Test - Resident Evil 4: Separate Ways DLC : Erst dieser geniale DLC macht das Remake vollständig
- Multi
Das Resident Evil 4 Remake wurde mit Pauken und Trompeten gefeiert – trotz einiger unnötig pingeliger Stellen und der noch immer nervigen, weil völlig unfähigen Präsidententochter Ashley. Was aber, wenn man das Spiel noch peppiger, noch dichter, ja schlicht noch spaßiger machen könnte? Diese Frage stellte sich Capcom beim Konzipieren des Spielmodus Separate Ways, der nun als DLC erschienen ist. Hier erlebt ihr die Geschichte aus Ada Wongs Sicht und nutzt ihre spezialisierten Talente, um dem Las-Plagas-Kult zu zeigen, was Horror wirklich bedeutet.
Wer von euch erinnert sich noch daran, was eine Maxi-Single ist? Kurz erklärt: Es geht um ein Relikt aus der Zeit, als Schallplatten noch das beliebteste Medium für Musik waren. Neben sogenannten Singles, also einzelnen Liedern, die mitsamt eines Bonussongs auf der Rückseite auf einer sieben Zoll kleinen Vinyl-Platte erschienen, veröffentlichten Studios extralange Spezial-Versionen, die mitunter von einem Gast-DJ neu abgemischt wurden, manchmal witzige Abwandlungen mitbrachten und nicht selten auch die Originalaufnahme beinhalteten. DJs liebten Maxi-Singles, weil ihre Datenträger mit 12 Zoll so groß waren wie volle Alben und durch die großzügig gestanzten Stereo-Rillen eine bessere Soundqualität mitbrachten als normale Singles.
Der aktuelle DLC für das Resident Evil 4 Remake erinnert stark an so eine Maxi-Single. Er kondensiert das Erlebnis der besten Momente des Hauptspiels auf knappe viereinhalb Stunden herunter, präsentiert sie in neuer Reihenfolge, wandelt sie ab, verwebt neue Elemente und hält sich doch so stringent an die Formel des Remakes, dass der Wiedererkennungswert unverkennbar bleibt. Gast-DJ ist in diesem Fall die neue Hauptfigur Ada Wong, die dem Titel getreu auf anderen Pfaden durch sämtliche bekannten Szenarien stolziert und trotzdem nur selten auf Neuen wandelt.
„Alles längst bekannt“, könnten Veteranen nun unken, schließlich gab es schon in der PS2-Adaption einen Spielmodus namens Separate Ways, den man nach dem Beenden des Originalspiels freischaltete. Diese Annahme wäre voreilig. Die neue Erweiterung für das Remake wurde noch stärker abgewandelt als das Hauptspiel. Tatsächlich füllt es einige Lücken der Geschichte so geschickt, dass sich das Resident Evil 4 Remake erst jetzt komplett anfühlt. Ganz besonders für all jene, die in der Remake-Kampagne den ein oder anderen herausgekürzten Schauplatz vermissten.
Remake mit Remix
Sollten wir eine Spoilerwarnung aussprechen? Für alle Interessierten, die das Resi 4 Remake noch nicht durchgespielt haben, auf jeden Fall. Alle anderen wissen längst, welche Mission Ada Wong verfolgt und inwiefern sie mit dem Nebendarsteller Luis verknüpft ist. Die Erzählung von der anderen Seite aus zu beobachten, klärt allerdings einige Fragen. Beispielweise, wer die Kirchturmglocke läutete, um den Angriff der Dorfbewohner abzubrechen. Oder wie Ada an Luis‘ Zigaretten gelangte.
Der Weg zu diesen Story-Stationen ist natürlich mit infizierten Dorfbewohnern und anderen Auswüchsen des Las-Plagas-Kults gepflastert. Die allermeisten sind Wiederholungstäter aus dem Hauptspiel, welche lediglich in eine neue Umgebung verfrachtet wurden, was zur ein oder anderen Ungereimtheit führt. So zerlegt beispielsweise ein weiterer El-Gigante-Troll sämtliche Gebäude um die Mühle herum, obwohl Leon genau diesen Ort viel später im Handlungsverlauf aufsuchen kann. Nichts als Fußnoten, wenn man bedenkt, dass Ada auch Schränke und Schubladen plündert, die Leon erst ein paar Stunden danach ausräumt. Spätestens, wenn man Nebenaufgaben für den Händler erfüllt, die Leon hätte bemerken müssen, wird klar, dass Kanon in diesem Universum wohl nur eine Musikstruktur ist.
