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Test - Song of Horror : Horror-Highlight: intelligent und furchteinflößend

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Die Interpretation von Horror in Videospielen hat in den letzten Jahren eine verzerrte Form angenommen. Statt dem Spieler dauerhafte Ängste in den Verstand zu pflanzen, geht es vornehmlich um das bloße Erschrecken oder um das Erschweren der Spielkontrolle. Jumpscares und Monsterhorden nahmen den Platz der geistigen Unsicherheit ein. Nicht so in Song of Horror, denn dieses Spiel geht euch wegen seiner verzögerten Ereignisse und seines intelligenten Designs unter die Haut.

Furcht liegt im Auge des Betrachters, denn jeder Mensch fürchtet sich vor anderen Dingen. Im Horror-Genre, sei es im Film oder bei Videospielen, muss diese Angst über audiovisuelle Reize angestachelt werden. Für den einen ist es die Dunkelheit, für andere der Verlust der Selbstbestimmung über das eigene Schicksal, und wiederum andere haben Angst vor psychischen oder körperlichen Qualen. Eines haben diese Horror-Reize aber alle gemeinsam: Ihre Wirksamkeit erreicht ihren Maximalwert nur dann, wenn der Zuschauer oder Spieler den eingepflanzten Gedanken selbst am Leben erhält.

Es braucht nur ganz selten eine Bestätigung der fürchterlichen Erwartungen, damit der Konsument den Gedanken weiter entfaltet. Vor dem großen Finale, in dem man dem Angsteinflößer direkt gegenübersteht, gilt: je weniger, desto besser, denn das verlängert die Zeit, in der sich der Horror im Kopf entfaltet. Darum verlieren Jumpscares auch so schnell ihre Wirkung. Sie müssen ständig aufgefrischt werden und verlieren dadurch an Effekt. Man könnte von einer Furchtsamkeits-Inflation sprechen.

Song of Horror ist ein Spiel, das euch die Zeit zur Entfaltung der eigenen Furchtvorstellung einräumt, auch wenn es in der ersten halben Stunde den Anschein erweckt, es wolle lediglich ein Klon von Resident Evil sein - vermengt mit einer Scheibe des originalen Alone in the Dark von 1992. Entwickler Protocol Games startet ganz klassisch: ein dunkles Haus, feste Kameras, die perspektivisch gebunden umschalten und Rätsel, die das Durchforsten des Hauses voraussetzen … Gäbe es noch umherschlurfende Zombies, würde Capcom das Spiel womöglich glatt unter die eigenen Fittiche nehmen, denn selbst der Grafikstil pflegt gewisse Ähnlichkeiten.

Aber es gibt keine Zombies in diesem Spiel. Überhaupt sind übernatürliche Ereignisse oder Wesen höchst seltene (wenn auch keineswegs abwesende) Elemente der Handlung. Die meiste Zeit beschäftigt man sich nur mit der simplen Frage, wohin der gefeierte Autor Sebastian Husher mitsamt seiner Familie verschwunden sein mag. Wir schreiben das Jahr 1998. Das große Anwesen sieht des verschwundenen Sonderlings sieht belebt aus, und doch liegt schon der Staub von mehreren Tagen auf den Möbeln. Der Strom ist abgeschaltet, Türen scheinen sinnlos verbarrikadiert. Was ist hier geschehen?

Ein Rätsel, das nicht aus der Perspektive einer einzelnen Hauptfigur gelöst wird. Ursprünglich soll ein mäßig motivierter Redaktionskollege namens Daniel im Haus des vermissten Autors vorbeischauen. Man schlüpft für rund zwanzig Minuten in seine Haut, bis auch er auf mysteriöse Weise in einem Keller verschwindet, dessen Zugangstür sich in Luft auflöst. Daniels Ex-Frau ist die nächste, die das seltsame Anwesen aufsucht, weil sie schon lange nichts mehr von ihm gehört hat. Wie lange sie durchhält, hängt allerdings von eurem Geschick ab. Eine falsche Entscheidung kann die Laufbahn einer Spielfigur maßgeblich verkürzen.

