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Special - 25 Jahre Tomb Raider : Happy Birthday, Lara Croft!

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Digitales Sexsymbol für pubertierende Gamer oder feminines Vorbild als Vorreiter der Gleichberechtigung? Lara Croft war beides zugleich und doch keines davon so richtig. Ambivalenter geht es nicht, doch gerade deswegen gehört sie zu jenen drei Ikonen der Videospiel-Landschaft, die so ziemlich jeder auf der Welt kennt. Die anderen beiden heißen Pac-Man und Super Mario. Mit einem revolutionären Action-Adventure setzte das kleine, gerade mal sechs Mitarbeiter umfassende Studio Core Design vor 25 Jahren den Grundstein für die Videospiel-Landschaft, wie wir sie heute kennen. Und so gratulieren wir von Herzen: Happy Birthday, Tomb Raider!

Lara Croft ist zweifellos die wichtigste Ikone der modernen Videospiel-Kultur und darüber hinaus. So berühmt und einflussreich Super Mario in seiner Laufbahn gewesen sein mag, er wäre niemals als Vermittler zwischen den Medien ernstgenommen worden. Laras Konterfei glänzte derweil auf dem Cover von Frauenzeitschriften. Zumindest im Kern vermittelte sie ein modernes Frauenbild, das dem Action-Kino mit inzwischen drei Filmen gerecht wurde und ballerte den Punk-Barden Die Ärzte im Musikvideo zur Hit-Single „Männer sind Schweine“ das glühende Blei um die Ohren. In einem Zeitalter, in dem branchenüblich Jungs und junge Männer als Zielgruppe fixiert wurden, brachte Lara Frauen und Mädchen ans Joypad, ohne das männliche Geschlecht zu vergraulen. Reife Leistung!

Trotzdem war sie keine Heldin des Feminismus. Sie wurde gerne mal dazu erkoren, wenn es Werbepartner und Nachrichtenagenturen für nötig hielten. Was bizarr erscheint, wenn man sich vor Augen führt, dass ihre Schöpfer von Core Design keine Gelegenheit ausließen, ihr das gegenteilige Image anzuheften. Ihr Erscheinungsbild als kantiges Low-Poly-Sex-Symbol mag heute lächerlich wirken, war damals aber todernstes, durchkalkuliertes Marketing. Beide Image-Varianten der vollbusigen Engländerin waren erfolgreich. Erstaunlicherweise erreichte der Cringe-Faktor ihrer schamlos auf Teenager fixierten Übersexualisierung zur Jahrtausendwende seinen Höhepunkt - etwa zur gleichen Zeit wie ihr Wirkungsgrad als selbstbestimmtes Frauenbild einer neuen Generation. Man könnte meinen, hier sei die Quadratur des Kreises geglückt.

Indiana Croft

Eine Entwicklung, die ihrem Designer Toby Gard sehr missfiel. Er entwarf Lara Croft zwar als starke, emanzipierte Frau, doch unterm Strich war sie nur Indiana Jones in weiblich. Buchstäblich, denn das britische Studio Core Design wollte ursprünglich einen männlichen Helden mit Hut und Peitsche in verstaubte Pixel-Gruften schicken. Das wäre wohl so gekommen, hätte Eidos Interactive nicht die kleine Softwareklitsche erworben. Deren Anwälte wuchsen angesichts möglicher Urheberrechtsklagen graue Haare, wodurch ein Neudesign nötig wurde. Die Geburt der zukünftigen Ikone Lara Croft war also nicht mehr als eine aus der Not geborene Maßnahme.

So ist das eben manchmal. Wie Super Mario nur deswegen einen Schnauzbart trägt, weil sein Pixelsprite in Donkey Kong nicht detailliert genug gezeichnet werden konnte, um einen Mund zu visualisieren, so war Lara Croft eine toughe weibliche Abenteurerin, weil sie angesichts des Spielinhalts notwendigerweise robust und ebenso belastbar sein sollte wie Indiana Jones. Wenn sie durch dreckige Pyramidengräber und staubige antike Tempel klettern, ja Bären, Dinosauriern und lebenden Mumien mit Pistolen den Garaus machen sollte, durfte sie keine Prinzessin sein, deren lange Fingernägel abzubrechen drohten.

Aber war das denn so neu? Nun, Lara war keineswegs die erste starke Heldin der Videospielwelt. Andere kamen ihr zuvor, etwa Samus Aran aus Metroid, Chun Li aus Street Fighter 2 oder Terra aus Final Fantasy 6. Doch Lara Croft umgab eine Aura der Abgebrühtheit, die nicht von Ungefähr kam. Schließlich gehörte Core Design zu jenen Entwicklern, deren frühen Erfolge im Homecomputer-Segment lagen und schon dort mit kantigen, frechen Charakterentwürfen brillierten. Siehe etwa der prähistorische Anti-Held Chuck Rock oder der schnittige Grabräuber Rick Dangerous.

