Test - Red Dead Redemption 2 : Meisterwerk oder Riesenreinfall?
- PS4
- One
Rockstar hat Luxusprobleme - spätestens seit den irrsinnigen Verkaufszahlen von GTA V, das sich Jahre nach dem Release immer noch in den Charts tummelt. Entsprechend hoch sind die Erwartungshaltungen an jeden neuen Titel des Studios. Es stellt sich aber auch die Frage, ob Rockstar den erzählerisch stärkeren Spuren von Red Dead Redemption und GTA IV folgt oder weiter in Richtung des Extremsandkastens eines GTA V geht. Diese Frage können wir nun beantworten anhand der PS4-Version, die wir bereits einige Zeit vor Release als Testmuster bekommen haben.
Red Dead Redemption 2 spielt im Jahre 1899 in Amerika und ist somit ein Prequel zu den Ereignissen des vorherigen Spiels rund um den ehemaligen Outlaw John Marston, das 1911 angesiedelt war. Der Zusammenhang ist jedoch da, denn wir schlüpfen in die Rolle von Arthur Morgan, wie Marston ein Mitglied der berüchtigten Gang des charismatischen Anführers Dutch van der Linde. Eben diese Gang und somit einige Charaktere, die wir aus dem vorherigen Teil kennen, erleben wir in ihrer Blütezeit, jedoch bereits bedroht vom Umschwung der Jahrhundertwende, von der Industrialisierung, der Zähmung des Wilden Westens und dem Verschwinden der alten Outlaws.
Das Spiel beginnt nach einem gescheiterten Raubzug in der Stadt Blackwater. Die Van-der-Linde-Gang flüchtet schwer angeschlagen in die Berge, um einige Zeit den Ball flach zu halten und neue Kräfte zu schöpfen. Ein herber Rückschlag für die erfolgsverwöhnten Outlaws, die von einem Leben in Saus und Braus, aber ohne den störenden Einfluss von Gesetz und Ordnung träumen. Doch schon bald ist die Gang wieder darauf aus, zu Geld zu kommen und ihren Traum eines schönen Lebens zu verwirklichen.
Dass das Konzept von Dutch van der Linde in der immer zivilisierteren Welt der USA um die Jahrhundertwende nicht auf viel Gegenliebe stößt, bekommt die Gang jedoch alsbald zu spüren. Gejagt von den Gesetzeshütern, eckt die Gang ein ums andere Mal bei weiteren mächtigen Gegnern an und der Moment kommt, an dem nicht wenige der Gangmitglieder beginnen, die Entscheidungen ihres Bosses infrage zu stellen. Welche Folgen das schlussendlich hat, könnt ihr euch zumindest zu einem kleinen Teil anhand der Story des Vorgängers ausmalen. Weiter wollen wir auch gar nicht darauf eingehen, denn die enorm umfangreiche Geschichte von Arthur und seinen Kameraden muss man erlebt haben und wir wollen euch nicht spoilern.
Charakterstudie mit Gruppendynamik
Die enorm umfangreiche Geschichte, die an die 50 bis 60 Stunden Spielzeit umfasst, ist gespickt mit brillant ausgearbeiteten Charakteren. Die Gruppendynamik, die Loyalität der Gang und natürlich auch die einzelnen Persönlichkeiten werden einer interessanten Entwicklung unterworfen. Den Verlauf der Story könnt ihr nicht beeinflussen, auch wenn die Reihenfolge der Aufträge nicht in Eisen gemeißelt ist, aber das hätte vermutlich den Rahmen komplett gesprengt und zu fatalen Sackgassen führen können. Fest steht: Die Story ist toll geschrieben, hat viele Überraschungen und großartige Elemente, aber auch emotionale Momente und liefert beste Unterhaltung. Gerade nach dem vierten der neun Kapitel dreht Rockstar so richtig auf.
Der raubeinige Arthur Morgan entpuppt sich als gute Wahl für die Hauptfigur des Spiels. Zwar ein Gangster durch und durch, zeigt er durchaus auch emotionale Seiten und manchmal sogar so etwas wie ein Gewissen. Das stetig anwachsende Damoklesschwert des drohenden Untergangs zeigt natürlich auch bei ihm Wirkung, ebenso wie einige aus der Vergangenheit bestehende Bindungen an die letzte Möglichkeit eines normalen Lebens abseits der Gang. Zudem hält Rockstar für seine Hauptfigur im Verlaufe der Story noch einige Überraschungen bereit. Es fällt auf jeden Fall leicht, sich im Rahmen der Geschichte mit Morgan zu identifizieren.
Es hilft ungemein, dass in Red Dead Redemption 2 im Gegensatz zu GTA V nur ein spielbarer Charakter existiert, dem ihr zudem einiges an Individualität verpassen könnt. Frisuren, Bärte und die komplette Bekleidung können in Geschäften und beim Barbier angepasst werden. Das ist zum Teil auch nötig, denn die Klamotten verschleißen und verdrecken, Bart und Haare wachsen stetig. Wer die Individualisierung noch etwas weiter treiben will, kann sogar Arthurs Pferde ausstatten und „frisieren“ sowie Waffen mit individuellen Materialien, Gravuren und Upgrades versehen, sofern denn genug Dollars in der Umhängetasche stecken.
Natürlich ist auch die Van-der-Linde-Gang ein tragendes Element des Spiels. Sie übernimmt quasi die Rolle der Ersatzfamilie, ihre Camps in den rauen Weiten Amerikas sind das einzige Zuhause, das Morgan kennt. Entsprechend umfassend sind die Interaktionsmöglichkeiten. Ihr könnt jederzeit im Camp mit euren Gangkameraden kommunizieren und erhaltet so wertvolle Hintergrundinformationen sowie Missionen. Zumindest in den Hauptmissionen seid ihr zudem meist mit einem oder mehreren Gangmitgliedern unterwegs. Ihr verbringt viel Zeit mit euren Kameraden und könnt dadurch das Gefühl von Loyalität und Zusammenhalt innerhalb der Gang gut erleben, aber auch die Veränderungen, welche die Zeit mit sich bringt. Erst recht, wenn die Dinge beginnen, aus dem Ruder zu laufen.
Reichlich Beziehungskisten
Konsequenterweise ist auch John Marston, die Hauptfigur des ersten Teils, mit an Bord. Somit werden die beiden Spiele hervorragend verknüpft und es gibt tolle Einblicke, was zu den ganzen Ereignissen in Red Dead Redemption geführt hat. Die verschiedenen Charaktere der Gang werden gut ausgearbeitet, die hervorragenden Dialogsequenzen bringen euch die Persönlichkeiten gut näher. Wo wir gerade dabei sind: Natürlich gibt es Red Dead wieder mal nur mit englischer Sprachausgabe, maximal mit deutschen Untertiteln. Der eine oder andere wird sich darüber sicherlich ärgern, aber anders kennen wir es nicht von Rockstar.
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