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Test - The Thaumaturge : Test: Eigenwilliges Rollenspiel aus Polen

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Fool’s Theory gibt es noch nicht so wahnsinnig lange. Das Studio wurde 2015 von Jakub Rokosz gegründet und der war unter anderem als Senior Quest Designer an mehreren Witcher-Titeln bei CD Projekt RED beteiligt. Neben Unterstützungsarbeit für mehrere große Rollenspiele gab es mit Seven: The Days Long Gone im Jahr 2017 bereits einen Achtungserfolg. Zudem arbeitet Fool’s Theory derzeit am Remake von The Witcher. Mit The Thaumaturge steht nun aber zunächst der Release des zweiten Spiels des Studios an und das könnte genau das Richtige für Fans des Iso-Rollenspielgenres sein, zumal es bereits ab 34,99 Euro zu haben ist.

Ah, endlich mal ein Setting, das uns noch nicht aus dem Hals heraus hängt, und damit sammelt The Thaumaturge schon direkt den ersten Pluspunkt. Das Spiel versetzt uns nämlich aus der Iso-Perspektive ins Warschau des Jahres 1905, geprägt von Armut, Verbrechen, Korruption, und natürlich der damaligen Zarenherrschaft nebst den zugehörigen Konflikten rund um die russische Revolution. Einige Themen werden im Spiel konkret aufgegriffen, wie die Warschauer Streiks oder auch die Konflikte innerhalb der Bevölkerung.

Mitten drin steckt Wiktor Szulski, seines Zeichens ein Thaumaturg, dessen Künste hier ganz eigen interpretiert werden. Prinzipiell ist er eine Art Magier, der dank seines übernatürlichen Begleiters, einem sogenannten Salutor, Gefühle und Erinnerungen wahrnehmen kann, um daraus Rückschlüsse und Folgerungen zu ziehen. Salutoren hingegen sind quasi Geistwesen, die mit menschlichen Lastern zu tun haben. Nur Thaumaturgen können diese Wesen sehen, zähmen und für sich nutzen, beispielsweise indem sie in Kämpfen eingreifen oder den Willen von Menschen manipulieren.

Doch Wiktor hat ein Problem: er kann seinen ganz persönlichen Salutor nicht mehr wahrnehmen, was ihm den Großteil seiner Macht raubt. In einem kleinen Kaff in Russisch-Polen stößt er auf den Heiler Rasputin (ja, genau der), der Wiktor von seinen Problemen befreit. Das gibt euch direkt die Gelegenheit, in dem Dorf einen Mord aufzuklären und damit erste Gehversuche mit euren Ermittlungs- und Kampffertigkeiten zu machen. Natürlich gelingt die Aufklärung, aber dann gerät Wiktor in weitere Schwierigkeiten.

Er erhält die Nachricht, dass sein ungeliebter Vater, ebenfalls ein Thaumaturg, verstorben ist und begibt sich nach Warschau, um an der Beerdigung teilzunehmen, seine Schwester Ligia zu treffen und sich, soweit nötig, um den Nachlass zu kümmern, zu dem auch ein schwarzes Grimoire gehört, das Wiktor gern in seinen Händen hätte. Der Besuch in Warschau ist der Auftakt einer interessanten und wendungsreichen Story, die euch rund 25 bis 30 Stunden auf Trab hält, wollt ihr alle drei Enden erleben, jeden Dialog hören und jede Nebenaufgabe mitnehmen.

Die Story macht Laune, greift sie doch viele Elemente des damaligen Warschaus auf, von der russischen Besatzung über den erstarkenden Sozialismus, Streiks, kulturelle Konflikte, oder auch die aktuellen Zustände in der Stadt. Mal mystisches Abenteuer, mal zeitgenössischer Roman, mal Detektivstory – The Thaumaturge hat einiges zu bieten und garniert dies auch noch mit unzähligen Entscheidungen. Und sogar das Laster von Wiktor, nämlich sein Stolz, kann eine Rolle spielen, wenn ihr es ordentlich füttert.

