Special - Wir brauchen mehr kurze Spiele – Kommentar : Zeit > Drama und Logik
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Das hört sich alles sehr vorhersehbar und falsch an. Die Entwickler von Naughty Dog gehören zu den besten der Welt und sind Meister ihres Fachs. Warum wurde also diese fehlerhafte Design-Entscheidung nicht frühzeitig erkannt und aus dem Spiel gestrichen? Ganz einfach: Die Auseinandersetzung mit den Gegnern hat einige Momente gedauert und dadurch die Gesamtspielzeit um kostbare Minuten verlängert. Was für diesen Kontext wichtig ist: Die Gesamtspielzeit gehört für Publisher und Entwickler heutzutage zu den wichtigsten Werbedaten. Der durchschnittliche Spieler möchte für sein Geld möglichst viel haben. Dementsprechend ist es für den Publisher leichter, mit 15 Stunden Spielzeit zu werben, als einen Einzelspielermodus an den Mann zu bringen, der „nur“ mit sechs Stunden Spielzeit aufwartet.
Die Konsequenz: Titel werden gestreckt, um eine möglichst lange Spielzeit zu gewährleisten. The Last of Us ist in der Hinsicht bei Weitem nicht allein. In The Legend of Zelda: Wind Waker mussten wir gegen Ende des Spiels diverse Orte nochmals aufsuchen, um Splitter des Triforce-Symbols zu erlangen. Assassin's Creed III ging sogar einen Schritt weiter und forderte die Käufer auf, einen sechs Stunden langen Prolog zu spielen, ehe sie mit der eigentlichen Handlung beginnen konnten. Wir möchten eine Geschichte, die uns möglichst fesselt und nicht unnötig hinhält. David Mamet, Drehbuchautor für CBS, erklärte in einem Memo den Aufbau eines Dramas, nachdem er für seine Serie „The Unit“ für zu viele „Unklarheiten“ kritisiert wurde. Das Statement lässt sich nahezu identisch auf unsere Situation übertragen:
„Entwickelt die Szene den Plot? Antwortet ehrlich.“
„[...] Schaut euch jede Szene an und fragt euch: 'Ist sie dramatisch? Ist sie essenziell? Entwickelt sie den Plot?' Antwortet ehrlich.“ Ist die Begegnung mit den Feinden in The Last of Us dramatisch? Ist sie essenziell? Entwickelt sie den Plot? Ich antworte ehrlich und sage nein. Stattdessen respektieren solche Szenen die kostbare Zeit des Spielers nicht, da Gameplay-Mechaniken gefordert werden (das Töten von NPC-Gegnern), die bereits über unzählige Stunden zuvor abgerufen wurden. Ich bin mittlerweile 22 Jahre und berufstätig. Die Zeiten, in denen ich um 13 Uhr aus der Schule kam, sind leider vorbei. Ich muss somit zweimal überlegen, ob ich einen Giganten wie The Elder Scrolls: Skyrim beginne. Letzten Endes werde ich den Titel mit seiner 200 Stunden Spielzeit wohl nie komplett spielen können. Schade, da ich gerne Zeit in Himmelsrand verbracht hätte.
Spiele wie Journey, Limbo, Hotline Miami, Braid, Mirror's Edge und viele, viele mehr haben bereits eindrucksvoll bewiesen, dass die Spielzeit nicht als Indikator für die Qualität eines Titels zählt. Jedes dieser Spiele ist nur wenige Stunden lang und hat keine unnötigen Füller – das Ergebnis sind fantastische, abwechslungsreiche Spielmechaniken und Handlungen, die für Jahre im Gedächtnis bleiben. Bevor wir also das nächste Mal lange Spiele fordern, denken wir an die vergangenen Titel sowie ihre Szenen und fragen uns: „Waren sie dramatisch? Waren sie essenziell? Entwickelten sie den Plot?“ Wir sollten ehrlich antworten.
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