Test - Prince of Persia: The Lost Crown : Test: Gehobene Metroidvania-Kost mit kleinen, aber feinen Ideen
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Metroidvanias. Bei diesem Begriff rollen sich mittlerweile selbst gestandenen Redakteuren die Zehennägel auf. Nicht etwa, weil die Backtracking-lastigen und Skill-basierten Sidescroller Spielspaßpotenzial nahe dem Nullpunkt böten. Vielmehr litt man in den letzten Jahren unter einem konstanten Bombardement meist mittelprächtiger Genrevertreter. Sich durch den Morast zu wühlen, um letztlich mit viel Glück eine Perle zu bergen, kann durchaus schlauchen. Die Information, dass Prince of Persia: The Lost Crown ebenfalls in die Metroidvania-Grube hüpft, sorgte darum für jede Menge Skepsis. Glücklicherweise zu Unrecht, wie sich im Test herausstellt.
Das lief ja mal überhaupt nicht gut für Sargon. Eigentlich sollte dem jungen Krieger eine strahlende Zukunft als Teil der Unsterblichen bevorstehen, einer Elite-Truppe von Kriegern. Blöderweise wird der persische Prinz Ghassan aber entführt, was mit einem massiven Verrat innerhalb der eingeschworenen Truppe einhergeht. Die Saat der Zwietracht ist hiermit gesät und die Rettungsmission zum magischen Berg Qaf stellt Sargon und seine ehemaligen Gefährten und Gefährtinnen vor größere Probleme, als sie sich jemals hätten träumen können. Da helfen auch die seltsamen Zeit-Anomalien und bösartige Biester nicht weiter.
Richtig geschlussfolgert: Ihr schlüpft in Prince of Persia: The Lost Crown nicht mehr in die Haut eines royalen Thronfolgers. Für den eigentlichen Spielablauf ist dieser Umstand aber komplett egal. Die Story punktet ohnehin nicht mit überraschenden Wendungen oder verworrenen Handlungssträngen. Stattdessen fordert Ubisoft Montpellier, das Studio hinter den genialen Titeln Rayman Origins und Rayman Legends, eure Reflexe ordentlich und erlegt euch einige kernige Skill-Prüfungen auf. Da bleibt für eine ausufernde Geschichte kein Platz.
Eine royale Tracht Prügel
Letztlich wagt das Studio mit Prince of Persia: The Lost Crown keine großen Experimente, sondern setzt euch ein Metroidvania der alten Schule vor. Sargon rennt durch zweidimensionale Umgebungen und bekämpft allerhand Feinde, die von untoten Fußsoldaten über schwebende Zeit-Hexen bis hin zu dunklen Kopien des Helden selbst reichen. Der Schwierigkeitsgrad der Auseinandersetzungen steigt dabei angenehm an, sodass ihr in eurem eigenen Tempo die Eigenarten der Gegnertypen lernt und rechtzeitig erkennt, welchen Attacken ihr ausweichen könnt, welche nicht zu blocken sind und welchen ihr am besten einen saftigen Konter entgegensetzt.
Zur Wehr setzt ihr euch zunächst mit Sargons zwei Schwertern. Sein Repertoire umfasst leichte und aufgeladene Hiebe, dazu kontert er Standard-Angriffe, schlägt Gegner in die Luft oder attackiert sie aus dem Lauf heraus mit einem schnellen Sprungtritt. Dank der präzisen und direkten Steuerung geht alles schnell von der Hand und die fünf Schwierigkeitsgrade bieten für jeden und jede die ideale Herausforderung. Was mir in Sachen Zugänglichkeit sehr gut gefällt: The Lost Crown lässt euch Details wie erlittenen Schaden, gegnerische Gesundheit, Paraden- und Ausweich-Timings und mehr bei Bedarf selbst anpassen – vorbildlich!
Ergänzt werden eure Standardangriffe von den Athra-Kräften. Diese kommen in unterschiedlich starken Stufen daher und können nur ausgelöst werden, sofern die entsprechende Leiste aufgeladen ist. Von wuchtigen Nahkampfangriffen über Heil-Flächen bis hin zu magischen Pfeilen wird euch alles geboten. Nicht selten retteten mir diese Fähigkeiten in Bosskämpfen den Hintern. Bis der Athra-Balken durch ausgeteilte Treffer aufgeladen ist, braucht es aber durchaus einige Zeit.
Bei den Bossen präsentiert sich Prince of Persia: The Lost Crown mit untoten Ebern, kräftigen Chimären und Riesenschlangen passend zum Szenario. Zwar hätte ich mir ein paar Obermotze mehr gewünscht, dafür fordern sie immer im genau richtigen Maße. Beispielsweise bereitete mir die Riesenschlange Azhdaha mächtige Probleme, bis ich kapierte: Ich musste nicht nur den mittlerweile erlangten Bogen sowie die Chakra-Wurfscheiben, sondern auch meine Zeitkräfte richtig einsetzen. Kurze Zeit später hatte es sich ausgeschlängelt.
Wer hat an der Uhr gedreht?
