Test - Stellar Blade : Test: Eine Action-Perle mit einem gewissen Geschmäckle
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Auf den ersten Blick wirkt Stellar Blade wie eine Fusion aus Bayonetta und NieR: Automata, hinter der stylischen Fassade verbirgt sich aber deutlich mehr. Das Spiel wirft Fragen über das Menschsein auf, bedient sich gehörig beim beliebten Souls-like-Genre und vermischt Cyberpunk-Elemente mit klassischen dystopischen Versatzstücken. Ein in sich stimmiger Mix also, der durch eine große Stil-Entscheidung aber nicht nur Anklang finden dürfte.
In Stellar Blade schlüpft ihr in die knappen Latex-Anzüge der Androiden-Dame Eve. Die Menschheit wurde in einer fernen Zukunft von der Erde vertrieben, hier herrschen nun die Naytibas. Diese Monster fallen mindestens ebenso unansehnlich wie gefährlich aus und leiden unter heftigen Mutationen.
Entsprechend zogen sich die Homo Sapiens in eine Weltraumkolonie zurück, jedoch nicht ohne Rachegelüste. Sogenannte Landungstrupps sollen den blauen Planeten zurückerobern, und zu diesem zählt auch ihr. Doch die erste Mission läuft alles andere als rund und eure Freundin Tachy wird gnadenlos von einem Naytiba zerfleischt. Für Trauer bleibt aber keine Zeit, schließlich erledigt sich die Mission nicht von selbst.
Mit Schwert und Drohne
Stellar Blade orientiert sich optisch ganz offensichtlich an Hack-and-Slay-Größen wie NieR: Automata und Bayonetta, das Gameplay hingegen leiht sich vielmehr Elemente von Souls-likes wie Sekiro und Lies of P. In die Kämpfe zieht ihr mit Eves treuem Schwert und reiht schnelle und starke Angriffe zu mächtigen Kombos aneinander. Dabei werdet ihr von keinem Ausdauerbalken ausgebremst. Erfolgreiche Treffer füllen außerdem die Beta-Leiste, dank der ihr mächtige Spezialskills ausführt, die nicht nur jede Menge Schaden verursachen, sondern auch die Schilde eurer Feinde senken. Sind diese erst mal gebrochen, bewirken eure Angriffe noch mehr und die Naytibas sind kurzzeitig betäubt. Doch Vorsicht, auch Eve verfügt über ein Schild, das die Gegner durchstoßen können.
Freilich haut ihr nicht nur kräftig drauf, es gilt auch, die einprasselnden Angriffe abzuwehren: entweder durch klassische Blocks, die aber noch ein wenig Schaden durchlassen, oder, was sich als deutlich effektiver erweist, eine gut getimte Parade, die nicht nur euren Lebensbalken schützt, sondern auch die Haltung eures Gegenübers reduziert. Nach genügend abgewehrten Attacken öffnet sich die Gelegenheit für einen mächtigen Finisher. Im Spielverlauf schaltet ihr mit den Schubkräften noch ein zweites Set an Spezialangriffen frei, die ihr eben durch Paraden und perfekte Ausweichmanöver füllt. Helfen diese mächtigen Manöver auch nichts, gibt es später noch eine Art Berserker-Modus, der euch kurzzeitig unverwundbar macht und entsprechend taktische Vorteile bietet.
Wenn ihr dennoch regelmäßig das Zeitliche segnet, weil das Timing einfach nicht gelingen will oder die Energie eurer Spezialangriffe ständig leer ist, kommen die fünf Skilltrees gerade recht. Hier erhöht ihr die Zeitfenster für Paraden, verlängert Kombo-Möglichkeiten und verbessert die Wirksamkeit eurer Heiltränke – die natürlich bei Rast an einem Checkpoint aufgefüllt werden, im Austausch dagegen tauchen aber auch Standard-Gegner wieder auf. Immerhin verliert ihr keine Erfahrungspunkte, wenn ihr ins Gras beißt, wie bei anderen Souls-likes. Weitere Feinjustierungen nehmt ihr durch zusätzliche Ausrüstungsgegenstände vor.
Wenn euch das Spiel trotz alledem noch immer zu schwer fällt, hilft der Story-Modus. Dieser gewährt größere Zeitfenster zum Ausweichen und Parieren, zudem verlangsamt sich die Zeit bei eingehenden schweren Angriffen und ihr bekommt angezeigt, welche Taste ihr zur Abwehr drücken müsst. Größtenteils fällt Stellar Blade sehr fair aus, auch wenn ich mir ein paar mehr Unverwundbarkeitsframes nach Spezialmoves gewünscht hätte. Nur in den letzten beiden Abschnitten macht die Schwierigkeit plötzlich einen brutalen Anstieg, was etwas seltsam anmutet.
Die Drohne, die euch ständig begleitet, nutzt ihr im späteren Verlauf als Fernkampfwaffe und ballert euren Feinden mit ihr Kugeln, Raketen und Schrot um die Ohren. Weicht ihr starken Angriffen mit den entsprechenden Moves aus, offenbart ihr die Schwachpunkte der Feinde und hierauf solltet ihr eure ganze Munition konzentrieren.