Allzu dramatische Änderungen am Storyverlauf solltet ihr, abgesehen von drei Hauptenden, nicht unbedingt erwarten. Aber, wie sich bei einem zweiten Durchlauf zeigte, gibt es unzählige interessante Nuancen und Variationen in den Dialogen und Interaktionen, aber durchaus auch einige Szenen, die ihr nur durch bestimmte Entscheidungen erleben könnt. Dadurch hat The Thaumaturge einen ordentlichen Wiederspielwert, zumal euch im späteren Spiel durch frühere Entscheidungen so einige Dialogoptionen und Aktionen sichtbar verwehrt werden. Das „was wäre wenn“ motiviert durchaus zum erneuten Spielen.

Ein wesentliches Spielelement ist Wiktors Tiefenblick, der nicht nur als Navigationshilfe zum nächsten Questziel fungiert, sondern auch euer Tool für die Spurensuche ist. Einmal benutzt, hebt er etwaige wichtige Hinweise in der näheren Umgebung hervor, sodass ihr sie untersuchen könnt. Quasi so ein bisschen ein Detektivmodus Light. Wir erinnern uns: Wiktor hat die Fähigkeit, an Objekten vergangene Erinnerungen oder Emotionen wahrzunehmen, die anderen verborgen bleiben.

Meist gehören mehrere Hinweise oder Spuren zusammen, die Wiktor mit seinen Fähigkeiten interpretieren kann. Die kurzen Texte zu den gefundenen Emotionen und Erinnerungen sind übrigens sehr lesenswert. Hat Wiktor alle Teile eines solchen Rätsels beisammen, kommt er zu einer Schlussfolgerung, welche seine Aufgabe letztendlich löst, oder zumindest voran bringt. Im Grunde erlebt ihr also eine Art erzählerische Schnitzeljagd quer durch Warschau. Wie ihr eure Schlussfolgerungen und Informationen dann nutzt, bleibt oft euch überlassen.

Wenn man The Thaumaturge eins vorwerfen kann, dann ist es, dass abseits von Dialogen, Kämpfen und besagter Spurensuche kaum andere Mechaniken zum Einsatz kommen, was dem einen oder anderen eventuell spielerisch zu wenig sein mag. Und die Spurensuche wird derart stark unterstützt, dass sie einem wahrlich kein Kopfzerbrechen bereiten kann. Der Fokus liegt klar auf den erzählerischen Elementen und den Dialogen. Beim Zocken fühlten wir uns unwillkürlich so einige Male an Disco Elysium erinnert und das ist nun wahrlich nichts schlechtes.

Neben der Hauptstory und einigen Nebenquests, die sich zum Teil um Charaktere aus Wiktors Umfeld oder gar Wiktors Vergangenheit drehen, gibt es noch weitere Aktivitäten. So sammelt ihr für einen Schneider Modeplakate und Magazine, was nach und nach euren Kleiderschrank füllt. Zudem gibt es in allen Stadtteilen versteckte Hinweise, die nach Komplettieren und Schlussfolgern zu bestimmten Örtlichkeiten führen, was euch vor allem Erfahrungspunkte bringt. Und es gibt Sehenswürdigkeiten zu entdecken, was sich ebenfalls lohnt, da Fool’s Theory die Stadt mit ungemein viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt hat.

Die Entwickler haben sich dafür für die Unreal Engine 5 entschieden, was man dem Spiel nicht auf den ersten Blick ansehen mag. Die Liebe zum Detail der Umgebungen ist aber schon fast unverschämt groß. Beim Besuch einer Kathedrale sind uns fast die Augen übergangen, weil jede Gitterverzierung, jedes Fenster und jedes Gemälde bis ins kleinste Detail dargestellt wird. Aber auch die Atmosphäre der verschiedenen Stadtviertel wird genial eingefangen und macht die zahlreichen Wege durch die Stadtviertel zu einem Erlebnis. Übrigens sind die Stadtviertel stilecht durch Tram und Kutsche verbunden – Warschau ist keine offene Spielwelt, jedes Viertel ist quasi ein Level für sich.

