Test - Final Fantasy 15 : Vier Kerle, ein Auto und die weite Welt von Eos
- PS4
Ausgehend davon, dass jedes Final Fantasy eine völlig neue Welt vorstellt und das RPG-Kampfsystem seiner Vorgänger größtenteils ignoriert, lässt sich die Tradition der Serie auf einen Punkt festnageln: Es geht um epische Geschichten mit pompöser grafischer Darstellung. Was aber, wenn genau das nicht mehr der Fall ist? Handelt es sich dann überhaupt noch um ein echtes Final-Fantasy-Rollenspiel?
Zu behaupten, Final Fantasy XV wäre überhaupt nicht episch oder koche in seiner Handlung auf Sparflamme, wäre arg übertrieben. Die Welt von Eos mag mit ihren Handys, geteerten Landstraßen und typisch amerikanischen Raststätten vertrauter wirken als viele frühere im Rahmen der Serie, aber das Außergewöhnliche hat noch immer seinen Platz. Wenn ein gigantischer Gott unter einem eingeschlagenen Meteor schlummert und Chocobo-Reitvögel zum Erkunden der frei begehbaren Landschaft einladen, spürt man den Nervenkitzel der für die Serie typischen Übertreibungen durchaus.
Trotzdem fehlt diesem Final Fantasy etwas. Aus irgendeinem Grund tänzelt die zentrale Handlung so leichtfüßig, dass sie kaum Fußspuren im Sand der Emotionen hinterlässt. Man fühlt sehr wenig, weil die dazu nötige Substanz in sehr kleinen Portionen über den Tellerrand schwappt. Das ist ungewöhnlich für ein Final Fantasy und japanische Rollenspiele im Allgemeinen. Der Grad, in dem ihr mit dem Glück und Unglück der Bewohner von Eos verflochten seid, ist spürbar niedriger als bei The Elder Scrolls: Skyrim, und das will was heißen.
Wie soll es auch anders sein, wenn Sidequests und Jagdaufgaben weit mehr Zeit in Anspruch nehmen als die zentrale Geschichte und wenn selbst die genial vorgerenderten Zwischensequenzen nur noch einem Flickenteppich gleichen, der nicht einmal die Grundprämisse der Handlung durchgehend erzählt? Wenn sogar grausame Ermordungen von Nebencharakteren in zwei Nebensätzen abgehandelt werden, bleibt kein Raum für Trauer, Mitgefühl oder gar Rachegelüste.
Prinz Frost und seine Kumpanen
Emotionale Unterkühlung gehört in Final Fantasy XV zum Hauptprogramm, schließlich gehen die vier Hauptfiguren mit bestem Beispiel voran. Prinz Noctis und seine drei Freunde Ignis, Prompto und Gladiolus sind perfekt gestylte Halbstarke im Alter von rund 20 Jahren, die in schwarzen Klamotten herumlaufen und die Attitüde von Fashion-Models an den Tag legen – immer mit einem coolen Spruch auf den Lippen, stets im Testosteron schwimmend.
Für ihr Alter ist das nicht ungewöhnlich. Das pseudoharte Gehabe wird sogar größtenteils glaubwürdig vermittelt. Schon der jugendlichen Angeberei und der Anbiederung untereinander wegen macht es Spaß, die vier in ihrem Nobelschlitten zu begleiten und einen Roadtrip zu erleben, der entfernt an den Film Hangover erinnert.
Prinz Noctis ist nämlich auf dem Weg zu seiner Hochzeit mit einer hübschen jungen Dame aus dem benachbarten Königreich Niflheim. Die geplante Vermählung der früheren Jugendfreunde besiegelt einen Friedensvertrag zwischen dem Königreich Lucis und dem großen Imperium. Nur kommt der Prinz nie an seinem Bestimmungsort an, weil die vier Hitzköpfe zu arg aufs Gas traten. Sie schieben die beschädigte königliche Limousine zur nächsten Werkstatt, wo sie all ihr Geld in die Reparatur stecken.
Von da an geht alles schief. Während Noctis und seine drei Freunde Jagdaufträgen nachgehen, um Geld zu beschaffen, bricht der Kaiser von Niflheim sämtliche Abmachungen, fällt in Lucis ein und tötet den König. Das Objekt seiner Begierde – ein magisches Amulett – findet der Imperator nicht, doch er gibt nicht auf und ist dem Prinzen bereits auf den Fersen. Nun liegt es an Noctis, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, die Waffen seiner Urahnen in finsteren Kerkern ausfindig zu machen und sich der Bedrohung zu stellen.
Die Waffen seiner Urahnen sind insofern wichtig, als der Prinz über eine besondere Gabe verfügt. Er kann vereinnahmte Hieb- und Stichwaffen aus dünner Luft herbeizaubern und sich sogar mit ihnen quer über ein Schlachtfeld teleportieren. Durch das Plündern der alten Königsgräber steigert er seine Macht und seine Talente.
Chaos im Kampfsystem
Noctis’ besondere Gabe ist für euch in den Schlachten Fluch und Segen zugleich. Monster trefft ihr überall und zu jeder Tageszeit auf der dynamisch gestalteten Oberwelt, und da ihr einzig und allein den Prinzen im Kampf steuert, könnt ihr euch voll auf dessen Fähigkeiten konzentrieren. Vorbei die Zeiten, in denen man die ganze Party mit umständlichen Kommandos in die Schlacht schickte.
Noctis schnetzelt sich selbstständig in irrer Geschwindigkeit durch die Feindesschar. Auf Knopfdruck wechselt er zwischen vier Waffen oder Zaubersprüchen und stürzt sich beinahe automatisch ins Geschehen. Strategische Entscheidungen sind rar, da alles viel zu hektisch vonstattengeht. Noctis und seine Freunde metzeln, was das Zeug hält, vollführen auf Wunsch Komboattacken und reißen dabei noch dumme Sprüche.
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