Test - Dying Light : Lauf, Zombie, lauf!
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Ob Techland im Nachhinein mit Dead Island so glücklich ist? Klar, das Spiel war, gemessen an seinen Verhältnissen, ein grandioser Erfolg, der das polnische Studio in der ganzen Welt bekannt machte. Woran der berühmt-berüchtigte rückwärts ablaufende Debüt-Trailer sicher nicht ganz unbeteiligt ist. Die in Wroclaw ansässigen Entwickler konnten zwar auch zuvor schon von sich reden machen, vor allem mit den gutklassigen Wildwest-Shootern der Call-of-Juarez-Reihe, aber erst Dead Island sorgte für den endgültigen Durchbruch. Trotzdem waren die Arbeiten an dem Zombie-Klopper alles andere als eine ruhige Zeit für das Team um Producer Tymon Smektala. Streitigkeiten mit Publisher Deep Silver um die Inhalte und Ausrichtung des Spiels brachten viel Unruhe, die letztendlich zum Bruch mit Deep Silver führte. Daher wird der offizielle Nachfolger Dead Island 2 nun auch von Yager in Berlin entwickelt. Smektala gab bei unserem Studiobesuch im Rahmen unserer Gameswelt-NEXT-Berichterstattung zu Dying Light zu Protokoll, dass man damals viele Ideen nicht habe umsetzen können. Man schätze Dead Island immer noch, aber im Grunde sei es ein sehr simples, eindimensionales Spiel gewesen.
Doppeltes Spiel
Mit Dying Light will man nun vieles anders machen. Ideen, die bei Dead Island noch auf der Strecke blieben, sollen Früchte tragen und ihren Teil dazu beisteuern, dass das neue Werk aus dem Hause Techland dem Zombie-Genre frische Impulse verleiht. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Features: der dynamische Tag- und Nachtwechsel und die Parkour-Spielmechanik. Beide funktionieren mit leichten Abstrichen sehr gut, doch dazu später mehr.
Haken wir zunächst einmal die Story ab. Als Undercover-Agent Kyle Crane werden wir in der unter Quarantäne stehenden Stadt Harran per Fallschirm abgesetzt. Wir sollen den abtrünnigen Kadir „Rais“ Sulaiman ausfindig machen und ihm eine brisante Akte abnehmen. Nach unserer unsanften Ankunft in den zombieverseuchten Slums der Stadt werden wir von der Kurierin Jade gerettet und in den sogenannten Turm gebracht, eine der letzten Zufluchtsstätten der wenigen Überlebenden. Aufgrund einer Bisswunde sind wir ebenso wie die meisten Turmbewohner fortan auf das Heilmittel Antizin angewiesen und übernehmen für Turmboss Bracken erste Aufträge, um unsere geheime Identität zu wahren und nebenbei Rais aufzuspüren.
Natürlich schlägt die Story danach diverse Kapriolen, bleibt erzählerisch und emotional aber durchweg flach und kann mit ihren bekannten Mustern niemanden überraschen, der in seinem Leben mehr als drei Filme oder Spiele über Untotenapokalypsen gesehen hat. Weder Cranes Wandlung vom Saulus zum Paulus, nachdem er die wahren Motive seiner Auftraggeber erkannt hat, noch die weiteren Versatzstücke (Konflikt unter Geschwistern, der widerwärtige Warlord, scheinbar simple Aufträge, die dann doch nicht so glatt laufen usw.) sind sonderlich originell.
Hinzu kommt, dass Crane durchweg unsympathisch bleibt. Die lustlose deutsche Synchronisation trägt ihren Teil dazu bei. Dennoch gehört Cranes Vertonung zu den besseren im Spiel. Bei einigen Nebenfiguren fühlten wir uns gar an alte PlayStation-1-Zeiten erinnert, in denen Lokalisierungen oft mit minimalsten Budgets über die Bühne gingen. Man merkt, dass eine packende Geschichte bei Techland keine Priorität hatte. Es muss ja nicht gleich Storytelling auf dem Niveau von The Last of Us sein, aber ein bisschen weniger Schema F hätten wir uns schon gewünscht.
Schneller, höher, weiter
Um dem Tod in einer Stadt voller Körperfresser ein Schnippchen zu schlagen, helfen nur drei Dinge: Glück, Geschick und ein Tutorial. Dies ist in Dying Light tatsächlich sinnvoll, denn im Gegensatz zu vielen anderen Zombie-Titeln inklusive Dead Island könnt ihr hier auf ein umfangreicheres Bewegungsrepertoire zurückgreifen. Cranes Kletterkunst braucht sich nicht hinter der eines Ezio oder persischen Prinzen zu verstecken. Behände erklimmt ihr Häuser, Masten und weitere Objekte. Auf den Dächern der Stadt lassen sich größere Distanzen nicht nur schneller überwinden, sondern auch viele Untote umgehen.
