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Test - Spiritfarer : Eines der besten Spiele der letzten Jahre wird neu aufgelegt

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Das Schöne am Hobby des Videospielers besteht darin, dass man Spiele nicht einfach nur in Schubladen von gut bis schlecht kategorisiert, sie als Spaß und Zeitvertreib wahrnimmt, sondern dass man alle paar Jahre diesem einen Spiel begegnet, das mehr ist. Das man ganz tief ins Herz schließt. Und für den Rest seines Lebens nicht wieder daraus loslässt. Eines dieser Spiel war Spiritfarer für mich. Anlässlich der nun erscheinenden Boxversionen für PS4 und Switch möchte ich euch erklären, warum.

Hat man ein schönes Spiel beendet, hängt man üblicherweise den Erinnerungen daran nach, während der Abspann läuft und einen sanft zurück in die Realität geleitet, lässt man das Erlebte nochmal Revue passieren, ist man erfüllt vom befriedigenden Gefühl, eine schöne Erfahrung gemacht zu haben, freut sich vielleicht auf den DLC, aber in der Regel auch schon darauf, als Nächstes ein anderes Spiel spielen zu dürfen. Nachdem ich Spiritfarer beendet hatte, bemerkte ich ein paar Tage später, dass da eine Lücke in meinem Herzen klaffte, ein Gefühl so ähnlich, als wenn man gemeinsame Zeit mit einem geliebten Menschen vermisst. Noch heute, beinahe ein Jahr später, schaue ich mir in besinnlichen Momenten noch regelmäßig wieder die Trailer an und werde sofort von wehmütigen Erinnerungen überwältigt an das Erlebte, die Erfahrung und werde ergriffen von der zauberhaften Musik.

Dabei mochte ich Spiritfarer anfangs überhaupt nicht. Vom Trailer hatte ich mir eine emotionale, entschleunigte narrative Erfahrung versprochen. Was ich bekam war ein Survival-Aufbau-Spiel. Und das bedeutet für mich in erster Linie: Stress. Und Arbeit. All das, was eben eigentlich keinen Spaß macht. Doch wenn ich eines in meinem Leben als Videospieler gelernt habe, dann dass es oftmals gerade diejenigen Spiele sind, denen man anfangs am weitesten entgegenkommen muss, damit sie einen am Ende am herzlichsten umarmen.

Der Tod steht ihr gut

Ihr schlüpft in die Rolle der jungen Stella, die zum neuen Fährmann (bzw. wohl eher Fährfrau) im Zwischenreich von Leben und Tod ernannt wird und als solche die Aufgabe übernimmt, die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits zu geleiten. Hierfür bereist ihr die verschiedenen Inseln der Spielwelt mit eurem Schiff wie in einem 2D-Platformer, sammelt Rohstoffe, baut damit euer schwimmendes Zuhause nach und nach aus und sorgt euch nebenbei um die körperlichen und seelischen Bedürfnisse eurer Passagiere.

Schnell erweist sich der Beruf einer Fährfrau als ziemliche Plackerei: Ihr fällt Bäume, grabt nach Erzen, pflückt Beeren und Pilze, und wenn es die Muse zulässt, angelt ihr während der Fahrt Fische oder gießt eure Beete. Wie in einem typischen Aufbauspiel à la Anno oder Die Siedler errichtet ihr Gebäude auf eurem Boot, in denen sich die Rohstoffe weiterverarbeiten lassen: Im Sägewerk schneidet ihr die gefällten Bäume zu Brettern, in der Gießerei werden die Erze zu Barren geschmolzen und in der Küche bereitet ihr schmackhafte Mahlzeiten zu. Schritt für Schritt erweitern sich die Warenketten und reißen wie ein Wirbelsturm in die Gameplay-Spirale aus neuen Verarbeitungsbetrieben, die neue Ressourcen produzieren, die in Spielfortschritt münden, die … und so weiter und so fort.

Das Spielprinzip von Spiritfarer wirkt zunächst auffällig simpel und sein steter Wechsel von Ressourcen-Grind und sofortiger Belohnung hochgradig durchschaubar. Dies war der Punkt, an dem ich es bereute, damit angefangen zu haben. Spiritfarer fühlte sich nicht nach Spiel, sondern nach Arbeit an, bewirkte keinen Spaß, sondern Stress und Mühsal. Von einer Insel zur nächsten fahren, auf dem Weg dorthin mal eben Essen für die Passagiere kochen, schnell noch ein paar Bretter sägen und dann an Land gehen und schon wieder Bäume fällen, Steine klopfen und im Hinterkopf bereits daran denken, dass gleich wieder die Blumen gegossen werden müssen.

