?
Und wenn wir schon bei negativen Punkten sind, können wir den zweiten auch gleich aus dem Weg räumen. Es geht um die Vierfach-Schubhebel-Kombination für die Motoren, die viel zu leichtgängig ist. Da kann es keine zwei Meinungen geben, denn sie fühlen sich derart leichtgängig an, dass sie wahrscheinlich nach ein paar Jahren Abnutzung von selbst auf die Nullposition fallen. Dieses Detail wird garantiert zu einer Zielscheibe für Modder werden. Eigentlich schade, denn deren Reichweite, Ergonomie und Funktionsumfang ist gut. Siehe etwa die Rückwärts-Schub-Stellung, die unterhalb der Nullstellung eingerastet werden kann. Dank mitgelieferter optionaler Griff-Kappen dürft ihr sie auch farblich trennen.
Hoffentlich wird zumindest das (arg sinnlos wirkende) Problem der Menüsteuerung noch mit einer Firmwarelösung überbrückt, denn in allen anderen Belangen erfüllt VelocityOne Flight alle Erwartungen mit Bravour. Fliegen macht dank der feinfühligen Steuerung mordsmäßig viel Spaß. Die Widerstände beim Lenken fühlen sich genau richtig an und bei seiner Ergonomie lässt das Gerät keine Zweifel zu. Auch das großzügig angelegte, sehr präzise justierbare Trimmrad gehört zweifellos zu den Highlights des VelocityOne Flight. Wären die Schubregler doch nur halb so gut…
Nun, der ein oder andere Purist mag sich an der etwas steifen Mittelstellung der Pitch-Kontrolle stören, die bei PC-erprobten Konkurrenzmodellen wie etwa dem Honeycomb Alpha einen weicheren Übergang hat, aber das sind Geschmacksnoten, über die man sich streiten kann, ohne jemals auf ein allgemeingültiges Urteil zu kommen.
Diskussionen darüber dürften schon bald unter Konsoleros anstehen, denn auch ein Honeycomb-Steuerhorn mit Xbox-Unterstützung soll im ersten Quartal 2022 erscheinen. Ganz zu schweigen von einem imposanten Hotas-Joystick. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Nun, der VelocityOne Flight kann dank seines modularen Aufbaus im Laufe der Zeit erweitert, beziehungsweise abgewandelt werden. Womöglich könnte noch ein Modul mit besseren Schubreglern und einem Port für Pedale erscheinen. Was Turtle Beach abgeliefert hat ist jedenfalls vielversprechend und könnte die Basis für ein echtes Enthusiasten-Must-Have werden.
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