Test - Lego Bricktales VR : Test: Der ultimative Beweis, dass VR besser sein kann als 2D-Gaming
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Vor gut einem Jahr verweigerten wir dem liebenswerten Kreativ-Abenteuer Lego Bricktales einen Gameswelt-Award. Eine knappe, aber eindeutige Entscheidung. Mitunter, weil perspektivische Schwierigkeiten und das überaus fummelige Bauen von Lego-Objekten per Maus oder Gamepad unnötige Frustmomente zufolge hatten. Genau diese beiden Kritikpunkte werden mit der neuen VR-Version so vernichtend aus der Welt geschafft, dass es sich beinahe anfühlt wie ein komplett anderes Spiel, obwohl es inhaltlich um denselben Stoff geht. Lego Bricktales verschmilzt echte und virtuelle Realität besser als jeder andere VR-Titel.
Was haben wir schon darüber schwadroniert, wie viel immersiver, intuitiver und spaßiger VR-Spiele sein können, wenn sie spannende Inhalte und eine gute Steuerung mitbringen. Wir könnten Spiele wie Half-Life Alyx, Assassin’s Creed Nexus VR oder Red Matter 2 stundenlang über den grünen Klee loben, und doch würden sie manchen Gamern am Allerwertesten vorbeigehen, weil ihnen unter einem VR-Headset schwindelig wird, weil sie sich nur schwerlich in gewisse Rollen hineinversetzen können oder weil sie schlicht keine Lust haben, sich ein 500-Gramm-Gerät vor die Augen zu schnallen.
Es gibt allerdings Spiele, die Virtuelle Realität so geschickt vermitteln, dass sie unwiderstehlich werden. Zu diesen Gateway-Titeln gehören Beat Saber, die beiden Abenteuer aus der Moss-Reihe, das auf Meta Quest 3 vorinstallierte First Encounters und neuerdings Lego Bricktales.
Ein PR-Texter würde es wahrscheinlich dem Mixed-Reality-Modus anrechnen, der auf Meta Quest 3 in voller Farbe erstrahlt. Ja, es ist durchaus charmant, wenn man ein komplexes Lego-Diorama vor der Kulisse des eigenen Wohnzimmers schweben sieht, schließlich kommt die grafische Aufmachung echtem Lego sehr nah. Zwar wirkt alles etwas kleiner und mangels Kantenglättung unruhiger als bei den echten Klemmbausteinen, aber man gibt sich der virtuellen Darstellung gerne hin.
Und doch trägt die Grafik als solche nur wenig dazu bei, Lego Bricktales zukünftig als Referenz-Titel im VR-Segment aufzuführen. Der Grund dafür ist viel fundamentaler. Es ist die Handhabung beim Erschaffen von Bauobjekten, die das zustande bringt.
Bauen, so natürlich wie in der Realität
Enthusiasten rollen nach diesem Absatz wahrscheinlich mit den Augen: ein Lego-Spiel als VR-Referenz? Im Ernst jetzt?
Ja, es ist unser verdammter Ernst! Wir können es ehrlich gesagt selbst kaum fassen, aber es ist so, und der Grund dafür ist so simpel wie erstaunlich: mit den Händen Lego zusammenzubauen, macht unendlich viel Spaß und ist kinderleicht.
Sollte das bei einem Lego-Spiel, das (zumindest dem Klischee nach) für Kinder gestaltet wurde, nicht selbstverständlich sein? Im Idealfall schon, aber die Praxis sah bisher anders aus. Der Spielablauf von Lego Bricktales gibt nämlich zwei Hauptaufgaben vor: die Erkundung schön gestalteter Umgebungen im Rahmen eines kindgerechten Abenteuers, bei dem man eine Spielfigur durch Dioramen dirigiert und NPCs in Not hilft, um sogenannte Fröhlichkeitskristalle zu ergattern. Die zweite Aufgabe besteht aus dem Bauen von Lego-Objekten, welche der Hauptfigur ermöglichen, gewisse Hindernisse zu überwinden. Mal soll man eine Brücke bauen, mal ein Fluggerät und mal eine Affenstatue samt geheimnisvollem Kristall, der nach Indiana-Jones-Manier die Tür einer uralten Grotte öffnet.
Ein Heidenspaß für Jung und Alt mit abwechslungsreichen Kulissen, die vom Urwald über eine Wüste bis zu einer mittelalterlichen Burg reichen. Einziger Haken: Auf dem PC und den Konsolen fühlte sich der kreative Part verdammt hakelig an. Der Cursor sprang ständig hin und her und man bekam die Steine auf Anhieb nie genau dort platziert, wo man sie hinhaben wollte. Der Spaß am fantasievollen Basteln litt zwar nie so sehr, dass man das Spiel in die Ecke feuern wollte, aber man spielte immer mit angezogener Handbremse.
Ganz anders in der Version für Metas VR-Headsets Quest 2 und Quest 3. In schier unglaublicher Leichtigkeit steckt man hier Steine zusammen und baut dadurch innerhalb weniger Sekunden alle erdenklichen Kreationen. Gedacht, gemacht, weil mit den Händen ausgeführt, als hätte man echte Klemmbausteine in der Hand. Lediglich das Drehen der Klötzchen muss per Knopfdruck auf dem Controller vollzogen werden.
