Special - Homosexualität : Von YouTube-Stars und Spieleredakteuren
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Interview: Daniel Matschijewsky
Gameswelt: Hallo! Stell dich bitte kurz vor. Was machst du in der Spiele-Branche?
Daniel: Ich heiße Daniel Matschijewsky, bin 31 Jahre alt und in der Branche wohl am ehesten bekannt durch meine lange Zeit als Redakteur bei der Spielezeitschrift GameStar. Nach neun Jahren voller Spiele-Tests, -Previews und -Reportagen habe ich allerdings Mitte 2013 das Fach gewechselt und arbeite seitdem als Online-Redakteur in einer großen Marketing-Agentur. Privat spiele ich aber nach wie vor sehr viel und sehr gern.
Gameswelt: Mit dem Coming-out von Hitzlsperger ist das Thema "Homosexualität" in den Medien wieder in den Vordergrund gerückt. Seit wann weißt du, dass du dich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlst?
Daniel: So wirklich bewusst ist mir das „erst“ mit 17 Jahren geworden. Die Anführungszeichen deshalb, weil ich diesbezüglich wohl ein regelrechter Spätzünder war und erst durch eine so kurze wie gescheiterte heterosexuelle Beziehung herausgefunden habe, wohin der Hase bei mir läuft.
Gameswelt: Die Spielebranche, allen voran Online-Communitys, gilt als relativ intolerant gegenüber Homosexualität. Ähnlich wie beim Fußball sind das Geschlecht sowie die sexuelle Orientierung eher kein Gesprächsthema. Wie hast du die Community erlebt?
Daniel: In Foren oder Spiele-Chats bin ich nur sehr selten über negative Kommentare gestolpert. Was mich nicht wundert, da hier kaum jemand mit seiner sexuellen Orientierung hausieren geht. Klar fallen trotzdem bisweilen Begriffe wie „das ist echt schwul“, aber die werden eher zum generellen Poltern hergenommen, als dass sie wirklich auf die sexuelle Orientierung einer oder mehrerer Personen abzielen. Ich denke, wenn es wirklich zu derart motivierten Ausrufen kommt, kommen diese nicht häufiger vor, als wenn sich weibliche Spieler über chauvinistische oder sexistische Bemerkungen ärgern müssen.
Gameswelt: Hast du Probleme beruflicher Natur durch deine sexuelle Orientierung gehabt? Wenn ja: Was ist passiert und wie bist du mit diesen Problemen oder Nachteilen umgegangen?
Daniel: Im Gegenteil. Als ich mich erst in der Redaktion und dann offen über Facebook sowie andere Social-Media-Kanäle in der Branche und bei den Lesern geoutet habe, erfuhr ich rundum positives Feedback. Probleme oder gar Anfeindungen gab es bis heute nie.
Gameswelt: Wie siehst du das Thema Homosexualität in Videospielen vertreten? Dort treffen wir in Verbindung mit homosexuellen oder Transgender-Charakteren oft auf alte Stereotype wie Schwäche oder extreme Verweiblichung. Inwiefern, glaubst du, muss und soll sich eine Spiele-Community mit der Sexualität anderer Spieler beschäftigen – auch in Spielen?
Daniel: Stereotype gibt es in Spielen ständig, das beschränkt sich nicht nur auf Sexualität. Und wenn sie zum Spiel beziehungsweise zur Handlung passen, warum nicht? Spiele, Bücher, Serien und Filme stellen andere Welten, andere Realitäten dar, sie sind Fiktion – und da ist fast alles erlaubt. Aber es muss passen, darf nicht aufgesetzt wirken oder gar beleidigen oder verletzen. Ebenfalls wichtig: Es darf dem Spieler nicht allzu eindringlich aufs Auge gedrückt werden. Gut hat das zum Beispiel BioWare in der Mass-Effect-Reihe gemacht. Hier ist es möglich (aber nicht zwingend), homosexuelle Liebschaften einzugehen. Wichtig dabei: Ich habe die Wahl, ohne dass mir das Programm aktiv sagt, dass mein männlicher Shepard auch mit Kaidan ins Bett hüpfen kann. Wenn so etwas in einem Spiel möglich ist, gut. Super sogar. Aber es sollte nicht mit grell blinkenden Schildern darauf hinweisen, weil das so manchen (heterosexuellen) Spieler irritieren oder ihm die Identifikationsmöglichkeit mit seinem Helden beziehungsweise seiner Heldin rauben könnte.
Gameswelt: Hast du über die vergangenen Jahre eine Veränderung der Menschen, was ihre Reaktion in Bezug auf deine Position in Sachen Sexualität und Videospiele angeht, bemerkt?
Daniel: Mein Coming-out liegt nun rund fünf Jahre zurück. Da es durchweg reibungslos ablief und ich nie irgendwelche Probleme hatte, kann ich dies nur schwer beantworten. Mir fällt jedoch auf, dass zumindest in meinem Umfeld über die Jahre immer offener, ja, „normaler“ mit dem Thema Homosexualität umgegangen wurde beziehungsweise wird. Was aber vielleicht auch daran liegt, dass mein Freundes- und Bekanntenkreis sowie die Communitys, in denen ich mich bewege, vergleichsweise „jung“ sind. Ältere Menschen, die zudem konservativer aufgewachsen sind, tun sich auch im Jahr 2014 oft noch schwer, Homosexualität als etwas Normales zu sehen. Politische Engstirnigkeit, wie sie die CDU/CSU auch jetzt noch an den Tag legt, hilft da leider nicht wirklich weiter.
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