Durch all diese Möglichkeiten entfesselt Stellar Blade ein wildes Ballett aus Angriffen, Ausweichmanövern, Paraden und Spezialmoves, das euch mit jedem Kampf mehr und mehr in seinen Bann zieht. Ihr wirbelt durch die Arenen, verteilt saftige Backpfeifen und zerlegt die Naytibas wenig zimperlich in ihre Einzelteile. Das Pixelblut fließt in Strömen und die wilden Kamerafahrten erheben Stellar Blade zu einem wahren Action-Feierwerk, auch wenn die fragwürdigen Panty-Shots und seltsamen wackelnden Körperteile für meinen Geschmack etwas zu erzwungen wirken.
Stellar Blade und der Sexismus
In dem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, ob Entwickler Shift Up und ganz besonders Character Designer und Game Director Kim Hyung-tae einfach nur auf plumpe Thirst-Trap-Taktiken setzen oder das sexualisierte Design von Eve bewusst als Stilmittel verwenden. Als willkommene Ausrede für die körperliche Perfektion kann der Umstand gesehen werden, dass die Hauptfigur auf Bodyscans des koreanischen Models Shin Jae-eun basiert. Reicht das nicht aus, finden sich auch in der Story vermeintliche Erklärungen für den fast schon zu perfekten Körperbau der Heldin, und, wenn ihr willens seid, jede Menge Ansatzpunkte zur Interpretation: Steht sie als krasses Gegenstück zu den dreckigen und deformierten Körpern der Naytibas? Durchaus ein nachvollziehbarer Gedanke.
Die Physis von Eve steht aber gar nicht so sehr im Ziel meiner Kritik. Bei den Outfits und Kameraeinstellungen sieht es da anders aus. Entweder quetscht ihr die Hauptfigur in knallenge Latex-Outfits, die von Korsagenschnürungen zusammengehalten werden und entsprechend viel Haut offenbaren. Oder ihr holt die Freizeitklamotten aus dem Schrank, die aus Miniröcken, winzigen Kleidchen und Netzstrümpfen bestehen. Die engen Klamotten verstehe ich bis zu einem gewissen Grad ja noch und sie ergeben im Rahmen der Kämpfe durch die gegebene Bewegungsfreiheit sogar halbwegs Sinn. Die entspannteren Kleidungsstücke aber stellen nicht viel mehr dar als billige Möglichkeiten, Eve zu objektifizieren.
Dem spielen die Zwischensequenzen oftmals in die Hände. Denn auch wenn diese großartig in Szene gesetzt sind und mich aufgrund des puren Bombasts oftmals mit heruntergeklapptem Kiefer vor dem Bildschirm zurückließen, drückt mir Shift Up oft genug den kurvenreichen Körper der Heldin unverblümt ins Gesicht. Spagatsprünge, die direkte Blicke auf Eves Höschen gewähren, sind ebenso unnötig wie die ständig wackelnden Brüste und Pobacken, ja, selbst wenn ihr ins Menü wechselt, ist mehr Bewegung in der Oberweite als irgendjemand nötig haben sollte. Das trifft nicht nur auf Eve zu, auch andere weiblich gelesen Figuren in der Welt verfügen über ähnlich wackelige Körperteile und freizügige Outfits, was besonders bei der gefährlich minderjährig aussehenden Lily einen bitteren Beigeschmack trägt.
Außerdem fiel mir immer wieder auf, dass Eve über keine sichtbaren Androiden-Elemente verfügt. Wo das Gesicht des Friseurs komplett aus Metall besteht und eine Auftraggeberin auf einer Beinprothese herumhumpelt, präsentiert sich Eve auffällig makellos. Das mag sich über die Story erklären – die dient aber lediglich dem Mittel zum Zweck der Rechtfertigung. Der berüchtigte Skin Suit setzt der sexualisierten Darstellung von Eve dann die Krone auf. Dieser kommt in Hautfarben daher und nicht selten wirkt es, als ob die Figur tatsächlich gar nichts an hätte.
Die offensichtliche Sexualisierung und allgegenwärtige Nacktheit in Stellar Blade transportiert keine tiefere Message, sondern riskiert ärgerlicherweise, dass die Qualitäten des Spiels von dem fragwürdigen Design überschattet werden. Den Vogel schießen letztlich die Lobpreisungen von NieR-Schöpfer Yoko Taro ab, der „die coolen männlichen und die süßen weiblichen“ Charaktere lobte - explizit erwähnte er im Zuge dessen eine Ladenbesitzerin, deren „Süßheit“ sich für ihn offenbar wichtiger als alle anderen Design-Entscheidungen anfühlte.
Mir verleidete die Optik mit ihren heftigen Ecchi-Elementen das Spiel nicht vollumfänglich, aber meine Stirn lag trotzdem häufig in Falten. Mit vielen Darstellungen und Outfits schießt das Team massiv übers Ziel hinaus und torpediert sich somit selbst. Selbst vermeintliche Boni bestimmter Kleidungsstücke stellten sich letztlich als verschleiernde Phrasen in der Objektbeschreibung auf. Wir haben tatsächlich redaktionell getestet, ob das Racing-Outfit euch wie versprochen schneller macht und nein, das tut es nicht. Optische Goodies wie kecke Brillen oder der erwähnte Friseur bringen keine spielerische Tiefe, sie vertiefen lediglich den Eindruck, mit Eve eine Erwachsenenpuppe zu steuern. Nötig hätte Stellar Blade das auf jeden Fall nicht, da das Spiel genügend Qualitäten bietet.