Segas Einfluss

Noch gravierender dürfte allerdings die Nähe zu Sega gewesen sein. Core stand nicht unter Segas Fittichen wie einst Rare bei Nintendo, aber als einer der engsten Verbündeten lernten die sechs Designer vieles beim damaligen Konsolen-Hersteller. Vornehmlich technische Kniffe im Umgang mit Konsolen, aber auch Segas Designphilosophie, die sich durch moderne, ja teils gewagte Stilblüten auszeichnete. Dies würde sich als einer von zwei Faktoren herausstellen, die dem Erfolg von Tomb Raider zugrunde lagen.

Der zweite lag in der Technik des Spiels. Aufgrund der Nähe zu Sega erschien Tomb Raider am 25. Oktober 1996 für den Sega Saturn und genoss dort einen Monat Zeitexklusivität. Tatsächlich entwarf Core Design Laras erstes Abenteuer entsprechend der Stärke des 32-Bitters, was man an der Struktur der Level erkennt. Während die PlayStation und andere frühe Maschinen mit hardwareseitiger 3D-Beschleunigung auf dreieckige Polygone vertrauten, arbeitete der Saturn mit sogenannten Quads, also viereckigen Polygonen. So ergab das Leveldesign mit seinen berühmten durchgängigen Würfelelementen und quadratischen Oberflächen Sinn. Es auf die PlayStation und den PC zu übertragen, war leicht und geschah simultan.

Zum Glück für alle, denn Segas Saturn kam im Westen nicht so recht in die Gänge. Nach dem wenig ruhmreichen Ende der Mega-Drive-Ära mit den Ladenhütern Mega CD und 32X lag der Saturn wie Blei in den Regalen. Selbst der einmonatige Vorsprung von Tomb Raider verschaffte dem 32-Bitter keinen Schub. Eine anhaltende Saturn-Exklusivität hätte womöglich die Serie begraben.

Ganz anders kam es bei der Konkurrenz. Die Marken Tomb Raider und Playstation befruchteten sich in mehrfacher Hinsicht gegenseitig. Sonys Konsole hatte dank Blockbustern wie Ridge Racer, Resident Evil und Tekken früh die Marktführung übernommen und glänzte mit einem jugendlichen, peppigen Marketing ohne Altlasten. Der moderne Anstrich von Tomb Raider passte hervorragend in das Portfolio, und so half die Playstation den Verkäufen von Tomb Raider, während Tomb Raider im Gegenzug die Verbreitung der PlayStation forcierte. Erstaunlicherweise blieb der PC von dieser Begeisterungswelle unberührt. Auf den Rechnern war Cores Abenteuern durchaus beliebt, aber anfangs kein Mega-Hit. Das sollte sich erst mit der Einführung der Voodoo-3D-Beschleuniger ändern, die der blockigen Grafik erstmals Texturfilter spendierten.

Träger würde dennoch weiterhin die Playstation bleiben. Das Spiel wurde zum hochgradigen Systemseller, der sowohl gegenwärtige Konkurrenz in Schach hielt als auch zukünftige. Sony hatte einen hervorragenden Start hingelegt, aber die größte Prüfung stand den Japanern noch bevor: das Nintendo 64, das bis dahin nur in Japan erhältlich war.

Sparsame Technik für absolute Bewegungsfreiheit

Eine Ironie des Schicksals: Die Stärke des Sega Saturn verhalf Tomb Raider – und damit auch Sony – zum Sieg über Nintendo, deren Ass im Ärmel Super Mario 64 sein sollte: das erste 3D-Spiel mit absoluter Bewegungsfreiheit, also ohne Levelschläuche und enge Räumlichkeiten, wie man sie aus Doom und Konsorten kannte. Klingt heute trivial, war aber 1996 unerhört, und so prahlte Nintendo zu diesem Zeitpunkt noch unverfroren, dergleichen sei technisch nur auf dem Nintendo 64 machbar. Core Design bewies schon auf dem erheblich schwächeren Sega Saturn das Gegenteil. Ja, das Quader-Design der Spielumgebung hatte schon damals Baukasten-Flair und würde in den kommenden Jahren viel Angriffsfläche für Kritik bieten, der spielerische Vorteil war jedoch der historisch ausschlaggebende.

Super Mario 64 mag Tomb Raider zuvorgekommen, ja sogar schneller und pfiffiger gewesen sein, aber Cores Action-Adventure nahm der Exklusivität des angeblichen Nintendo-Features den Wind aus den Segeln. In gewisser Weise war Lara wie Sonic the Hedgehog in der 16-Bit-Ära. Kein direkter Mario-Konkurrent, aber ein Beweis, dass es anders ging, als Nintendo es vorgab. Auf deutlich schwächerer Hardware, und nicht zuletzt ansprechender für eine ältere Zielgruppe.