Die liebe Zeit ist auch in The Lost Crown ein zentrales Thema. Auf dem Berg Qaf stoßt ihr immer wieder auf Vergangenheitsversionen bekannter Charaktere und erlebt, wie sich Umgebungen nach dem Zerstören einer Anomalie wieder regulär verhalten. Sargon lernt immer neue Skills, mit denen ihr die Grenzen der Physik ordentlich umkrempelt. Vom Standard-Dash, den das Spiel durch eine Krümmung im Raum-Zeit-Gefüge erklärt, bis hin zum Dimensionswechsel reicht das Angebot. Letzterer macht eine Ebene durchlässig oder verfestigt sie und stellt eure Reflexe auf die Probe. Ungünstig fällt die Standard-Belegung auf dem rechten Stick aus, allerdings dürft ihr auch auf den Konsolen die Aktionen jederzeit neu zuordnen.
Noch cooler ist die Möglichkeit, eine Kopie eures Helden an jeder Stelle zu erschaffen und euch bei Bedarf an eben jenen Ort zurückzuversetzen. Damit weicht ihr bedrohlichen Blöcken aus oder teleportiert euch hinter den Hieb eines Feindes. In den zahlreichen Plattform-Passagen kommen die Skills natürlich ebenfalls zum Einsatz und eröffnen euch selbstverständlich neue Wege in bereits besuchten Gebieten. Via Doppelsprung erreicht ihr höher gelegene Ebenen und in einer Zeitblase gefangene Bomben sprengen brüchige Wände auf.
All das Backtracking sorgt bisweilen natürlich für Probleme bei der Wegfindung, eine typische Genre-Krankheit. Hier bietet Prince of Persia: The Lost Crown zwei clevere Ideen, um euch das Leben zu erleichtern. Zum einen dürft ihr in begrenzter Anzahl Erinnerungen auf der Karte erstellen, die praktischerweise mit einem Screenshot einhergehen. So seht ihr direkt, welche Fähigkeit euch vermutlich fehlt und spart euch unnütze Reisen.
Außerdem gibt es den aus anderen Ubisoft-Titeln bekannten geführten Modus. In diesem zeigt euch die Map euren nächsten Story-Punkt an und verrät, welche Durchgänge passierbar sind und welche ihr links liegen lassen solltet. Ihr habt keinen Bock auf Stützräder? Dann schaltet einfach in den Erkundungs-Modus und zieht auf eigene Faust los. Wenn ihr doch einmal komplett hängt, dann lohnt sich ein Besuch im Unterschlupf. Hier erhaltet ihr von dem kleinen Mädchen Faribo Hinweise, wo es als Nächstes hingeht – gegen eine kleine Gebühr an Zeitkristallen, versteht sich.
Die Währung erhaltet ihr von erlegten Gegnern und durch versteckte Sammelpunkte. Ihr investiert sie bei einer Händlerin zudem in Trank-Upgrades oder steckt sie in der Schmiede in Verbesserungen für die Waffen oder neue Talismane. Für die Aufwertungen benötigt ihr außerdem spezielle Erze, die ihr überall findet, auch hinter geheimen Wänden. Die Talismane hingegen versorgen euch mit diversen Boni – von mehr Lebensenergie über erhöhten Schaden ist alles am Start. Allerdings steht euch nur eine begrenzte Anzahl an Slots zur Verfügung, ihr müsst also gut überlegen, welche ihr an den Rastpunkten ausrüstet. Die Bäume zum Ausruhen sind fair platziert und oftmals findet sich in ihrer Nähe auch ein Schnellreisepunkt.
Eine runde Mischung
Ubisoft Montpellier schafft es mit Prince of Persia: The Lost Crown erstaunlich gut, die Balance zwischen Kämpfen und Plattform-Segmenten zu wahren. Wann immer ich das Gefühl hatte, dass die Gegner langsam lästig werden, setzte das Spiel mir eine ausgiebige Kletterpassage vor, die gerne mit kleineren Rätseln aufwartete. Trial and Error ist nur selten angesagt, stattdessen hilft ausgiebiges Beobachten der Lage stets dabei, ans Ziel zu kommen.
Allerdings sollten eure Reflexe selbst bei aktivierten Hilfen nicht von schlechten Eltern sein. Oftmals entscheidet sich innerhalb von Sekundenbruchteilen, ob ihr abstürzt oder überlebt. Frustrierend fiel das Erlebnis für mich dank der präzisen Steuerung aber nie aus. Dafür geht ein großes Lob an das Entwicklerteam raus – so muss sich ein Metroidvania anfühlen!
Umso mehr stießen mir kleinere Ungereimtheiten auf. Als Beispiel sei eine ellenlange Passage genannt, an deren Ende eine Xerxes-Münze wartete. Diese erhielt ich jedoch nicht sofort nach dem Einsammeln. Stattdessen musste Sargon erst wieder festen Boden unter den Füßen haben. Irgendwo zwischen Wänden, die durch Dimensionswechsel verschwanden, und Schwungstangen ging mir das Objekt der Begierde jedoch immer verloren. Über die Gründe kann ich nur mutmaßen.
Die Cartoon-Grafik mit Fortnite-Anleihen ist sicherlich Geschmackssache, doch mir gefiel sie mit jeder Spielminute besser. Zumal The Lost Crown das Kunststück schafft, trotz seiner 3D-Hintergründe nie Probleme bei der Übersicht aufkommen zu lassen.
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