Die letzte Bastion der Menschheit
Wenn ihr in Stellar Blade nicht gerade kämpft oder an eurem Outfit werkelt, steht auch regelmäßig Erkundung an der Tagesordnung. Zum einen verschlägt es euch regelmäßig nach Xion, die letzte Stadt der Menschen auf der Erde. Hier nehmt ihr Nebenquests an, unterhaltet euch mit den Bewohnern und treibt Handel. Je mehr ihr bei den Händlerinnen erwerbt, umso größer fällt deren Zuneigung zu euch aus, was das Sortiment erhöht. Seltsam, aber nett.
Die Nebenmissionen gestalten sich zumeist öde und formelhaft. Ihr rennt zu markierten Punkten in den diversen offenen Gebieten, haut dort die Gegner um oder sammelt Objekte ein und kehrt anschließend zurück zum entsprechenden NPC oder schwarzen Brett. Den größten Lohn markieren die offenbarten Hintergrundinformationen zur Welt, den Naytibas und der Menschheit. In wenigen Ausnahmen löst sich Stellar Blade von der eigenen Formel und setzt euch mathematische Rätsel vor, was immerhin etwas Auflockerung bietet. Oder ihr klettert Türme hinauf, um die Stromversorgung wiederherzustellen und so Checkpoints zu aktivieren. Wehe, es beschwert sich nochmal einer von euch über Ubisoft!
Geklettert wird auch regelmäßig im Zuge der Hauptmissionen, kombiniert mit wirklich minimalen Rätsel-Einlagen. Sprungfelder mit Playstation-Symbolen darauf wollen in der richtigen Reihenfolge angehüpft werden, und mit diversen verschiebbaren Spiegeln lenkt ihr einen Laserstrahl in richtige Bahnen. Gelegentlich dürft ihr gar nur im Fernkampf agieren, da aus irgendeinem fadenscheinigen Grund euer Schwert nicht funktioniert. Letzteres nutzt Eve übrigens als Haarreif, befindet ihr euch gerade nicht im Kampf. Nur eine der vielen Kuriositäten im Stellar-Blade-Universum.
Beispielsweise trefft ihr einigermaßen früh auf den Überlebenden Adam, der euch das gesamte Spiel über begleitet. Allerdings läuft er tatsächlich nicht neben euch her, stattdessen steuert er besagte Fernkampf-Drohne, die oft aufgeregt durchs Bild springt und richtig nerven kann. Warum er nicht in der Lage ist, die Außenwelt zu betreten, darüber klärt euch das Spiel nie auf.
Koreanisches Action-Kino vom Feinsten
Klammern wir das zweifelhafte Design von Stellar Blade für einen Moment mal aus und betrachten die reinen Animationen und grafischen Details, bleibt nicht weniger als ein fantastisch schönes Spiel zurück. Sämtliche Moves der Heldin laufen geschmeidig über den Bildschirm, die Choreografien bei perfekt ausgeführten Kampfmanövern gleichen der Spitzenklasse des Action-Kinos und besonders die Stadt Xion trumpft durch ständige kleine Verweise an die alte Welt auf. Hier ein altes Restaurant, dort ein Antiquitätenladen. Da verzeihe ich die tristen Texturen der offenen Gebiete gerne, wie auch die sehr grau-braun gehaltene Farbpalette aus dem Postapokalypse-Standardbunker.
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Dafür knallen die Partikeleffekte ordentlich und tragen noch einmal mehr zum fantastischen Kampferlebnis bei. Erfolgreiche Paraden goutiert das Spiel mit saftigem visuellen Feedback und jeder Schwerthieb strahlt eine gewisse Wucht aus. Im Performance-Modus läuft Stellar Blade zudem nahezu durchgehend mit 60 Bildern pro Sekunde, im Vergleich zum höher aufgelösten Qualitäts-Setting kam mir auch lediglich die Beleuchtung etwas schwächer vor.
Die deutschen Sprecherinnen und Sprecher von Stellar Blade leisten durch die Bank einen guten Job, auch die Soundeffekte wummern gut aus den Boxen. Nahezu genial ist aber die bisweilen verbaute Musik, die irgendwo zwischen 90er-Jahre-Hits und K-Pop liegt. Einen Boss zu fetzigen Elektrobeats und hellem Damengesang in seine Einzelteile zu zerlegen, das hat schon seinen ganz eigenen Charme. Zumal die Obermotze mit ihren Body-Horror-Körpern absolut großartig aussehen. Überall an den Fleischbergen finden sich Zahnreihen, bisweilen ähneln ihre Köpfe Kreissägen aus der verdrehten Psyche von H.R. Giger, hier gab sich das Team von Shift Up wahrlich keine Blöße.
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