Tomb Raider hatte also beides: eine akrobatische Heldin mit modernem, zackigem Design (deren üppige Oberweite einen zusätzlichen viralen Werbeeffekt bescherte) und einen spannenden Spielinhalt, der dank offener, frei begehbarer Spielumgebungen Spannung versprach. Oberflächlich betrachtet, wäre das genug gewesen, um einen beachtlichen Action-Adventure-Verkaufsschlager in die Ladenregale zu bringen.

Ein Blick aufs Detail verrät, dass noch viel mehr dahintersteckte. Angefangen beim spärlichen Soundtrack, der nur dann einsetzte, wenn es spannend wurde. Stille generierte eine wohltuende Einsamkeit in den Tiefen der Katakomben, die bei gedämmtem Licht knisternde Atmosphäre erzeugte. Abenteuerlust und die Motivation, das Unentdeckte auf sich wirken zu lassen, verquirlte mit dem Nervenkitzel immanenter Gefahr. Trittfallen, brüchige Bodenplatten, Stachelgruben, Giftpfeile, die aus den Wänden schossen … Gefahrenquellen, die ein gutes Auge und noch bessere Reflexe verlangten, obwohl die Bewegungsgeschwindigkeit des Abenteuers schon damals nur als gemächlich beschrieben werden konnte.

Core Designs Gesamtkonzept widersprach der auf Teenager geeichten „zig Actionelemente pro Minute“-Philosophie, die in der 16-Bit-Ära das allgemeine Spieldesign dominierte. Es sprach reifere Spieler mit längerem Geduldsfaden an. Deswegen scheute Core die Darstellung expliziter, blutiger Tode nicht. Das markerschütternde Knacksen von Laras Knochen, wenn sie zu tief in einen Abgrund fiel, dürfte einigen Gamern von damals im Gedächtnis geblieben sein. Ein paar mystische Todesfallen im Indy-Stil bereicherten das Ganze. Etwa Tod per Blitzschlag in der Halle des Donnergottes Thor oder ein Verwandlungsaltar - quasi die Hand von Midas - der alles in Gold verwandelte. Im schlimmsten Fall auch Lara, die qualvoll zu einer übergroßen Goldstatue erstarrte.

Action-Adventures für Erwachsene

Sex-Appeal, Thrill und tolle Technik. Ein Blockbuster wie aus dem Lehrbuch. Und eine Gelddruckmaschine, wie sich bald herausstellen sollte. Tomb Raider gehörte zu einer Reihe von frühen Spielen, die Erwachsene ansprachen, ohne plakativ mit Blut und Brutalität werben zu müssen. Das Thema Grabplünderung an sich genügte schon, weil es unterschwellig ein Verständnis für historische Hinterlassenschaften implizierte, auch wenn es der eigens in den Raum geworfenen Prämisse aufgrund der Atlantis-Anleihen (inklusive einiger absurd gestalteter Fantasiemonster) gar nicht standhalten konnte.

Schade, dass es nicht bei diesem Ansatz blieb. Mit dem Segen von Eidos bastelte Core Design noch vor der Vollendung des ersten Teils an einem Nachfolger, der einige unverwirklichte Ideen ins Konzept einfädeln sollte. Wobei Eidos und Core es sehr eilig zu haben schienen. Gerade mal ein Jahr später stand bereits Tomb Raider 2 in den Startlöchern.

Weder das Marketing noch das Spielkonzept hielten die fein austarierte Balance des Erstlings. Katakomben und Gräber? Mystische Elemente? Feinfühlig platzierte Action-Passagen? Tomb Raider 2 tauschte diese Spielelemente gegen ein bleihaltiges Actionspektakel ein, in dem Lara gegen unerwartet viele menschliche Gegner antrat. Im Erstling waren es gerade mal sechs, in Teil 2 gefühlte Armeen. Trotz verbesserter Technik, der Einbindung von Fahrzeugen sowie neuer Klettertricks erreichte das Sequel nicht ganz die Qualität des Erstlings. Von einem schlechten Spiel zu sprechen wäre natürlich eine arge Übertreibung. Das Sequel war ein Hit bei der Presse und im Verkauf.

