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Special - Grand Theft Auto V – Gastkommentar : Gewalt, Sucht, Kinder und Lehrer

  • PS3
  • X360
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Und wenn Gewalt einfach nur sinnlos konsumiert wird, ohne dass ich mir Gedanken darüber mache, dann ist das höchst bedenklich. Und genau dann wünsche ich mir, dass nur gebildete Menschen diese Spiele/Filme/Literatur konsumieren dürfen. Eine erquickende Vorstellung, wenn man an der Kasse einen Aufsatz einreichen müsste. Das ist natürlich totaler Quatsch.

Noch etwas: Satire? Was ist das denn? Nie gehört? Ach so … okay … Aber dann ist mir das zu schwierig, denn da müsste ich mich ja mit einer Sache näher beschäftigen, um am Ende lachen zu können.

In etwa so verläuft eine Unterrichtsstunde über das Thema Satire, wenn man zu klassischen Mitteln greift. Dass GTA V ultrasarkastisch und -satirisch ist, sehen sie gar nicht. Sie kennen das Konzept vom amerikanischen Traum nur aus langweiligen Schulbüchern und von noch langweiligeren Lehrern, die ihnen beibringen, dass das Bildbearbeitungsprogramm Kai's Photo Soap und der Netscape-Browser aus dem Silicon Valley stammen. Wenn man ihnen „Californication“ von den Red Hot Chili Peppers vorspielt, bleibt nur „Hardcore Softporn“ hängen. Sie interpretieren den Song total falsch, weil sie einfach ganz schlimme Bildungslücken haben. Sie verstehen die Faszination nicht, die der Durchschnittsamerikaner für Kalifornien empfindet. Sie kennen die Kultur nicht, ihnen fehlt Empathie, ihnen fehlt die Fähigkeit, Probleme zu erkennen. Sie haben keinen Respekt für Dinge, die alt sind, und traurigerweise auch nicht für solche, die brandneu sind. Sie sind die Produkte ihrer Umwelt – egozentrische Gadget-Konsumenten, die ein vollkommen falsches Bild vom echten Leben haben.

Das Wichtigste bringt ihnen keiner bei, weil die allgemeinbildende Schule nur noch Inhalte vermittelt, die jeder auf Wikipedia nachlesen kann, der nicht halbwegs bescheuert ist. Sie lernen nicht, Probleme zu erkennen. Problemlösemethoden kennen sie zuhauf, aber wenn ich ganz klassisch sage "Analysiere und interpretiere den Text", dann habe ich am Ende nur Fünfen und Sechsen. Neuerdings müssen Lehrer ja kleinschrittige Fragen stellen, aber das Leben besteht nun mal nicht aus kleinschrittigen Fragen. Der zukünftige Chef sagt einem nicht: "Tue dies, tue das …" Er erwartet, dass du selbstständig in der Lage bist, Probleme zu erkennen und dir zu überlegen, wie du sie löst. Okay, ich sage es offen, der Rahmenlehrplan ist für'n Arsch. Jeder halbwegs versierte Schüler kann eine normale Deutschstunde sprengen, indem er einfach das Internet bedient. Ich als medial kompetenter Lehrer weiß das natürlich und binde deswegen sehr stark neue Medien ein. Wenn der Möbius charakterisiert werden soll, erwarte ich intertextuelle Bezüge. Sie sollen das Internet benutzen, aber wehe mir kommt einer mit der Wikipedia-Charakterisierung. Ich fordere sie auch auf, die Wikipedia-Artikel selber zu bearbeiten. Und wenn eine Analyse gut ist, sollen sie sie auch hochladen und das gemeinsame Wissen der Menschheit mehren. Inhalte sind total überbewertet, was zählt, ist die Fähigkeit, analytisch vorzugehen.

Wenn sie das könnten, dann würden sie in GTA V tatsächlich ein wenig Bildung finden. Ich lese in meiner Freizeit Bücher und darf die einfach nur genießen, ohne darüber nachzudenken, wieso dort eine Alliteration oder eine Anapher steht. Das soll man ja auch, einfach mal abschalten. Aber wenn ich bei der Folterszene lauthals lache, weil der arme Teufel Tausende Male sagt, er würde auch so alles sagen, dann habe ich das Gefühl, dass ich der Einzige bin, der den satirischen Seitenhieb auf Filme wie „Unthinkable“ und „Five Fingers“ verstanden hat. Und wenn dann bei der anschließenden Autofahrt noch über den Sinn von Folter diskutiert wird, ist mir völlig klar, dass das bewusst so absurd ist, dass es mich dazu zwingen soll, mein Hirn einzuschalten. Wie beim Theater des Absurden – Dürrenmatt. Das haut die Kinder oft aus den Socken, dass die Videospielhersteller bei deutschen Autoren abgeschaut haben sollen. Da gibt es ja auch diese berühmte Autofahrt mit einer Leiche … – "Das Ende einer Dienstfahrt".

Ich komme mir so vor, als ob ich in meinem Beruf das mache, was die Eltern mit ihren Kindern machen sollten: darüber reden und nicht einfach hinnehmen, dass ihre Kinder tun und machen, was sie wollen. Und am Ende wundern sie sich, wenn ihre Kinder sie aus Bequemlichkeit ins Heim stecken.

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