Test - Port Royale 4 : Ahoi, ihr Landratten!
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Hungersnöte, Krankheiten, Territorialkämpfe und Piraten sind vier Plagen, die das Leben auf den mittelamerikanischen karibischen Inseln des 16. Jahrhunderts erschwerten. Doch die Kolonialmächte der modernen Zivilisation wussten sich mithilfe von Handel, Produktion und Kriegsführung aus der Misere zu helfen. Port Royale 4 verknüpft all diese Faktoren ein viertes Mal zu einem atmosphärischen Wirtschaftsmanager.
Die See war blau, der Wind rau und die Namen der Städte exotisch. Die karibische Seefahrerei des späten 16. Jahrhunderts ist für so manchen Mythos verantwortlich, der Werke wie „Die Schatzinsel“ oder „Meuterei auf der Bounty“ hervorbrachte, auch wenn deren Geschichten etwa 70 bis 100 Jahre später stattfanden. Die oft zitierte Seefahrerromantik gab es nicht. Stattdessen schlechtes Essen, brutale Disziplin und eine dauerhafte Bockwurstparty ohne Frauen.
Doch ohne sie hätte die Kolonialisierung Amerikas nicht stattfinden können. Seefahrer festigten über Jahrhunderte hinweg die Bräuche des modernen Kapitalismus, der weit mehr beinhaltet als die einfachen Regeln des günstigen Einkaufens und teuer Verkaufens. Effizienz, Logistik, Zeitmanagement – all das war auf hoher See viel größeren Risikofaktoren ausgesetzt als auf dem Festland. Dinge, die Port Royale 4 sehr gut einfängt.
Das Spiel beginnt mit gemächlichen Vorgaben. Als Vertreter einer der vier Kolonialmächte England, Spanien, Frankreich und Niederlande sticht man in See und etabliert Handelsrouten auf einer mehr oder minder übersichtlichen Karte. Die Vorgehensweise hängt vom Spielmodus ab, denn in der Kampagne unterliegt man den Wünschen des Vizekönigs, der zwecks Ausbaus der eigenen Kolonien diverse Ziele verfolgt. Ignoriert man sie, winkt der Game-Over-Bildschirm. Solche Wünsche hegt eure Hoheit auch im freien Spiel, doch da muss der hochwohlgeborene Vize mit Enttäuschungen leben, wenn man keine Lust hat, als Lakai der Krone über das Meer zu schippern.
So oder so geht es um dieselbe Basis. Karibische Städte rund um das Areal des heutigen Kuba, der Dominikanischen Republik und den südlichen USA produzieren Waren und benötigen gewisse Güter. Ein Geflecht aus Angebot und Nachfrage, das nur mithilfe von Schiffen in bares Geld verwandelt wird. Man kauft dort ein, wo Überschuss günstige Preise generiert, und verkauft dort, wo die Not den Preis hochtreibt. Keine Raketenwissenschaft, aber ein grundsolides Management-Prinzip, das bereits einen Großteil des Spielablaufs füllen würde, wenn man all das händisch vollziehen müsste.
Ist aber nicht nötig. Sobald einmal klar ist, welcher Ort nötige Waren produziert und wo sie gebraucht werden, darf man den Ablauf automatisieren und Schiffsflotten auf feste Handelsrouten schicken. Wer effizient arbeiten will, sollte aber zumindest die ersten Schritte eigenhändig abwägen, was in Port Royale 4 allerdings genauso mühselig vonstattengeht wie in den Vorgängern, weil die entsprechenden Menüs unübersichtlich angelegt wurden.
Man muss in jeder Stadt, die man per Mausklick inspiziert, durch Menüs mit unnötig großen Tabellen scrollen, die überall die gleiche Struktur haben. Angesichts der Tatsache, dass man schon nach kurzer Zeit viele Handelspläne automatisiert, eine sinnlose Zeitverschwendung. Kleine Indikatoren mit roten und grünen Balken zeigen klar an, was in welcher Menge vorhanden ist oder benötigt wird. Warum kann man die Liste nicht anhand dessen sortieren? Warum ist es noch immer nicht möglich Angebot und Nachfrage zweier Städte nebeneinander aufzulisten, statt sie allesamt einzeln zu inspizieren?
Das heißt im Klartext: Für das Aufstellen der ersten gewinnträchtigen Handelsrouten braucht man entweder ein gutes Gedächtnis oder ganz altmodisch Stift und Papier. Andernfalls läuft man Gefahr, Schiffe auf Routen zu schicken, die zu lang ausfallen oder deren Gewinnmargen den Aufwand nicht decken. Was mitunter an den Seewegen liegt, denn Windströmungen, Sturmgebiete und von Kriegen heimgesuchte Territorien bestimmen, wie lange ein Schiffskonvoi für seine Fahrt benötigt.
Faktoren, auf die man wenig Einfluss hat, aber man kann sich den Gegebenheiten anpassen. Etwa indem man Handelsrouten so plant, dass sie den Löwenanteil ihres Weges mit Rückenwind passieren, beziehungsweise Sturmgebiete generell umfahren. Wenige Mausklicks genügen für die Änderung der Reihenfolge angefahrener Städte, wie auch für die Anpassung des genauen Kurses über das Meer. Ein paar Grad mehr nach links oder rechts können die Fahrt um Tage verkürzen, was wiederum die Kosten für Lieferungen minimiert.