Wie zu vermuten, verfügt The Thaumaturge über unzählige Dialoge mit verschiedenen Entscheidungs- und Interaktionsmöglichkeiten. Visuell fällt das Spiel dabei aber etwas ab. Zwar ist die grundsätzliche Gestaltung der Charaktere durchaus ansprechend, aber Mimik und Gestik wirken doch ein wenig arg hölzern. Sicherlich muss man zugestehen, dass Fool’s Theory kein AAA-Studio ist und von daher lässt sich das wohl noch verschmerzen. Zumal die Dialoge generell gut in Szene gesetzt, gut vertont und sauber geschrieben sind. A propos vertont: deutsche Sprachausgabe gibt es nicht, ihr müsst euch daher mit englischer Sprache und deutschen Untertiteln zufrieden geben.

Erfreulich ist, dass Fool’s Theory sich nicht davor gescheut hat, moderne Technologien einzubauen. So findet ihr in den Optionen unter den Skalierungsmöglichkeiten sowohl DLSS als auch AMD FSR2 und XESS. Bei DLSS und FSR kommen zudem die Frame-Generation-Techniken der beiden Hersteller zum Einsatz. Ganz rund läuft das Spiel allerdings nicht immer, zumindest nach dem Transfer in ein anderes Gebiet kann es mal eine Sekunde dauern, bis alle Texturen geladen sind (trotz M.2 SSD) und das Spiel ruckelfrei weiterläuft.

Eure stetigen Begleiter, die Salutoren spielen natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Zu Beginn verfügt ihr nur über euren schweigsamen Stammbegleiter Upyr, aber nach und nach könnt ihr bis auf insgesamt acht Salutoren aufstocken. Selbige erhaltet ihr im Rahmen von Quests, wenn ihr sie dem ursprünglichen Träger, bei dem sie sich als Laster ausdrücken, abnehmen könnt (aber nicht müsst). Die Salutoren stehen in enger Verbindung mit den vier Attributen eures Wiktor, nämlich Herz, Hirn, Hand und Zunge, die ihr nach und nach aufstocken könnt, um damit neue Angriffe und Modifikatoren freizuschalten.

Eure Salutoren stehen euch auch in den rundenbasierten Kämpfen zur Verfügung, wobei ihr tatsächlich auch alle nutzen könnt. Sie verfügen über zumeist magische oder physische Attacken und haben die Fähigkeit, Buffs von Gegnern zu beseitigen. Hinzu kommen interessante Synergien zwischen den Salutoren-Skills und Wiktors eigenen Angriffen. Erzeugt ihr beispielsweise mit „Gepeinigt“ Schaden über Zeit, so kann der Salutor Bukavac einen Angriff durchführen, dessen Schaden höher ist, je mehr Gegner über den „Gepeinigt“-Debuff verfügen.

Vor allem die Kämpfe gegen noch nicht gezähmte Salutoren und auch einige Bosse sind ganz schön anspruchsvoll, es lohnt sich also, sich zuvor mit den eigenen Möglichkeiten zu beschäftigen. Zumal ihr eure Angriffe modifizieren könnt, sodass fast schon ein wenig Build-Crafting mit ins Spiel kommt. Zudem lohnt es sich, im Auge zu behalten, welche Debuffs und Schwächungen auf Wiktor während des Kampfes gewirkt werden. Sich mit dem eingehenden Schaden zu verrechnen, kann ganz böse in die Hose gehen. Während des Kampfes hält euch eine Leiste am oberen Rand über die kommenden Aktionen auf dem Laufenden, sodass ihr zumindest eine Idee habt, was auf euch zukommt.

Vor dem eigentlichen Kampf habt ihr aber immer die Möglichkeit, eure Fertigkeiten noch anzupassen, sprich ein „Verskillen“ ist kaum möglich. Wer nicht so recht Lust hat auf die kniffligen Fights, kann natürlich auch den Schwierigkeitsgrad auf „Story“ runter stellen und sollte bei den meisten Kämpfen keine allzu großen Probleme bekommen. Und selbst wenn: das Spiel legt automatisch vor einem Kampf einen Spielstand an. Der Fokus von The Thaumaturge liegt aber klar auf der erzählerischen und moralischen Seite und auf den einen oder anderen Kampf könnte man durchaus auch gern verzichten.

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