Lara-Designer Toby Gard verließ derweil Core, weil er der plumpen Vermarktung seiner Spielfigur als Polygon-Sexsymbol mit Mega-Busen nicht zustimmte. Tomb Raider mutierte innerhalb von zwei Jahren zu einem Industrieobjekt mit Massenfertigungs-Geschmäckle, was spätestens mit der Veröffentlichung von Teil 3 offensichtlich wurde. Obwohl Tomb Raider 3 wieder stärker das Grabräuber-Thema aufgriff, gelang die Rückkehr zum alten Format nicht so recht. Leicht generisches Leveldesign, völlig übertriebener Schwierigkeitsgrad mit erstaunlich vielen Trial-and-Error-Elementen und ein Grafikstil mit ersten Abnutzungserscheinungen kratzten am guten Image der Marke. Die Kassen klingelten trotzdem.

Tiefpunkt und neuer Triumph

Es war klar, dass es so nicht ewig weitergehen konnte. Der jährliche Veröffentlichungsturnus hinterließ seine Spuren. Nach fünf Ablegern hatte die Serie ihren einstigen Glanz verloren. Grafisch, spielerisch und nicht zuletzt in seiner Dynamik wurde Tomb Raider von anderen Marken in den Schatten gestellt. Geradezu lächerlich antiquiert wirkte beispielsweise die Dreamcast-Umsetzung von „The Last Revelation“, die Segas neuer Hardware in keinem Kriterium gerecht werden konnte. Auf dem PC zeigten Grafikbomben wie Quake 3 und Unreal (Tournament) zur Jahrtausendwende, wie schnell und dynamisch 3D-Umgebungen gerendert werden konnten. Ganz ohne Block-Struktur.

Core erahnte es schon beim vierten Teil und ließ Lara sogar sterben in der Hoffnung, die Reihe zu einem Ende zu bringen. Zur großen Enttäuschung seitens Eidos und der noch immer stimmgewaltigen Fangemeinde, die trotz (oder vielleicht gerade wegen) der Filmumsetzung mit Angelina Jolie in der Hauptrolle mehr von der toughen Heldin sehen und spielen wollte.

Also versuchte man es mit einem Reboot, in dem Lara Croft einer düsteren Version von James Bond nacheifern sollte. Der technische wie spielerische Reinfall von Tomb Raider: The Angel of Darkness begrub sämtliche Ambitionen, diesen Kurs weiter zu verfolgen. Macken in der Steuerung, unzureichende Programmierung und viele weitere Kleinigkeiten motivierten die Fachpresse zu vernichtenden Rezensionen. Obwohl Spielidee, Hintergrundgeschichte und die modernisierte Grafik Potenzial zeigten, verfehlte Core das Ziel.

Das Ende der Marke? Nun, zu diesem Zeitpunkt wurde Tomb Raider tatsächlich für tot erklärt. Aber Totgesagte leben bekanntlich länger. Das Studio Crystal Dynamics erhielt die Chance, ein Reboot zu entwerfen, das mit den Ablegern Anniversary, Legend und Underworld zu einer respektierten Trilogie heranwuchs, aber noch nicht an die frühen Erfolge anknüpfen konnte. Der Reboot der Jahre 2003 bis 2009 war schlichtweg zu weich und orientierte sich trotz moderner Spielstruktur noch zu sehr an den Originalen. Wobei das Vertrauen auf Quick-Time-Events (ein Trend seinerzeit) im Nachhinein betrachtet mehr Schaden als Nutzen hinterließ.

Erst als Square-Enix durch den Erwerb von Eidos im Jahre 2009 in die Marke investierte, wendete sich das Blatt. Ein paar coole Top-View-Action-Spiele hielten Fans bei der Stange, während Crystal Dynamics das komplette Konzept auf den Kopf drehte. Aus der einst vollbusigen, abgebrühten Klischee-Abenteuerin wurde eine unerfahrene, verletzliche und ernstzunehmende Frau, die unfreiwillig durch die Hölle ging. Schon der erste E3-Trailer ging dank seiner exzellenten Choreografie durch die Decke. Horror- und Actionkino vereinten sich zu einem interaktiven Grafikinferno, das zu dieser Zeit keiner für realisierbar hielt. Doch Square-Enix und Crystal Dynamics hatten einen Weg gefunden, Lara Croft wieder zu einer relevanten Spielfigur zu machen, und das Endergebnis enttäuschte keinesfalls.

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Nicht, dass Tomb Raider 2013 von Anfang an alles richtig gemacht hätte. Rezensenten wie auch Spieler lachten unfreiwillig angesichts Laras Gefühlsausbrüchen, die sie beim Töten eines Rehs weinen ließen, aber keine Gewissensbisse beim Meucheln und Morden etlicher Menschen bescherten. Doch die allgemeine Richtung stimmte, sodass die gesamte neue „Survivor-Trilogie“ dasselbe hohe Ansehen genießt wie das das Original aus dem Jahr 1996. Hoffentlich kommt noch viel mehr, denn mit 25 Jahren ist Lara im besten Alter!

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