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Test - Hatoful Boyfriend : Absurd unterhaltsame Dating-Sim

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Einem Spieler aus dem Westen, der nicht von vornherein eine Vorliebe für Mangas mitbringt oder ein ungewöhnlich großer Fan von allerlei Federvieh – insbesondere Tauben – ist, wird der Einstieg in Hatoful Boyfriend schwerfallen. Dennoch solltet ihr dem als Dating-Simulation angepriesenen Titel eine Chance geben, auch wenn es sich – sachlich betrachtet – höchstens um ein Adventure, eher aber um einen interaktiven Roman mit ungewöhnlicher Story handelt.

Der japanische Indie-Titel Hatoful Boyfriend machte bereits vor Jahren im Internet die Runde. Von Fans der dystopischen Geschichte, die von der Entwicklerin Hato Moa erdacht wurde, gab es zu Beginn noch unentgeltlich entwickelte Patches, die aus dem japanischen Otome eine englische Version zauberten. Was, fragt ihr euch, ist ein Otome? Dabei handelt es sich um eine Gattung Spiel, die sich in Japan großer Beliebtheit erfreut und sich hauptsächlich an weibliche Spieler richtet (der Name bedeutet wörtlich: Mädchen).

Spiel oder interaktiver Roman?

Gameplay ist in Otomes beinahe nicht existent, obwohl es sich meist um eine Art soziale Simulation handeln soll, bei der Erzählcharakter und Geschichte im Vordergrund stehen. Hatoful Boyfriend spielt in einer Welt, in welcher der Virus H5N1 fast die gesamte Menschheit dahingerafft und den Vögeln menschliche Intelligenz verliehen hat. Auf diesem „Planeten der Vögel“ übernehmt ihr die Rolle einer von euch zu benennenden menschlichen Schülerin. Doch diese düstere Vorgeschichte bleibt zunächst im Hintergrund.

Statt euch mit einem erklärenden Intro auf diese seltsame Welt vorzubereiten, wirft euch Hatoful Boyfriend einfach ins St. PigeoNation’s Institute. Dort werdet ihr als einziger Mensch zwischen gefiederten Mitschülern und Lehrern in wenigen Fächern unterrichtet und könnt vereinzelt auswählen, welche Lektionen ihr vorzieht, um so Charakterwerte wie Charisma, Weisheit oder Sportlichkeit zu steigern.

Ein etwas anderer Schulmädchenreport

Das klingt tatsächlich nach einem Rollenspiel- oder Simulationsaspekt, wie man ihn von den Sims schon lange kennt, hat aber nur wenige Auswirkungen auf das Spiel. Den Verlauf der Geschichte verändert ihr hauptsächlich durch Entscheidungen für oder gegen einen der Mitschüler und Lehrer. Das suggerierte Hauptziel von Hatoful Boyfriend ist es schließlich, unter den Vögeln einen Freund für eine romantische Beziehung zu finden. Die Frage, wie diese sich nach Spielende weiterentwickeln soll, verbietet sich natürlich in einer Welt, die derart absurd ist. So bemüht man sich, das Interesse eines arroganten französischen Aristokraten zu gewinnen oder dem narkoleptischen Mathematiklehrer nahezukommen, um mehr über die Welt und Geschichte von Hatoful Boyfriend zu erfahren.

Diejenigen von euch, die sich auf dieses simple Spielprinzip einlassen, werden schnell vergessen, dass es sich bei den potenziellen Lebensgefährten um Vögel handelt. Auch die Frage, wieso die menschliche Spielfigur in einer Höhle haust, während die gefiederten Gesellen in vernünftigen Häusern leben, tritt irgendwann in den Hintergrund.

Klicken, lesen, klicken, lesen, klicken …

Diese Details werden erst dann wieder interessant, wenn ihr Hatoful Boyfriend bereits auf verschiedenen Wegen durchgespielt habt. Leider liegt hier das Hauptproblem des Titels: Während man sich schnell an die altbackene, umständliche Art der Erzählweise und Steuerung gewöhnt, führt es schnell zu Frustration, wenn man in weiteren Spieldurchläufen die größtenteils gleichen Situationen und Dialoge erneut durchklicken muss. Das eigentliche Spielen besteht nämlich leider nur aus dem Lesen und Weiterklicken von Texten, illustriert mit Standbildern. Unterschiede gibt es nur, wenn ihr andere Entscheidungen in den wenigen interaktiven Momenten trefft.

Die größte Stärke von Hatoful Boyfriend ist jedoch die völlig surreale Geschichte, die vereinzelt mit augenzwinkerndem Metahumor und unerwartet brutalen Szenarien punkten kann. Ob die Spieler allerdings dafür in Kauf nehmen, immer wieder den Knopf zum Überspringen zu betätigen, der das Spiel bis zur nächsten Entscheidung durch die vielen Screens spult, ist fraglich. Dieser Knopf, der tatsächlich immer noch alle Stationen kurz zeigt und nicht einfach zu der angestrebten Position springt, also keine gezielte Auswahl eines Momentes erlaubt, ist tatsächlich der einzige Luxus in Sachen Steuerung, den Hatoful Boyfriend euch bietet. Bei unserem Test, führte der Einsatz des Vorspulknopfes sogar zu einer Endlosschleife – wir mussten das Spiel komplett beenden.

Fazit

Dominik Hammes - Portraitvon Dominik Hammes
David Lynch würde die Verfilmung lieben

… oder er würde "Hatoful Boyfriend – The Movie" gleich selbst inszenieren. Dass dieses kuriose Werk eines Genres, das in Deutschland vermutlich nur eine sehr kleine (und vermutlich eingeschworene) Fan-Gemeinde hat, unterhalten kann, werden wohl nur wenige bestreiten. Das Unterhaltungspotenzial liegt aber ausschließlich bei den Fragen „Wie geht es weiter?“ und „Wie hängt das alles zusammen?“ sowie im ungläubigen Erstaunen, das die zugehörigen Antworten und folgenden Szenarien auslösen. Die verquere Story, die der Spieler für sich entdecken und erforschen muss, und die Figuren, die auch abseits ihrer biologischen Zugehörigkeit äußerst schräge Vögel sind, machen Hatoful Boyfriend zu einem Titel, der so absurd ist, dass man ihn beinahe als genial bezeichnen möchte. Die erzählerische Holprigkeit, die durch eine unzulängliche Steuerung und veraltete Präsentation bedingt ist, wird aber auch vielen wohlwollenden Spielern den Zugang zum eigentlichen Spaß an dem verrückten Produkt verwehren.

Überblick

Pro

  • wahnwitzige Geschichte
  • nimmt sich selbst nicht ernst
  • überraschend komplex

Contra

  • Gameplay ist redundant und auf wenige Entscheidungen begrenzt
  • nur durch mehrere Durchgänge interessant
  • unkomfortable Steuerung

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