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Test - REZ: Infinite : Generation Loveparade: der Shooter-Klassiker als VR-Kunstwerk

  • PS4
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Zu behaupten, REZ gäbe es nun als Virtual-Reality-Erlebnis, ist in etwa genauso markerschütternd wie die Behauptung, den Himmel gäbe es neuerdings in Blau. Tetsuya Mizuguchis Rail-Shooter, der erstmals 2001 auf Segas Dreamcast erschien, war schon immer der Inbegriff einer VR-Erfahrung, obwohl er bis zu seinem PlayStation-VR-Debüt als REZ: Infinite auf einem handelsüblichen Fernseher gespielt wurde. Inwiefern kann die Ansicht durch ein 3-D-Headset die Spielerfahrung überhaupt noch verbessern?

Für Videospiel-Fans, die das 20. Lebensjahr beim Lesen dieses Tests noch nicht erreicht haben, könnte es schwer werden, den künstlerischen Aspekt hinter Tetsuya Mizugushis Werk zu verstehen. 3-D-Polygongrafik mit geringen Details und kurzer Darstellungsdistanz, minimalistische Techno-Musik mit Trance-Anleihen und einfältig simple Regeln für das Abballern plump visualisierter Feinde sprechen die Sprache der Jahrtausendwende. Während Papa feuchte Augen bekommt, weil er an seine glückselige Jugend zurückdenkt, verstehen Post-Millennium-Kids nur Bahnhof.

Noch vor 15 Jahren hätten an dieser Stelle blumige Vergleiche der Marke „Tron trifft auf Matrix“ oder „Shadowrun im Panzer-Dragoon-Stil“ alles Nötige in kurze Schlagworte verpackt. Heute, in der Welt der Smartphones, in der das Internet viel unspektakulärer, aber auch selbstverständlicher daherkommt als damalige Cyberspace-Fantasien, reicht das bei Weitem nicht mehr aus. Es bedarf einer trockenen, faktischen Darstellung, die so viel Magie versprüht wie eine angekaute Currywurst.

Ballern im Computer

Kurz und schmerzlos also: REZ: Infinite ist ein Rail-Shooter, der eine abstrakte Reise in das Innere eines Computer-Netzwerks beschreibt. Während des immerwährend geradeaus geführten Flugs durch Gänge voller geometrischer Formen in einfacher Drahtgittergrafik ballert ihr konfus gestaltete Gegner über den Haufen, die Viren darstellen sollen. Ist gar nicht so schwer, wenn man begriffen hat, dass man nicht jeden Gegner einzeln abschießen muss.

Haltet ihr den Feuerknopf gedrückt und visiert mit dem großzügig angelegten Fadenkreuz mehrere Gegner hintereinander an, könnt ihr bis zu acht von ihnen in einer Kombo vom Himmel holen. Dabei regen Techno-Beats anhand der von euch abgefeuerten Projektile die Umgebung zum Pulsieren an, während ihr mit jedem Treffer die Hintergrundmusik um einige Nuancen ergänzt. Man könnte sagen, ihr ballert Musik.

Bewegen könnt ihr euch allerdings nicht. Kommt euch ein Projektil entgegen, hilft nur ein gut gezielter Schuss zur Beseitigung desselben. Geht der daneben, nimmt euer Avatar die nächstniedrigere (ebenfalls abstrakte) Form an, von denen es insgesamt vier gibt: ein grober Ball, eine unfertige Menschenform, ein vollendeter Mensch und ein Mensch in Yoga-Pose. Knutscht ihr ein Projektil, während ihr die niedrige Ballform einnehmt, winkt der Game-over-Schriftzug.

In der Neuauflage für PlayStation VR sind sechs statt wie früher nur fünf Level zu bewältigen, doch die Prämisse bleibt die gleiche: Nach einigen Gegnersalven knackt ihr einen Würfel, der zehnmal getroffen werden muss, bevor er Eintritt in die nächste Subebene gewährt. Nach dem Besiegen des monströsen Bosses einer Spielstufe taucht ihr tiefer in die Computer-Welt ein und dringt letztendlich zum Kern der Infektion vor. Alles verstanden? Nee? War zu erwarten.