Mehr Spaß durch mehr Talent
Aber ganz ehrlich: Das interessiert kein Schwein. Warum? Weil allein der Kampf mit dem Troll so viel spaßiger ist als jener, den Leon bestehen musste. In Adas Storystrang mag er nur halb so nervenaufreibend sein, weil sich eher der Troll vor Ada fürchten sollte als umgekehrt, aber es macht einfach mega Fun dem stumpfen Riesen den Arsch aufzureißen.
Wie kommt‘s? Nun, Adas Episoden wären aufgrund der vielen Wiederholungen nur halb so interessant, verfügte sie nicht über gewisse Talente, die ihre Kampfhandlungen aufpeppen. Siehe etwa ihre Grapple-Pistole. Mit diesem Enterhaken zieht sie sich akrobatisch auf Dächer, die Leon nie von oben zu sehen bekam, oder überbrückt klaffende Abgründe. Zwar nur an vorgegebenen Stellen, aber von denen gibt es genügend. Zudem rückt Ada damit Gegnern auf die Pelle, die nach Beschuss taumeln, damit sie ihnen die Kauleiste vermöbeln kann. Im Gegensatz zu Leon kommt sie also erheblich schneller in den Nahkampf.
So ziemlich jede ihrer Verteidigungsoptionen hat mehr Schmackes als bei Leon. Sie schießt besser (und darf sogar die längste Zeit einen roten Laser zum Zielen verwenden), tritt härter zu und hat auch noch bessere Sprüche auf Lager.
Die meisten Vorteile sind freilich ihren Waffen geschuldet. Da in den sieben Kapiteln weniger Zeit und Material zum Aufrüsten bleibt, wirken sich alle Maßnahmen, die man trifft, spürbar heftiger aus. Darum fühlt sich ein Kampf gegen die Ritter-Zombies selbst auf engstem Raum nur halb so nervig an wie mit Leon. Sie sind nicht mehr die Monster in diesem DLC. Wenn die Zombie-Ritter nachts schlafen gehen, schauen sie nach, ob sich Ada Wong unter dem Bett versteckt.
Schwarze Robe, rote Augen
Aber auch Ada hat ihre Nemesis, genannt die Schwarze Robe. Ein Hüne von einem übernatürlichen Mutanten, der sich bei Bedarf in Luft auflöst, Trugbilder seiner selbst erschafft und vor allem dadurch auffällt, dass er genau dann aufkreuzt, wenn unsere Heldin ihn am wenigsten gebrauchen kann. So ein übermächtiger Gegner, der selbst dieser Super-Agentin zu schaffen macht, beugt der Langeweile vor, indem er bei jeder Begegnung neue strategische Herangehensweisen verlangt.
Bei allem Respekt vor seiner Bedrohlichkeit bleibt dennoch der Verdacht, dass enge Kampfarenen und der Einsatz seiner Trugbilder allem voran Speedrunnern als Futter dienen sollen. Man muss sich schon besonders blöd anstellen, um mehr als einmal gegen ihn zu verlieren, denn zumindest im normalen Schwierigkeitsgrad liegen immer genug Ressourcen für Munition und Heilung herum.
>> 10 unvergessliche Resident-Evil-Momente <<
Auch die wenigen Rätsel und Puzzles, die ihr mit Ada absolvieren sollt (und die abermals einigen Handlungen Leons widersprechen) wirken ungewohnt zahm. Wenn man es genau nimmt, gehen manche gar nicht erst als Puzzles durch, weil ihre Lösung offensichtlich ist. Etwa dann, wenn man ein Zylinderschloss anhand dreier Symbole knacken soll und in einer Notiz den Hinweis findet, der dafür verantwortliche Wissenschaftler würde sich immer die gleichen drei Tierpräparate anschauen. Adas Augen-Implantat hebt Fußstapfen und Fingerabdrücke hervor. Somit ist es ein Leichtes zu sehen, in welcher Reihenfolge der Wissenschaftler seine Lieblingspräparate beäugte.
Diese Kritik wiegt nicht schwer auf dem Urteil über Separate Ways, denn die kleinen Puzzles sollen euch nicht aufhalten. Ihre Aufgabe besteht darin, euch für kurze Zeit etwas anderes zu tun geben, damit Adas Rolle als unschlagbare Rächerin im roten hautengen Dress nicht zu einseitig ausfällt.
Kommentarezum Artikel