Test - The Wolf Among Us: Smoke & Mirrors : Die Ruhe vor dem Sturm?
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Es ist schon mutig, sich nach dem tollen The Walking Dead eine hierzulande eher unbekannte Comic-Lizenz zu schnappen und dazu ein Spiel zu produzieren, das sich spielerisch nur wenig vom vorherigen Titel unterscheidet. Doch die positive Resonanz gibt den Entwicklern recht. Auch The Wolf Among Us entpuppt sich als überaus faszinierendes Abenteuer. Kann die zweite Episode die Spannung aufrechterhalten?
Es ist gar nicht so einfach, einen Test zu der zweiten Episode eines Spiels zu verfassen, ohne aus Versehen Teile der Geschichte zu verraten. Aber wir geben uns Mühe, denn natürlich gibt es Spieler, die den ersten Teil noch nicht hinter sich haben oder darauf warten, bis endlich alle Episoden verfügbar sind, um es in einem Stück durchzuspielen. Die Kurzform zur Erinnerung: The Wolf Among Us ist eine Umsetzung der Fable-Comic-Reihe. Ihr übernehmt die Rolle des Bigby Wolf, der als Ermittler bei einer ganz besonderen Polizei arbeitet.
Diese kümmert sich nämlich um die Belange der Fables. Das wiederum sind Märchenwesen wie Schneewittchen, Ichabod Crane und viele andere, die getarnt unter den normalen Menschen leben. Der brutale Mord an einer Fable zieht Bigby in eine skurrile und düstere Geschichte und endete in der ersten Episode mit einem Knalleffekt. Nach der obligatorischen Zusammenfassung der Ereignisse findet sich Bigby im Verhörraum der „normalen“ Polizei wieder. Doch eine Wendung führt dazu, dass er wieder voll in die Mordermittlung einsteigen kann und weiteren Spuren nachjagt, nicht ohne immer tiefer in die Abgründe eines bizarren Mordes vorzudringen.
Mehr können wir schon gar nicht mehr schreiben, ohne Details zu verraten. Spielerisch wird natürlich der Stil der ersten Episode beibehalten. Sprich, es gibt wenig Spiel. Einige Quick-Time-Action-Sequenzen, einige Untersuchungen und Interaktionen mit offensichtlich markierten Objekten. Dafür aber jede Menge toll geschriebener und noch besser gesprochener Dialoge mit überaus interessanten Figuren, wenn auch derzeit nur auf Englisch mit gleichsprachigen Untertiteln. Dabei fällt erneut auf: Die Emotionen und Persönlichkeiten werden trotz oder gerade wegen des tollen Comic-Stils ungemein glaubwürdig und sehenswert umgesetzt, was auch für die stilistisch wundervoll gestalteten Umgebungen gilt. Das ist eine Kunst, die Telltale mittlerweile wirklich bemerkenswert gut beherrscht.
Niemals hat man das Gefühl, dass die Figuren aus dem 08/15-Handbuch der Entwicklung von Spielcharakteren stammen. Sie wirken ungemein glaubwürdig, die Dialoge veranlassen einen dazu, über jede Aktion und jede Äußerung nachzudenken, was nicht einfach ist, da Antworten wie üblich ein Zeitlimit haben und manchmal sogar das Schweigen eher zum Ziel führt. Und man weiß nie so recht, welche Auswirkungen die eigenen Aktionen und Reaktionen haben. Verprellen wir vielleicht einen wertvollen Informanten? Verprügeln wir vielleicht den Falschen? Verhindert eine Aktion vielleicht sogar den finalen Erfolg? Wir wissen es nicht, aber eben diese Ungewissheit macht einen enormen Reiz aus.
Dazu kommt eine überraschende Tiefsinnigkeit. Die Fables leben trotz aller Tarnung und Herkunft im Sumpf der Stadt. Verbrechen, Prostitution – alles an der Tagesordnung, und zwar so, dass es einem zu denken gibt. Die Allegorie des Daseins der „Andersartigen“ in der menschlichen Gesellschaft ist unübersehbar, ebenso wie die Gleichgültigkeit untereinander. Dazu noch ein gehöriges Maß an Ironie und trockenem Humor, beispielsweise wenn Bigby mit der Zigarette im Mund vor dem Cola-Automaten steht und „This shit can kill you“ skandiert. Das ist großartiges Erzählen und da verzeiht man gern, dass spielerisch im Grunde nicht viel geboten wird.
Umso mehr fasziniert es, wenn man nun als Bigby, alias Böser Wolf, vor der Entscheidung steht, sensibel und menschlich vorzugehen oder seinen wölfischen Ursprüngen zu folgen und irgendwann im Verlauf des Spiels vor die Konsequenzen gestellt zu werden. Telltale gelingt damit erneut etwas, wozu bisher verdammt wenige Spielentwickler fähig waren. Nämlich Emotionen von glaubwürdigen Charakteren dem Spieler zu vermitteln und dessen Handlungsweise zu hinterfragen, mitunter mit überraschenden Ergebnissen. Und wir müssen wohl kaum erwähnen, dass auch die zweite Episode mit einem dicken Cliffhanger endet. Wenn auch leider bereits nach etwas mehr als einer Stunde, Smoke & Mirrors ist elendig kurz geraten.
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