Virtual Reality in der VR

Wer sollte es euch verübeln. REZ: Infinite ist ein Relikt vergangener Zeiten, das virtuelle Realität und Cyberspace künstlerisch interpretiert, was grotesk erscheint, wenn man das Spiel tatsächlich über eine VR-Brille erlebt. Was sieht ein Spiegel, der sich im Spiegel spiegelt? Bricht man REZ auf seine spielerischen Anteile herunter, bleibt nicht viel. Gemessen an anderen Genrevertretern fällt das Geballer sogar relativ leicht aus, weil jedes gegnerische Projektil nur im Rhythmus der Musik vernichtet werden kann und dementsprechend viel Zeit bis zum Einschlag bleibt.

Rez Infinite - Launch Trailer
Ein weiterer sofort verfügbarer Titel für PSVR ist Rez Infinite.

Das Potenzial hinter PlayStation VR bleibt ungenutzt, weil das Headset ausschließlich die Blickrichtung der Verfolgerperspektive beeinflusst. Euer Fadenkreuz bewegt sich mit der Kopfbewegung, sofern man es nicht manuell mit dem Controller ausrichtet. Schlussendlich garantiert euch diese Regelung eine kurze Reaktionszeit zwischen dem Entdecken und dem Anvisieren eines Gegners, aber sie schmälert auch das Sichtfeld, das in früheren Iterationen auf die Flugrichtung geeicht wurde.

Eine Steigerung der virtuellen Realität beziehungsweise der Abstrahierung dieser wäre möglich gewesen, wenn Tetsuya Mizuguchi die Sicht auf die Egoperspektive verlagert hätte, statt weiterhin die klassische Verfolgerkamera zu unterstützen. Problem an der Sache: Dann hätte er zur Vermeidung unfairer Passagen das komplette Spiel umgestalten müssen.

Unterm Strich profitiert REZ Infinite also kaum von PlayStation VR. Das Erlebnis wird in stereoskopischem 3-D mit freier Rundumsicht weder intensiver noch anderweitig wertvoller. Genau genommen verliert es sogar ein wenig von seiner Geradlinigkeit und dem hypnotischen Eintauchen in die Matrix. Links und rechts vom Kurs gibt es sowieso nichts Nennenswertes zu sehen.

Greift zu, wenn...

…ihr die Faszination hinter der Verschmelzung von Rail-Shooter, Cyberspace und Techno-Musik verstehen könnt.

Spart es euch, wenn...

…ihr nichts mit abstrakter digitaler Kunst aus der Zeit der Jahrtausendwende anfangen könnt.

Fazit

Denis Brown - Portraitvon Denis Brown
Generation Love Parade

So sehr ich REZ persönlich auch schätze, ich kann es im Jahr 2016 nicht mehr vorbehaltlos empfehlen. Es geht mehr um ein interaktives Kunstwerk als um ein Spiel und dieses Kunstwerk verliert mit jedem weiteren Jahr an Bezug zum Zeitgeist. Dieser Titel porträtiert die Cyberspace-Auffassung der Jahrtausendwende und garniert sie mit Musik aus demselben Zeitraum. Loveparade, Matrix, Trance, Generation Y – das sind Stichworte, die auch in der Neuauflage REZ: Infinite aus jedem Pixel sprechen. Für Nostalgiker mag das interessant sein, aber bei den Kids von heute geht die Ausdruckskraft dahinter vollkommen verloren.

Spielerisch hat REZ leider zu wenig auf dem Kasten, um diesen Verlust zu kompensieren. Seine Rail-Shooter-Mechanik kann nur selten mit einer Herausforderung aufwarten, weil sie der Kunst den Vortritt lässt. Das heißt keineswegs, dass REZ-Neulinge überhaupt keinen Spaß an Tetsuya Mizugushis Werk haben können, aber der Kunstbonus von einst und die damit verbundene Faszination sind definitiv passé, zumal die Umsetzung für PlayStation VR keinerlei herausstechende Vorteile mitbringt. REZ: Infinite spielt sich durch das Headset betrachtet weder besser noch fühlt es sich intensiver an als auf einem normalen Bildschirm.

Überblick

Pro

  • noch immer ein Kunstwerk
  • hypnotisierendes Erlebnis
  • um ein Bonuslevel erweitert
  • funktioniert passabel in VR

Contra

  • VR unterm Strich unnötig
  • ein Relikt seiner Zeit
  • spielerisch schwachbrüstig
  • könnte modernere Musik vertragen

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