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Test - Hood: Outlaws & Legends : Was kann das Koop-Assassin’s-Creed?

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Robin Hood ist tot, lang lebe … naja, eben derjenige, der Lust hat das Erbe des Roten Rächers anzutreten. In Hood: Outlaws & Legends wagen sich zwei konkurrierende Viererteams in die Burgen des Sheriffs von Nottingham, um seinen Schatz zu stehlen und zu den würdigen Nachfolgern Robin Hoods aufzusteigen. Klingt spannend, sieht gut aus und hat Potenzial … zur größten Enttäuschung des Jahres zu werden. Wir verraten euch im Test, warum ihr besser in die eigene Tasche klaut, als für die Armen zu stibitzen.

Auf dem Papier liest sich Hood: Outlaws & Legends wie ein Spiel mit viel Potenzial und starkem Setting, das einige nette Koop-Ideen mitbringt und mit 30 Euro auch nicht allzu sehr im Portemonnaie drückt. Look und Feel schreien nach einer Mischung aus den behäbigen Kämpfen von For Honor - sicher, mit deutlich mehr Button-Mashing und kaum basierend auf Skill - verpackt in einem mittelalterlichen Robin-Hood-Setting, inklusive schöner Burgen und Wälder. Ein bisschen Schätze klauen hier, ein wenig eher unspektakuläre KI-Ritter meucheln da - und zwischendurch Duelle mit dem konkurrierenden Viererteam aus echten Spielern, die auch den Schatz des Sheriffs von Nottingham für sich beanspruchen wollen.

Hood: Outlaws & Legends, so vielversprechend und gleichzeitig solide es im vorigen Absatz auch klingen mag, verlangt nach seinen verheißungsvollen Trailern und viel Buhai im Vorfeld leider nach etwas mehr Erklärung. Denn was Sumo Digital und Focus Home Interactive mit Hood servieren, steht als trauriges Beispiel dafür, wie ein Entwicklerteam das große Potenzial seines Spiels zugunsten einer verfrühten Veröffentlichung opfert und damit womöglich für viele Spieler für die Enttäuschung des Jahres gesorgt hat.

Hammertime!

Vor meinen Augen spielt sich Skurriles ab: Vier übergroße Männer mit Mittelalter-Vokuhila und Kriegshämmern hocken gemeinsam in einem Busch und sehen meiner Bande aus vier ungleichen Strauchdieben dabei zu, wie wir mühselig eine Schatztruhe voller Gold mit einem Kran auf ein Schiff wuchten. Wir kurbeln am Kran so emsig wie olympische Curler schrubben und hoffen, die glänzende Beute alsbald unser Eigen zu nennen. Eine sich langsam füllende grüne Leiste zeigt den nahenden Erfolg der Unternehmung an.

Doch in letzter Sekunde, einen Sekundenbruchteil vor dem Sieg, stürzen die Drei-behämmerten-Vier wie wilde Oger aus ihrem Versteck, zerkloppen mich, meinen Bogen tragenden Freund Robin und unsere anderen zwei fragilen Kumpane und kurbeln die verbleibenden fünf Prozent der grünen Leiste kurzerhand selbst fertig. Klar, meine flinke Diebesbande leistet zwar kurz Widerstand, aber gegen vier muskelbepackte Schläger hilft dann auch kein Pfeil und Bogen mehr. All die Mühen des Diebstahls umsonst, die Prügeltruppe hat astrein abgestaubt. Game Over.

Zugegeben, die beschriebene Szene ist lange nicht das ganze Spiel, veranschaulicht aber das Dilemma von Hood: Outlaws & Legends, in dem es euer Schicksal ist, genau diesen ungleichen Kampf gen Ende jedes Matches zu führen. Und das, obwohl die Idee hinter dem PvPvE-Heist eigentlich so viel Taktik, Tiefgang, Schleicherei und Meuchelei versprach. All das ist auch in der Spiele-DNA von Hood veranlagt, aber leider zu keiner Zeit ganz zu Ende gedacht.