Das hat glücklicherweise nicht gleich einen Neustart des Spiels zufolge. Vielmehr startet anschließend die nächste Spielfigur ihre Suche. Insgesamt sind es vier, und ihr habt die freie Wahl, wer als nächste dran ist. So oder so: Sofern ihr Daniel nicht schon vorher lokalisiert, findet eine Spielfigur nach der nächsten ihr Schicksal in diesem Haus, deckt bei der Suche jedoch stets andere Aspekte des Rätsels auf. Und zeigt obendrein andere Wesenszüge. Einer ist investigativ anspruchsvoll und geht jedem kleinen Hinweis auf den Grund. Ein anderer versucht nur lebend durchzukommen und trinkt sich dafür sogar Mut an. Solltet ihr es mit allen vier Spielfiguren vergeigen, ist das Spiel aber komplett vorbei. Permadeath ist die Konsequenz.

Abseits davon klingt der Spielablauf nach einem typischen Gruselspiel mit Adventure-Einschlag. Gewisse Klischees lassen sich augenscheinlich nicht vermeiden. Song of Horror unterscheidet sich jedoch vom Einerlei vieler anderer Genrevertreter durch sein dynamisches Eventsystem. Die Rätsel und Puzzles, die ihr im Laufe des Abenteuers lösen sollt, sind zwar typisch für diese Art Spiel, werden euch aber nicht auf dem Silbertablett serviert.

Man soll beispielsweise Sicherungen für die Stromversorgung suchen. Aber man muss sie auch richtig einordnen, um die korrekte Amperestärke abzufangen. An anderer Stelle muss ein Kaminfeuer Licht ins Dunkel bringen, sobald man die nötigen Zutaten miteinander kombiniert hat. Leider entbehrt das hin und wieder jeglicher Logik, da einige theoretisch universell einsetzbare Objekte streng an gewisse Puzzles gebunden sind. Aber Song of Horror ist ja bei Weitem nicht das erste Spiel mit diesem Lapsus.

Im Keller steht beispielsweise ein Zahlenschloss, dessen Kombination nur durch das Finden diverser Indizien im Haus geknackt werden kann. Nur muss man ganz genau hinsehen, denn wer nur die halbe Lösung kennt, beißt auf Granit. Brute Force (also das Durchprobieren aller möglichen Kombinationen) lässt die Spielmechanik nicht zu.



Ein Großteil des Spielablaufs besteht daher aus reiner Indiziensuche inklusive Lesen herumliegender Briefe und der Analyse von Fotos. Dreh- und Angelpunkt ist allerdings die Anwesenheit eines dunklen Geschöpfes, das ihr nie festnageln könnt. Ihr könnt es nur hören, aber so gut wie nie sehen. Wo oder wann das Monster versucht, eine Tür aufzubrechen, ist nicht fest geskriptet. Es hängt davon ab, wie schnell ihr vorankommt und wie geduldig ihr dabei vorgeht. Wer auf die Akustik im Haus achtet, kann dem Wesen über lange Perioden hinweg komplett aus dem Weg gehen.

Doch ist es genau das, was zugleich die Spannung steigert. Die Verzögerung eines längst erwarteten Ereignisses spannt euer Nervenkostüm bis zum Anschlag an. Sollte euch das zu harter Tobak sein, dann könnt ihr in den Optionen visuelle Signale dazuschalten, aber das schmälert den Reiz der Überraschung. Schon hinter der nächsten Tür kann der Tod lauern und somit das Ende aller Mühen.

Was allerdings ein wenig schmerzt, ist der harte Bruch zwischen den Episoden, die Protocol Games nacheinander veröffentlicht. Die Verlagerung des Spiels in ein Antiquitätenhaus, das (zumindest augenscheinlich) nichts mit der ersten Episode zu tun hat, schadet dem Spannungsbogen. Wir sind gespannt, es in den Episoden 3 bis 5 weitergeht, die ungefähr im Monatsrhythmus erscheinen werden. Bisher sind die Folgen 1 und 2 erhältlich.

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