Der Handel von Gütern, die bereits vorhanden sind, stellt aber nur die Basis des gesamten Zyklus dar. Sobald man größere Schiffe eingekauft und mehrere lukrativ arbeitende Konvois etabliert hat, lohnt sich das Eintauchen in die zweite Ebene der karibischen Wirtschaft. Anstelle der schlichten Bedienung von Angebot und Nachfragen rückt die Erstellung eben jener. Dazu braucht man Konzessionen, die das Erstellen eigener Waren erlauben. Freilich nur in Städten, die einem wohlgesonnen sind.
Hierfür muss man sich Rufpunkte erarbeiten, um sie gegen Perks diverser Art einzutauschen. Daher ist es durchaus von Vorteil, den Vizekönig nicht permanent zu ignorieren, sondern seine Wünsche zu erfüllen, sofern das meist strenge Zeitlimit kein Hindernis darstellt. Auch freuen sich Anwohner über kleine Gefallen, etwa wenn man einen gekenterten Seemann zu seiner Tochter zurückbringt. Schade nur, dass man keinen echten Kontakt zu Land und Leuten pflegt. Sprechblasen und Textnachrichten an den Küsten sind das Höchste der Gefühle. Manchmal möchte man einfach mal in eine der Städte eintauchen und vernehmen, wie es den Leuten geht, was sie sich wünschen, wo ihre Sorgen liegen.
Nun gut, wir sind hier nicht bei „Die Siedler“, sondern bei einer Handelssimulation, die lediglich Anteile eines Stadtmanagements in den Ablauf einflechtet. Am Ende geht es also nur um Waren, und wie man sie möglichst effizient erstellt, beziehungsweise verkauft. Wer an dieser Stelle mehr Tiefgang erwartet, muss sich ein anderes Spiel suchen, etwa die Siedler- oder Anno-Serie.
Das Erstellen eigener Waren hat viele Vorteile. Neben der Kontrolle über Liefermengen und dem Verkürzen einiger Wege, vermiest man den anderen Kolonialmächten mitunter das Geschäft, indem man Preise unterbietet oder schlicht schneller vor Ort ist. Das setzt allerdings eine Menge Feinarbeit voraus, denn die Errichtung einer Produktionsstätte reicht für einen ordentlichen Nachschub in der Regel nicht aus. Vielmehr muss die Stadt, in der man produziert, genügend zufriedene Einwohner aufweisen, die abseits der Plackerei in Wohnvierteln hausen und in Kirchen wie auch Kneipen ihr Seelenheil finden. Frei von Seuchen zu sein, ist sicherlich auch nicht schlecht.
All das ist durch freihändiges Zoomen von der Übersichtskarte in das Stadtbild eines Ortes möglich. So erkennt man die hexagonale Struktur der Stadtplanung und bringt die nötigen Schritte in Gang. Der ganze Ablauf ist ein wenig fummelig, aber doch gut genug gelöst, um den strategischen Anteil herauszukristallisieren.
Was dagegen fehlt, ist Identifikation. Mit den Stadtbewohnern, mit den eigenen Crews, mit Land und Leuten eben. Die einzigen Personen, denen man mit einer gewissen Sympathie begegnen kann, sind Kapitäne, die man spätestens bei der Bemannung von Kriegsschiffen benötigt. Etwa zur Verteidigung gegen Piraten oder bei Staatskonflikten, in die man über kurz oder lang zwangsläufig verwickelt wird. Fähige Kapitäne sucht man anhand ihres Bewerbungsprofils aus, da sie in der Regel eine Spezialisierung mitbringen, die in Kampfhandlungen nützlich ist. Wenn auch nicht im großen Stil, denn die wertvollsten strategischen Kniffe erwirbt man doch wieder über Perks im allgemeinen Spiel.
Was uns zur einzigen wirklich auffälligen Neuerung in Port Royale 4 bringt: das System der Seeschlachten. Es geht nun rundenweise auf einem Hexagon-Raster vonstatten, was zwar strategische Übersicht garantiert, das Ganze aber auch langweiliger und träger macht als bei den bisherigen Ablegern. Im Schlachtgeschehen verteidigen kampffähige Schiffe die hilflosen Transporter, denen Versenkung oder Plünderung droht. Geschossen wird maximal zweimal je Zug, nämlich von Backbord und Steuerbord, sofern die Reichweite und der Beweglichkeitswert es zulassen.
Die genannten Perks, die man sich dazuverdienen kann, entfachen beispielsweise Feuer auf gewissen Feldern, die dadurch unpassierbar werden, vernebeln die Sicht durch Rauch oder rufen einen Kraken herbei, der ein gegnerisches Schiff festhält. Zudem kann man Runden für die Reparatur eines angeschlagenen Kahns investieren.
Klingt nett, aber unterm Strich geht es um eine reine Materialschlacht. Wer mehr Schiffe und dickere Kanonen hat, gewinnt zwangsläufig - da lässt sich auch mit der gewieftesten Strategie nichts drehen. Sich selbst am Plündern und Brandschatzen zu beteiligen klingt angesichts dieser Voraussetzungen verlockend, bringt im Vergleich mit zehn bis fünfzehn Minuten gutem Handel aber kaum vergleichbaren Gewinn ein und stellt sich somit als Zeitverschwendung heraus. Zumindest, sofern man sich nicht aus reinem Spaß an der Freude dem Piratenleben verschreibt.
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