Der Hammer, diese Klassen

Dabei ist das Spielprinzip von Hood eigentlich ziemlich eingängig und interessant: Klau den Schlüssel, finde die Schatzkammer, extrahiere den Schatz. Ein klassisches Heist-Setting wie in Payday eben vom selben Entwickler, nur dass wir unterwegs auf das Team aus vier anderen Lümmeln treffen, die uns den Schatz streitig machen wollen - Hunt: Showdown lässt grüßen. Soweit zumindest in der Theorie.

Ebenfalls nur theoretisch stehen jedem Team vier Charakterklassen zur Verfügung, die alle unterschiedliche und ungeheuer besondere (Vorsicht: Ironie!) Fähigkeiten mitbringen. Robin ist Sniper-Bogenschütze (klar, was auch sonst) mit Betäubungsgranaten, Marianne eine gelegentlich unsichtbare Assassine, Tooke ein Nahkampf-Supporter mit Dreschflegel und ja, dann ist da noch der gute alte John mit der erwähnten Mittelalter-Vokuhila und Hammer. Wie sich ein Viererteam allerdings zusammensetzt, ist jeder Gruppe selbst überlassen. Hood hindert also niemanden daran, mit vier Robins oder eben vier Hammertypen ins Match zu ziehen.

Schon wegen dieser seltsamen Design-Entscheidung fällt auf: So besonders können die Klassen nicht sein, wenn sie stets austauschbar bleiben. Viel schlimmer aber: Weil jedes Match immer damit endet, dass beide Teams versuchen, den Schatz mit einer Kurbel auf ein Schiff zu hieven und das stets in einen Nahkampf-Brawl ausartet, verlangt Hood von seinen Spielern letztlich nur exakt zwei Dinge für einen Sieg: Erstens: Ihr wählt Vokuhila-Johnny aus. Zweitens: Ihr benutzt die linke Maustaste bis die Feder quietscht. Denn auf der liegt Johns Nahkampfangriff und der ist so stark, dass man die anderen Klassen derzeit getrost links liegen lassen kann.

Kurbel dir einen

Eigentlich sieht Hood vor, dass beide Teams sich zunächst querfeldein durch die Karte an KI-Wachen vorbei schleichen, nach dem mäandernden Sheriff suchen und ihm möglichst ohne Lärm den Schlüssel klauen. Dafür bietet sich in der Theorie die fragile Marianne an, die für kurze Zeit unsichtbar werden kann, alle anderen Klassen können das Manöver aber auch vollziehen. Völlig bescheuert können wir also auch einfach mit dem massigen Tooke hinter dem Sheriff herumkriechen und den Mr.-X-Verschnitt in Blechrüstung bestehlen. Das fühlt sich nicht nur falsch an, sondern entzieht Marianne vollends ihre Daseinsberechtigung.

Anschließend sucht man die Schatzkammer und trägt den Schatz daraufhin zu einem der meist drei Extraktionspunkte am Rande der Karte. Ab dann heißt es Kran-Kurbeln zum Sieg, ein bisschen wie ein King-of-the-Hill-Setting mit Handarbeit, das in jedem Spiel in den erwähnten Riesenbrawl ausartet. Weil John eben derzeit viel zu stark ist, dürften spätestens dann alle Spieler eines Matches begriffen haben, dass der Sieg nur über den breitschultrigen Hammermann geht. So erlebt man nicht selten Abende, an denen man dreimal in Folge gegen vier Johns antritt, die im Busch auf die Kurbelsequenz warten und dann fachmännisch abstauben. Dass niemandem bei Sumo Digital dieses Balance-Problem aufgefallen ist und der völlig defekte, überflüssige Gameplay-Loop so veröffentlicht wurde, bei dem es ausreicht alle Aufgaben im Spiel zu ignorieren und bloß am Ende stumpfsinnig zum Sieg zu kurbeln, ist wahrlich traurig.

Die große Leere

Nun gut, Abstauber gewinnen – keine gute Voraussetzung für ein spaßiges Spiel. Zwar verdient man beim Abstauben weniger Gold, aber leider - und da offenbart sich die nächste Großbaustelle - lohnt sich das Freischalten von Perks, Kostümen und neuen Herausforderungen im Hub-Versteck von Hood auch nicht richtig. Die Perks, die sicher einmal als sinnvolle Verbesserungen der Fähigkeiten von Robin und Co. gedacht waren, verdienen ihren Namen kaum. Sie drehen an ein paar Statuswerten, verwandeln Tookes Gasbombe beispielsweise in einen Heilnebel oder stärken Robins Nahkampf-Attacken verschwindend gering, verändern das Spielgeschehen aber an sich nicht.