Doch die kanadischen Entwickler von Spiritfarer müssen ziemlich schlaue Leute mit sehr viel Ahnung von Videospielen sein. Denn sie scheinen ganz genau gewusst zu haben, dass solcherlei Spielablauf nicht sonderlich lange Vergnügen bereitet. Und so kommen sie ihren Spielern schon bald in einer Weise entgegen, dass alle vormals lästigen Arbeiten auf einmal zum puren Genuss werden. Auf einmal müsst ihr eure Erze nicht mehr mühselig in Bergwerken grinden, sondern könnt sie auf dem Rücken gigantischer Riesenschildkröten „anbauen“ und ernten, findet nach und nach immer neue Rezepte heraus, die eure Mitreisenden über einen langen Zeitraum sättigen, baut die Zutaten dafür auf dem Garten eures Schiffes an, statt sie im Wald sammeln zu müssen, und bastelt euch nützliche Werkzeuge, die vormals lästige Handgriffe erübrigen. Was sich vorher wie Plackerei anfühlte, wird auf einmal zu einem reißenden Fluss ständiger Belohnungen.

Es war einem Freitag, den ich nie vergessen werde, als ich im Büro saß und gewahr wurde, dass ich mich nur schwer auf die Arbeit konzentrieren konnte, weil die Gedanken unablässig um andere Dinge kreisten: „Nachher muss ich mir noch schnell die drei fehlenden Erze besorgen, dann kann ich endlich die neue Weberei bauen. Und damit kann ich dann Stoffe herstellen, um mein Schiff zu vergrößern. Aber auf dem Weg dorthin darf ich nicht vergessen, nochmal bei dieser einen Insel vorbeizuschauen, wo ich mit meiner neuen Fähigkeit jetzt auf den Leuchtturm klettern kann. Und wenn das geschafft ist, dann …“ Spätestens in dem Moment wusste ich, dass mich das Spiel nicht nur ganz hart am Wickel hatte, sondern unverhohlen die Zonen im Gehirn anspricht, die für Suchtverhalten verantwortlich sind. Ich bin froh, dass Spiritfarer irgendwann ein Ende hat und nicht, wie manch anderes Survival-Spiel, endlos weitergehen kann, denn sonst hielte ich es für höchst gefährlich.

Eine Reise, die zu Herzen geht

Doch ginge es bei Spiritfarer nur um die Gameplay-Spirale aus Sammeln und Belohnung, es wäre auch nur ein weiteres Survival-Aufbauspiel unter vielen. Ein handwerklich absolut exzellentes, zweifellos, aber keines, das aus der Masse ähnlich gearteter Handyspiele herausragen würde. Was es letzten Endes zu etwas Besonderem macht, ist: seine Seele. Und das ist in diesem Falle durchaus wörtlich gemeint.

Im Mittelpunkt der emotionalen Erfahrung von Spiritfarer stehen die Seelen der Verstorbenen, die Stella auf ihrem Weg über die Schwelle ins Jenseits begleitet. Diese stoßen im Verlauf eurer Reise nach und nach zu eurer Besatzung und quartieren sich für eine Weile auf eurem Schiff ein. Hierfür baut ihr ihnen eine Unterkunft, versorgt ihre Nöte und lernt sie im Laufe der Zeit immer besser kennen: ihre Ängste, ihre Freuden, ihre Versäumnisse im Leben, Taten, die sie bereuen oder deren Auswirkungen sich erst mit dem gegebenen Abstand im Rückblick auf das eigene Leben erkennen lassen.

Spiritfarer wird dadurch nicht nur zu einer melancholischen Mär über ein würdevolles Sterben und die Trauer, die zwangsläufig damit verbunden ist, sondern vor allem darüber, am Ende seines Lebens darauf zurückzublicken, ein Resümee zu ziehen und die Narben zu heilen, die es hinterlassen hat: eigene Fehler einzugestehen, Reue in Demut zu verwandeln, Versöhnung und Vergebung zu erstreben, inneren Frieden zu finden und irgendwann loslassen zu können.