Es lässt sich schwer in Worte fassen, wie intuitiv und sorglos man baut, zumal Koordination in der dritten Dimension nicht bei allen VR-Titel reibungslos funktioniert. Wer bei einem VR-Shooter schon einmal versucht hat, eine nichtexistente Waffe zu laden, weiß, dass man manchmal ungeschickt mit dünner Luft interagiert. Hier nicht. Das Einzige, was gelegentlich passiert, ist, dass man einen Baustein eine Reihe zu weit nach vorne oder hinten setzt, und auch das ist im Bruchteil einer Sekunde korrigiert.
Als wäre es ein ganz anderes Spiel
Die Auswirkungen der neuen Steuerung auf Spielgefühl, Spielfluss und die Zeit, die man für einzelne Puzzles aufwendet, ist beachtlich. Auf Playstation, Xbox und PC verbringt man in späteren Spielabschnitten locker mal 20 Minuten beim Herausfummeln der richtigen Lösung, wenn man ein anspruchsvolles Objekt bei kniffligen Materialvorgaben zusammenbauen soll. Brücken müssen stabil sein, schwingende Objekte ausbalanciert werden und mitunter komplexe Konstruktionen überhaupt zustande kommen, wenn begrenztes Material vorliegt.
In der VR-Fassung fällt allerdings jegliche Überbrückung zwischen Gedankengang und Umsetzung weg, wodurch daraus schlanke fünf Minuten werden, wenn überhaupt. Ihr entfernt falsch platzierte Steine mit einem einzigen Handgriff und justiert alles, was danach nicht zusammenpasst, in Windeseile.
Irre! Die Transformation, die Lego Bricktales dadurch erlebt, spendiert dem Spielablauf einen gehörigen Batzen Spielspaß und gesteigerten Fokus auf die Erzählung des Abenteuers. Und nicht zu vergessen: eine völlig neue Betrachtungsweise.
Dass die Dioramen dank der 3D-Ansicht plastischer wirken als auf einem Bildschirm, überrascht sicher niemanden, erwähnenswert ist es trotzdem. Gerade beim Zusammenbauen von Objekten erleichtert das einiges. Verdeckt ein Objekt die Sicht? Auch kein Problem, eine schnelle Bewegung mit beiden Händen genügt zum beliebigen Drehen und Vergrößern der Dioramen. Wobei Drehungen leider nur nach rechts oder links möglich sind, und nicht auf der Y-Achse, aber das spielt nur eine untergeordnete Rolle, schließlich kann man den Kopf beliebig zur Kulisse ausrichten. Wir holten uns die schönen Urwald-, Wüsten-, Höhlen- und Stadtdioramen regelmäßig so nah an die Nasenspitze, dass wir Pickel auf den Gesichtern der Spielfiguren erkennen könnten, wenn sie denn welche hätten.
Nur ein Fehler, anderweitig perfekt
Was uns zur einzigen nennenswerten Kritik bei der VR-Adaption bringt. Die Ansicht kehrt nämlich immer wieder auf die Standard-Größe zurück, wenn unsere Spielfigur Apparaturen bedienen soll oder sich irgendetwas in der Spielwelt ändert. Der Grund dafür ist nachvollziehbar: Man soll immer sofort erkennen, was an welcher Stelle verändert wurde. Warum das Spiel im Anschluss nicht die manuell eingestellte Ansicht reaktiviert, ist uns jedoch ein Rätsel. Es gab Abschnitte, in denen wir dreimal in einer Minute das Diorama neu ausrichten mussten. Ärgerlich, weil umständlich.
Sofern Entwickler Clockstone diesen einen Schnitzer noch korrigiert (oder zumindest eine Einstellmöglichkeit im Optionsmenü einbaut), steigt Lego Bricktales mit sofortiger Wirkung in den Virtual-Reality-Olymp auf, denn alles andere wurde ideal gelöst. Menüs für freispielbare Kleidung und andere Optionen? Liegt auf dem Handgelenk, wie eine Armbanduhr. Ladezeiten? Kurz und knackig und selbst im Mixed-Reality-Modus dank einer Einblendung klar zu erkennen, sodass man sich nie fragt, warum gerade nichts von der Spielwelt zu sehen ist. Schrift? Klar lesbar, mit der gleichen witzigen Lokalisierung wie zuvor.
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Kurzum: Die Suche nach den Fröhlichkeitskristallen war noch nie so spaßig wie in dieser neuen Fassung. Allerdings bestehen im Erkundungs-Anteil weiterhin die gleichen marginalen Schwächen wie bei der 2D-Variante. Ein Beispiel: Die Hauptfigur lernt im Laufe des Abenteuers diverse Kräfte, die sie benötigt, um Rätsel zu lösen. Etwa das Erkennen von unsichtbaren Schaltern und versteckten Apparaturen oder das Erzeugen von Stromstößen. Die Einführung in das System, beziehungsweise die Erklärung, warum man sie manchmal nicht nutzen darf, könnte ein wenig deutlicher erklärt werden. Das sind aber nicht mehr als Randnotizen.
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