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Test - Life is Strange: Before the Storm : Vom Punk zum Emo

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Life is Strange traf ganz offenbar nicht nur einen Nerv, sondern mitten hinein ins Herz einer ganzen Generation. Die interaktive Geschichte war mehr als ein Märchen über Zeitreisen und die folgenschweren Konsequenzen scheinbar nebensächlicher Entscheidungen, sondern vor allem ein emotional mitreißendes Coming-of-Age-Drama über Verlust, Loslassen und die schmerzhafte Erinnerung an eine sorgenfreie Kindheit.

Life is Strange: Before the Storm ist voll und ganz Letzteres: kein Zeitreise-Hokuspokus, kein Schmetterlingseffekt, stattdessen die authentische Geschichte zweier Teenager, die verzweifelt auf der Suche nach sich selbst und ihrem Platz im Chaos des Lebens sind und dabei einander finden: zwei Seelenverwandte, die der Welt den Stinkefinger zeigen. „Life is Strange“ - also „Das Leben ist seltsam“ - heißt nicht zufällig so, beschreibt es doch genau die unsichere Gefühlslage von Teenagern, die sich mitunter wie Aliens auf einem fremden Planeten vorkommen.

Erst recht im Falle von Chloe Price, der zentralen Nebenfigur im ersten Life is Strange: Das einst lebensfrohe Mädchen kann auch Jahre später den Unfalltod ihres Vaters nicht verwinden, verzeiht ihrer ehemals besten Freundin Max nicht, dass sie das Provinzkaff, in dem beide aufwuchsen, in Richtung Großstadt verlassen hat. Zudem hasst sie den neuen, streng konservativen Freund ihrer Mutter. Alkohol, Drogen und ständige Rebellion sind ihre Art der Flucht aus diesem Leben.

Bis sie Rachel Amber kennenlernt. Auch sie nahm eine Schlüsselrolle in der Vorgeschichte von Life is Strange 1 ein, die Art ihrer Freundschaft zu Chloe und die Umstände ihres rätselhaften Verschwindens wurden dort jedoch nie geklärt. Diese Geschichte erzählt nun Before the Storm.

Auf den ersten Blick könnten Chloe und Rachel unterschiedlicher nicht sein. Chloe ist das, was die Super-Nanny ein typisches „Problemkind“ nennen würde: aufsässig, rebellisch und eine Attitüde vor sich hertragend, die in großen Lettern „Null Bock!“ schreit. Rachel hingegen ist die Musterschülern von Arcadia Bay: blendend aussehend, bei allen beliebt und nur mit den bestmöglichen Noten unter den Klausuren.

Und doch scheint sie ein eigenartiges Doppelleben zu führen. Keines selbstverständlich, in dem Leichen im Keller zu erwarten sind, aber dass Chloe und Rachel sich ausgerechnet in einem runtergekommenen Metal-Schuppen zum ersten Mal begegnen und gleich in eine Schlägerei verwickelt werden, legt nahe, dass auch im Leben des vermeintlichen Everybody's-Darling nicht alles so rund läuft, wie es den Anschein hat.

Das Geheimnis eines Sommers

Life is Strange: Before the Storm sollte man am besten als Standalone-Add-on begreifen. Deutlich geringer ist der Umfang, sehr viel geradliniger die Geschichte, weitaus unbedeutender sind die Nebenfiguren. Die Entscheidungen wirken sich zumindest in der ersten Episode nur minimal auf den Verlauf aus. Vermutlich werden sie vor allem zum Ende hin die Beschaffenheit der Beziehungen der Charaktere untereinander definieren, allen voran wahrscheinlich, ob die enge Freundschaft zwischen Chloe und Rachel eine platonische bleibt oder sich zu einer Liebesbeziehung entwickelt.

Mancher mag Before the Storm ankreiden, dass es die komplexen Verwicklungen und Wendungen des Vorgängers vermissen lässt, der Geschichte das Spektakuläre fehlt, die Örtlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten stark begrenzt sind und die Abläufe sehr durchschaubar. Auch die Untiefen der Kitschgewässer können im rauen Seegang wogender Gefühle manchmal nur um Haaresbreite umschifft werden. Gleichzeitig aber liegt genau darin das große Verdienst von Life is Strange: Before the Storm.

Außergewöhnlich für ein Videospiel gibt es hier keine Heldentaten, phantastische Abenteuer und bedrohliche Monster an jeder Ecke, nicht einmal den dezenten Hokuspokus des Vorgängers. Life is Strange: Before the Storm ist der reinste Versuch eines authentischen Spiele-Dramas bislang und ein weitaus gelungenerer als etwa Gone Home. Nicht nur wegen des Provinzsettings erinnern diese beiden vermeintlich so gegensätzlichen Jugendlichen, die gemeinsam den Ausbruch aus ihrer festgefahrenen Wirklichkeit wagen, an Tom Sawyer und Huckleberry Finn: am offensichtlichsten in der Szene auf einem fahrenden Güterzug, aber auch bei den zahlreichen kindisch verspielten Versuchen, der Welt etwas Magisches zu verleihen.

Life is Strange: Before the Storm - gamescom 2017 Launch Trailer
Pünktlich zum Launch des Life-is-Strange-Prequels Before the Storm gibt es zur gamescom einen neuen Trailer zum Launchl.

Einen Großteil seiner Emotionalität bezog Life is Strange damals aus seinem Soundtrack, und auch in Before the Storm nimmt die Musik einen zentralen Stellenwert ein. Dass sich Chloe und Rachel ausgerechnet während eines Rockkonzert zum ersten Mal begegnen, ist sicherlich kein Zufall, ebensowenig wie ihre erste Geste tiefer innerer Verbundenheit, indem sie sich die Kopfhörer des Musikplayers teilen. Wie schon im Vorgänger schöpft Life is Strange durch solcherlei Erzählweisen in kleinen Gesten und scheinbaren Nebensächlichkeiten seine Kraft. Jedes trotzige Schlackern von Chloe mit ihren Armen sagt mehr über diese Person aus, als es andere, erzählerisch unbeholfenere Spiele in minutenlangen Dialogen auszudrücken vermögen

Gleichwohl ist zu bedenken, dass mit der ersten, gerade einmal dreistündigen Episode erst der Grundstein gelegt ist für die kommenden Ereignisse und ein fundiertes Fazit daher noch nicht möglich ist. Bedenken habe ich, dass der Raum von insgesamt voraussichtlich zehn Stunden zu knapp sein könnte, um dem Anspruch gerecht zu werden, die vielschichtige Beziehung dieser zweier Menschen in all ihrer Komplexität auszubreiten. Schon der Vorgänger bediente sich bei der Zeichnung seiner Charaktere zu oft letztlich an eindimensionalen Stereotypen, statt ihnen ein authentisches Profil zu malen.

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