Besonders charmant werden diese Geschichten, weil die Charaktere nicht als Menschen, sondern als liebevoll animierte Zeichentrick-Tiere dargestellt sind: Da ist zum Beispiel die mondäne Hirsch-Diva, die schmerzhaft einsehen muss, dass es nicht Luxus ist, der im Leben zählt, sondern das menschliche Miteinander. Oder die Geschichte vom gebrochenen Stolz der Löwen-Gattin, die nicht wahrhaben will, dass ihr Mann, den sie trotz allem abgöttisch liebt, Zeit ihres Lebens ein treuloser Schürzenjäger war. Geradezu herzzerreißend ist die Episode der alten Igel-Dame, deren Demenz ihre Erinnerung an Familie und Freunde zusehends verblassen lässt und deren Verstand sich zum Ersatz in die heile Welt einer kitschigen TV-Seifenoper zurückzieht.

Ein Gesamtbild wie ein strahlendes Mosaik

Dass Spiritfarer ein außergewöhnlich durchdachtes und ausgereiftes Spiel ist, in dem viel Herzblut und eine hohe Kompetenz im Spieldesign-Handwerk stecken, lässt sich auch an den vielen Nebensächlichkeiten erkennen, die hier nur noch kurz umrissen werden sollen. Allen voran das ungewöhnliche Plattformer-Grundgerüst, das die rasante Geschäftigkeit des Gameplays wunderbar quirlig vermittelt, wenn man an Bord seines Schiffes wie ein wild wirbelnder Tausendsassa von Tür zu Tür springt, um seine Tagesabläufe zu erledigen.

>> Unvergessliche Erfahrungen: 11 Spiele, die zu Tränen rühren <<

Wer bei den Ausflügen an Land einen Abstecher durch einen Hüpfparcours in Kauf nimmt, erreicht versteckte Schätze mit kostbaren Ressourcen - etwa indem man Plattform für Plattform einen Berg erklimmt, auf Stromleitungen von Dach zu Dach balanciert oder mit seinem Hut wie an einem Heißluftballon durch Luftströmungen manövriert, um ansonsten unzugängliche Orte zu erreichen. Geratet ihr mit eurem Schiff in ein Unwetter, fangt ihr Blitze in Flaschen ein, um sie als Energiequelle zu nutzen, und segelt ihr in einen Schwarm Glühwürmchen oder einen Kometenschauer … hach, ist das schön ...

Spiritfarer - Switch-Trailer zu einem der besten Spiele der letzten Jahre

Spiritfarer kommt nun auch auf Switch: Das Spiel handelt von der jungen Stella, die als frisch ernannte Fährfrau die Seelen der Verstorbenen auf ihrer Reise ins Jenseits begleitet.

Das Schöne an derlei Minispielen ist auch, dass sie im Gegensatz zum Großteil ihrer Artgenossen aus anderen Spielen nicht als Fremdkörper oder Störfaktor wahrgenommen werden, sondern sich harmonisch wie die einzelnen Steine eines Mosaiks zu einem strahlenden Gesamtbild zusammenfügen. Sogar jeder einzelne Verarbeitungsschritt von Rohstoffen wird anhand eines kleinen Minispiels durchgeführt, das die Handgriffe, die dafür nötig sind, haptisch spürbar und so den Belohnungseffekt geradezu körperlich erfahrbar macht: In der Weberei fällt der Ertrag umso höher aus, wenn ihr beim Spinnen der Wolle das richtige Timing beachtet, bei der Erzverarbeitung im Hochofen muss durch geschicktes Heizen und Lüften die passende Temperatur gehalten werden, und im Sägewerk führt das Bestehen eines kleinen Geschicklichkeitstests zu einer höheren Bretter-Ausbeute. Selbst das Ausbauen des eigenen Schiffes ist in eine Art Puzzle-Spiel eingebunden, in dem ihr den vorhandenen Platz für eure Gebäude bestmöglich ausnutzt und die Laufwege dazwischen optimiert.

Schlussendlich dürfen selbstverständlich der zauberhafte Zeichentrickstil und die verträumte Musik nicht unerwähnt bleiben, die endgültig dafür sorgen, dass die Reise der kleinen Stella ihren Weg ganz tief in die Herzen ihrer Spieler findet. Und damit es dort so schnell nicht wieder entkommt, liefern die Entwickler in vorbildlicher Weise regelmäßig neue Seelen-Passagiere als kostenlose DLCs nach: Nach dem (leider sehr, sehr kurzen) Lily-Update im Frühjahr, erhält nun anlässlich der aktuellen Box-Veröffentlichung die Eule Beverly Einzug auf Stellas Boot, und im Winter schließt sich die Himmelspforte endgültig mit dem finalen DLC um das ungleiche Paar Jackie und Daria, eine Hyäne und eine Fledermaus.

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