Test - Paper Mario: The Origami King : Ein Tauziehen zwischen Alt und Neu
- NSw
Ein Traum ganz in Papier
Nintendo hat sich in den letzten Jahren als wahrer Meister darin erwiesen, Grafiken im Stile von Bastelmaterialien überzeugend rüberzubringen. The Origami King ist in dieser Disziplin die Krönung. Raue Papierstrukturen, verknitterte Metallic-Papier-Oberflächen, abgerissene Ränder - alles sieht aus, als wäre es zuvor wirklich von Hand bearbeitet worden. Der Stil, den Color Splash eingeführt hat, wurde konsequent fortgeführt und ausgebaut. In leuchtende Rottöne der Ahornbäume gehüllte Schluchten und fackelbeleuchtete Dungeons aus Papier machen viel her. Das Design ist zwar eine Augenweide, jedoch geht dadurch der Bilderbuch-Charme früherer Teile verloren.
Auch wenn die gesamte Welt von Paper Mario aus dem gleichen Ausgangsmaterial gefaltet wurde, erschlägt der recht wilde Mix in The Origami King bisweilen: Mit 2D-Druck-Mario, Origami-Faltschergen und dreidimensionalen Bastelwelten treffen viele Ideen aufeinander, weshalb das Gesamtbild nicht immer wie aus einem Guss wirkt. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Ein großer Schritt zurück zu den glorreichen Tagen des Papier-Rollenspiels ist dagegen der allgemeine Aufbau der Welt. Die Ableger Sticker Star und Color Splash rissen die ehemals zusammenhängenden Spielabschnitte durch eine Oberwelt auseinander. Darum fühlten sich der 3DS- und Wii-U-Ableger mehr wie eine Aneinanderreihung von Levels und weniger wie ein tatsächlich zusammenhängendes Land an. The Origami King wirft die verhasste Oberwelt über Bord und setzt zugunsten der Atmosphäre auf eine verbundene, wenn auch ziemlich geradlinige Welt.
Kreative Kämpfe, aber nicht zu Ende gedacht
Eine völlig neue Richtung schlägt das Kampfsystem ein, das einen Puzzle-Aspekt noch vor dem eigentlichen Kampf in den Mittelpunkt rückt. Bei Gegnerkontakt wird Mario in die Mitte eines konzentrischen Schiebepuzzles befördert, auf dessen Feldern Gegner verteilt werden. Unter Zeitdruck und mit begrenzter Zugzahl müssen die Origami-Obstakel durch Drehen und Schieben in Reihen und Gruppen angeordnet werden, um Marios Kampfkraft zu erhöhen. Außerdem garantieren sie in aller Regel einen sofortigen Sieg im Zuge des bekannten, reaktionsgetriebenen Kampfes.
Münzzahlungen verlängern das Zeitlimit so lange, wie es der Geldbeutel zulässt. Alternativ sagen in der Welt aufgespürte Toads gegen eine Gebühr ihre Unterstützung zu und heilen Mario oder schaden einem Gegner. Schafft man es nicht, die Feinde ideal anzuordnen, bestraft einen das System mit empfindlichen Schadenswerten, die von der Anzahl der Gegner abhängen. Das kann vor allem in Scharenschlachten, die in mehreren Wellen ablaufen, gefährlich werden. Während die ersten Puzzles noch sehr simpel ausfallen, entpuppen sie sich mit zunehmender Zug- und Gegnerzahl als wahre Kopfnüsse, die selbst große Münzguthaben in Windeseile verschlingen.
Bosskämpfe drehen den Spieß um. Hier befindet sich das Ungetüm in der Mitte und Mario am Rand. Durch Anordnung von Pfeilen und Aktionsfeldern auf den Ringen muss der hauchdünne Klempner zum Zentrum gelangen, um idealerweise die Schwachstellen des Ungeheuers auszunutzen. Auch sie werden zunehmend komplexer und haben allesamt ihre eigene Herangehensweise. Egal ob Boss oder Shy Guy, das Wechselspiel aus Belohnung und Bestrafung motiviert, solange man die Kämpfe für sich betrachtet.
Denn Origami King hat das Problem, an dem die Kampfsysteme von Sticker Star und Color Splash krankten, zwar entschärft, aber nicht gelöst. Mario sammelt keine Erfahrungspunkte, sondern erhöht bestenfalls seine Kraftanzeige. Für einen Sieg winkt eine ordentliche Summe Münzen, die neben dem Erwerb von Items zur Vereinfachung einiger Spielaspekte aber hauptsächlich wieder in die Kämpfe fließt. Entweder ruft ihr Toads um Hilfe oder tauscht die Pappmoneten gegen mehr Zeit ein. Wer Auseinandersetzungen meidet, zieht daraus keinen wirklichen Nachteil, denn die Welt spuckt auch so genug Münzen für unausweichliche Begegnungen aus.
Partner? Jein!
Vor allem Paper Mario und die Legende vom Äonentor wurde für die einzigartigen Partner geschätzt, die als Marios Teamkameraden fungierten. Sie brachten ihre eigene Geschichte mit und waren ein aktiver Teil der Kämpfe. Sie sind nach Jahren der Abwesenheit zurück, wenn auch erneut nur in Form eines Kompromisses. Mario begleiten zwar Figuren, allerdings nur vorübergehend. Auch ihre Rolle im Kampfgeschehen und der Handlung fällt sehr viel kleiner aus. Den größten Wermutstropfen stellt aber ihre fehlende Individualität dar. Ein Bob-omb ist eben nur ein Bob-omb und auch Kamek bleibt immer Kamek. Das lässt wenig Spielraum für einzigartige Persönlichkeiten und trifft auch auf den Großteil der übrigen Charaktere im Spiel zu.
Für den mangelnden Einfallsreichtum kann der Entwickler Intelligent Systems herzlich wenig. In den vergangenen Jahren wurden Nintendos Bestimmungen für Änderungen am geistigen Eigentum sehr viel strenger. Anpassungen an bekannten Figuren sind heute kaum mehr möglich. Doch gerade sie haben ein Spiel wie Paper Mario von Nintendos Jump-’n’-Runs abgegrenzt. Auf Figuren wie Gumbrina solltet ihr also in Zukunft kein Geld mehr setzen.
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