Wer möchte, der kann sein Gold anstatt in arbiträre Perks in feinster Robin-Hood-Manier in das arme Volk und damit respektive in sein Versteck investieren. Die Sinnlosigkeit dieser Investition bemerkt man bereits nach einem kurzen Blick durch das Versteck. Dort offenbart sich, dass unser Gold das Versteck nicht etwa wachsen lässt oder neue Gebäude darin auftauchen, sondern dass lediglich neue Skins für unsere Diebe freigeschaltet werden. Bloß doof, wenn man sich nicht sonderlich dafür interessiert, ob John mit einem Helm rumrennt, der aussieht wie eine umgedrehte Dose Ravioli, oder ob er lieber bei der Vokuhila bleibt. Nach rund zehn Stunden hat man übrigens so gut wie alles freigeschaltet - Gesetz dem Fall, man hat sich mit vier Johns erfolgreich durchgehämmert, beziehungsweise Spaß daran gefunden, sinnlosen Kram freizuschalten.

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Das Versteck bietet schon während dieser zehn Stunden kaum etwas zu tun, geschweige denn danach. Neben den Perk-Menüs, der Charakterauswahl und dem Matchmaking-Treffpunkt ist das an sich stimmig inszenierte weitläufige Waldversteck, mit seinen schattigen Ruinen und überwucherten Wegen zwar schön anzusehen, aber an sich leer. Es teilt sich dieses Schicksal mit den Maps, die ebenfalls eine wahre Augenweide darstellen und die zeitgenössische Architektur und das mittelalterliche Robin-Hood-Setting gut einfangen, aber ansonsten so leer und unbelebt sind wie der Mars. Schade, denn in Sachen Atmosphäre und den Möglichkeiten, die die historische Vorlage anbietet, finden die Entwickler eigentlich eine wahre Goldgrube vor, die mit einfachen Mitteln zum Leben erweckt werden könnte, wie beispielsweise mit Beuteverstecken oder Quests. Davon ist aber leider weit und breit nichts zu sehen, es herrscht eben völlige Leere.

Das versteckte Service-Game

Schon die Tatsache, dass die Entwickler eine Roadmap für ihr Spiel präsentieren und sich das ganze Spiel wie eine Alpha anfühlt, spricht Bände. Hood: Outlaws & Legends wurde weder als Service-Game angekündigt, noch sah es zwei Wochen vor Release danach aus. Doch dann zauberten Sumo Digital und Focus Home plötzlich eine Roadmap für Inhalte aus dem Ärmel, die Hood in einem Jahr über Release hinaus mit zusätzlichen Charakteren, Spielmodi und Seasons versorgen soll. Leere Levels, ein euphemistisch umschrieben “eingängiges” Kampfsystem und fehlende Progression sowie Belohnungen zeigen: Hier ist jemand nicht fertig geworden, wollte aber trotzdem sein Glück auf dem Markt versuchen.

Hood: Outlaws & Legends - Launch Trailer

Ab sofort ist Hood: Outlaws & Legends offiziell erhältlich.

Dass der Motor von Hood schon nach etwa zehn Stunden zu stottern beginnt, wenn alle Kostüme und Perks freigeschaltet sind und der immergleiche Spielmodus zu erlahmen beginnt, dürfte im Lichte der Roadmap nicht verwundern. Mehr als die Geister guter Ideen und einen Wust an freudigen Versprechungen in Form einer Roadmap sucht man deshalb momentan vergeblich.

Es bleibt zu hoffen, dass Belohnungen - beispielsweise in Form von Loot wie in Warhammer: Vermintide - und ein zweiter, besser durchdachter Spielmodus schon bald folgen. Denn Potenzial hat Hood mit seinem interessanten Setting und der stimmigen visuellen Präsentation eigentlich genug, um auch über die mickrigen zehn Spielstunden hinaus für kurzweilige Koop-PvP-Abende zu sorgen.

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