Test - RAD : Ein Zerrbild der 80er
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Im Prügel-Adventure Rad verhält es sich ganz ähnlich, nur eben aus der Sicht der 80er. Aus diesem Blickwinkel heraus gibt es in der postapokalyptischen Zukunft keine Flatscreens, sondern weiterhin Röhrenfernseher, keine Blu-Rays, sondern Floppydiscs und Kassettenbänder, die als Währung und Schlüssel dienen. Teenager tragen Nietenjacken in Kombination mit Sneakern. Alles ist bunt, ja gar grell in Neonfarben gehüllt, während hypnotische Synthie-Klänge die Stille vertreiben.
Was Double Fine optisch wie akustisch auf die Beine gestellt hat, ist ein wahnwitziger Gestaltungskniff, der weit über das hinausgeht, was Rockstar einst mit GTA: Vice City schaffte, denn statt einfach nur die 80er zu zitieren, imitiert und extrapoliert RAD viele Dinge, die dieses Jahrzehnt ausmachten. Die angesprochene Synthie-Musik ist ein wunderbares Beispiel dafür, da der Soundtrack bewusst (und gekonnt) Elemente aufgreift, die Kenner des Jahrzehnts dazu bringen, gewisse Songs im Kopf zu manifestieren. Hier meint man den Einleitungs-Gong aus Michael Jacksons „Beat it“ zu vernehmen, da ist man verführt, die Melodie von Jan Hammers Crockett-Theme (aus "Miami Vice") auf einen Basslauf zu pfeifen.
Der Witz an der Sache ist jedoch, dass keiner der erwähnten Songs tatsächlich vorkommt. Stattdessen verursachen die enthaltenen Musikstücke so etwas wie einen Achtzigerjahre- Phantomschmerz. Man fühlt etwas, das gar nicht vorhanden ist. Wobei allerdings zu erwähnen wäre, dass ein paar authentische Soundeffekte helfen, das Gefühl zu verfestigen. Etwa die originalgetreuen Galaga-Soundeffekte, die jedes Mal ertönen, wenn der Protagonist an einem Spielautomaten vorbeigeht, oder der epische, fast schon zu coole Off-Sprecher, der selbst die Ladebildschirme kommentiert und dabei ein wenig an die Gauntlet-Serie erinnert.
Spieler, die in den 80ern aufgewachsen sind, erleben in Rad ein Nostalgie-Wechselbad, das sich kaum in Worte kleiden lässt. Sozusagen ein als Videospiel manifestiertes Testament der Generation X, das für jüngere Spieler kaum nachvollziehbar ist, aber dank der triefenden Klischees trotzdem faszinierend sein kann. Doppelter nuklearer Fallout und viele andere Endzeit-Klischees, verpackt in ein grelles, ja gewissermaßen positives Weltbild, das nicht die geringste Hemmung einer vom 11. September geprägten Realität kennt.
Es ist die Postapokalypse, aber eben eine rhythmische, eine stylische, eine technologisch stehengebliebene Variante davon, vergleichbar mit einem spiegelverkehrten Zerrbild, das Robert Zemeckis‘ Zurück in die Zukunft 2 vom Jahr 2015 in Aussicht stellte. Wobei das bizarrste daran ist, dass das alles die Geschmacksnote der heutigen Perspektive auf die 80er trägt. Das Ergebnis ist so irre, dass es einem die Gehirnwindungen verknotet.
Aus der Not heraus
Schade nur, dass die gestalterischen Vorzüge so stark im Vordergrund stehen, dass sie den weiteren Aspekten des Spiels gelegentlich im Wege stehen. Wie bei Roguelike-Spielen üblich, startet euer Held in einem zentralen HUB mit einem sehr eingeschränkten Set an Talenten. In diesem konkreten Fall kann er anfangs nicht mehr als mit einem Baseballschläger zuschlagen und springen, was immerhin die Steuerung so einfach gestaltet, dass Double Fine vollständig auf ein Tutorial verzichtet. Die Reichweite des Schlägers ist allerdings so gering, dass man den radioaktiven Monstern der Marke Killer-Blob und Stachel-Flunder stetig auf die Pelle rücken muss.
Das wäre nicht so sehr ein Problem, wenn die neonlastige Gestaltung etwas mehre Übersicht gewährte. Jeder Treffer wird durch ein effektreiches Feedback untermalt, das sowohl die Distanz zum Feind als auch dessen Konterreaktionen verdeckt. Ganz schön ärgerlich, wenn man bedenkt, dass die isometrische Dreiviertel-Perspektive allein bereits das Abschätzen aller Distanzen erschwert. Und je weiter man kommt, desto trickreicher verhalten sich die Gegner. Geduld und Beobachtungsgabe rangieren noch vor flinken Joypadreaktionen.
Roguelike-Spiele bestechen grundsätzlich durch ihren hohen Schwierigkeitsgrad, aber bei Rad zollt man den Gegnern aus der schieren Not mangelnder Angriffsvarianten heraus Respekt, und nicht, weil sie besonders intelligent programmiert wurden. Das geht so weit, dass man nach einigen gescheiterten Versuchen die ersten Level so lange durchgrindet, bis man mit einer Fernkampfmethode belohnt wurde. Etwa einem starken Feuerball oder einem Strahl, der Gegner dazu bringt, für den Protagonisten zu kämpfen. Ohne solche Angriffsmethoden gleicht der Besuch höherer Spielstufen einem Himmelfahrtskommando. Angesichts der Permadeath-Regelung also reine Zeitverschwendung.
Nun, dieser kleine Knacks im Spielsystem scheint den Machern durchaus bewusst zu sein, daher gewährt Rad dem Spieler freie Hand beim Abgrasen der Areale. Ein Zeitlimit gibt es nicht und dank der Grasspur, die der Held überall hinterlässt, erkennt man auf den ersten Blick, wo man bereits gewesen ist. Netterweise erhöht die Grasspur auch die Laufgeschwindigkeit, wenn man erneut auf ihr wandelt, was die Nerven schont und mitunter einen Vorteil beim Kämpfen verschafft. Gerade in den Höhlen und Tunneln, die mehrere Gebiete untereinander verknüpfen, ein echter Segen. Selbst Anfänger verlaufen sich nur höchst selten.
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