Um den gern gezogenen Vergleich mit Mirror's Edge schnell hinter uns zu bringen: Im Gegensatz zum Spiel aus dem Hause DICE seid ihr in Dying Light komplett frei, was eure Routenplanung angeht. Wenig subtil eingefärbte Interaktionspunkte gibt es hier nicht. Ihr müsst selbst abschätzen, ob ein Sprung machbar oder eine Wand bezwingbar ist. Dadurch fehlt allerdings auch etwas der Flow, der Mirror's Edge einst ausgezeichnete – zumindest bis ihr die ersten Verbesserungen erwerbt. Gelegentlich kam es auch zu Clipping-Fehlern oder Unstimmigkeiten in der Kollisionsabfrage.
Großen Spaß macht die Kraxelei trotzdem, vor allem sobald ihr mit der Altstadt das zweite Spielareal freigeschaltet habt, in dem es deutlich vertikaler zugeht. Mit seinen mehrstöckigen Häusern und Türmen kommt hier tatsächlich ein wenig Assassin's-Creed-Flair auf und wir ertappten uns durchaus mehrmals bei Spekulationen, wie wohl ein Egoableger von Ubisofts Megaserie aussehen könnte. Im späteren Spielverlauf könnt ihr gar auf einen Enterhaken zurückgreifen, der nicht nur deutlich schnellere Bewegungen von Dach zu Dach erlaubt, sondern auch ein formidables Fluchtmittel darstellt. Vielleicht ist er gar zu gut, denn sobald man ihn sein Eigen nennt, schwindet ein wenig die Motivation, dem Parkour auf die traditionelle Art nachzugehen. Gebäude ordentlich runterklettern könnt ihr übrigens nicht. Da hilft dann oft die obligatorische Seilrutsche oder der Sprung in einen abfedernden Müllberg.
Fright Night
Crane ist ein sonderbarer Geheimagent. Während seine akrobatischen Künste jeden Zirkusartisten neidisch machen würden, geht ihm im Nahkampf mit Harrans Bewohnern nach kürzester Zeit die Puste aus. Ohne Ausdauer richten eure Angriffe kaum etwas aus, daher seid ihr dazu gezwungen, bedächtig vorzugehen und jeden Schlag gezielt anzubringen. Ansammlungen von mehr als drei Zombies solltet ihr daher nach Möglichkeit meiden – vor allem in den ersten Stunden des Spiels. Beherzigt ihr dies, solltet ihr gut zurechtkommen und in den meisten Situationen Herr der Lage sein.
Dies ändert sich, wenn die Nacht anbricht. Dann wird Crane zum Gejagten. Sobald die Sonne untergegangen ist, werden nicht nur normale Zombies aggressiver und agiler, ihr müsst euch zudem mit ein paar wirklich fiesen Spezialexemplaren der Gattung Homo mortuus rumärgern, die euch gnadenlos verfolgen und zur Strecke bringen, sobald sie euch erspäht haben. Zum Glück könnt ihr auf der Minimap ihre Sichtkegel erkennen und sie mit einer Art Gefahrensinn orten. Das beklemmende Gefühl, nachts unterwegs zu sein, wird durch die pechschwarze Umgebung noch verstärkt. In Dying Light sind Lichtquellen spärlich gesät, einzig eure nie zur Neige gehende Taschenlampe hilft euch bei der Wegfindung und bewahrt euch davor, vom Dach zu segeln und Opfer der Schwerkraft zu werden.
Komplett hilflos seid ihr aber auch nachts nicht. Ihr könnt Lichtfallen aktivieren und Zombies mit einer UV-Lampe zumindest kurzzeitig aufhalten. Außerdem werden eure Statuswerte in der Nacht verdoppelt. Hilft das alles nichts, bleibt als letzter Ausweg noch die beherzte Flucht zur nächsten Sicherheitszone, wo ihr rasten und zur Morgendämmerung vorspulen könnt. Bei den meisten Aufträgen im Spiel dürft ihr selbst entscheiden, zu welcher Tageszeit ihr sie in Angriff nehmt. Nur eine Handvoll Kampagnenmissionen müssen im Dunkeln absolviert werden. Um zu verhindern, dass ihr Tag-Nacht-Feature von den meisten Spielern gemieden wird, locken die Entwickler mutige Nachtschwärmer mit Extra-Erfahrungspunkten für das Überstehen einer kompletten Nacht und die erfolgreiche Flucht vor Superzombies.
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