Test - Chocobo GP : Eine echte Alternative zu Mario Kart?
- NSw
Mit Chocobo GP wagt Square Enix den Versuch, einen neuen Konkurrenten zu Mario Kart ins Rennen zu schicken. Mit Charakteren, Strecken und Items aus dem Final-Fantasy-Universum besteht auf jeden Fall das Potential, vorne mitzuspielen. Reicht es für ein Foto-Finish mit dem Platzhirsch oder geht Chocobo GP auf halber Strecke der Sprit aus? Unser Test.
Es ist eine Tatsache, dass Nintendo einige (Sub-)Genres nahezu konkurrenzlos dominiert: Monster-Sammel-RPGs, Partyspiele, Jump-&-Runs und natürlich Fun-Racer. Wer im letztgenannten Genre brillieren will, muss an Mario Kart vorbei und schon beim bloßen Versuch rutschen die meisten Mitbewerber auf einer Bananenschale aus. Die perfekte Mischung aus Können und Chaos, befriedigendem Fahrgefühl und Zugänglichkeit sowie aus absurder, aber durchdachter Streckengestaltung gelingt kaum jemandem sonst so scheinbar mühelos wie Nintendo.
Sonic All-Stars-Racing, LittleBigPlanet Karting und Crash Team Racing sind bereits an den Start gegangen, konnten aber bestenfalls in Marios Windschatten fahren. Und nun rauscht Chocobo GP um die Ecke. Mit knuddeligen Charakteren wie den Chocobos, Mogrys und zahlreichen Stars aus dem Final-Fantasy-Universum brettern sie durch ebenso bekannte Schauplätze aus Square Enix’ Rollenspielwelt und pfeffern sich dabei Zauber um die Ohren. Klingt nach einer soliden Basis, um es mit den Großen aufzunehmen. Bevor wir uns selbst überrunden, lasst uns einen Boxenstop zur genauen Inspektion einlegen.
Story-Modus: vorhanden
Mit detaillierten Beschreibungen der verschiedenen Modi wollen wir euch gar nicht erst langweilen. Chocobo GP erfüllt mit dem in Cups aufgeteilten Rennserien-Modus, Zeitfahren, Rennen nach eigenen Regeln und natürlich einem Mehrspielermodus den Genre-Standard. Hinsichtlich eines echten Turniermodus hat der Square-Racer Mario Kart allerdings etwas voraus. Wodurch dieser Titel insbesondere hervorsticht, ist der Story-Modus. Er erzählt zwischen den Rennen eine recht seichte, aber humorvollen Geschichte um einen immer weiter anschwellenden Cast aus Final-Fantasy-Charakteren, der sich entschließt, an einem großen Turnier teilzunehmen, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen.
Vorangetrieben wird die Handlung in Dialogen mit etwas hölzerner aber immerhin vorhandener Vollvertonung. Kennern der Rollenspiele wird hier Fan-Service in Form von Anspielungen und Running Gags geboten. Alle anderen dürften den gelegentlichen, die Vierte Wand durchbrechenden Scherzen vielleicht noch etwas abgewinnen. Abgesehen hat der Story-Modus aber kaum Lorbeeren verdient. Statt experimentellere Wettkämpfe einzuflechten, werden ganz gewöhnliche Rennen nüchtern betrachtet nur durch langatmige Unterhaltungen in Kontext gesetzt. Wer neue Fahrer und Fahrbahnen freischalten will, kommt daran nicht vorbei.
Diese müssen in der Regel erst im Shop gegen im Spiel erhältliche Scheine eingetauscht werden. Abgesehen davon gibt es aber auch Inhalte, die gegen Echtgeld erworben werden können. Vor Release konnten wir noch keinen genaueren Blick in den Shop werfen, doch mehrere unterschiedliche Währungen riechen verdächtig danach, den Gegenwert einzelner Waren verschleiern und möglicherweise Gacha-, also Glücksspielmechaniken für bestimmte Charaktere und Skins einführen zu wollen. Die ohne Geld im Spiel erhältlichen Fahrer sind aber ebenso zahl- wie abwechslungsreich, weswegen wohl nur Hardcore-Final-Fantasy-Fans Gefahr laufen, zu viel Geld zu investieren.
Wenn Abschauen in Ordnung ist
Mal ganz abgesehen davon, dass Mario Kart im Fun-Racer-Genre für alle anderen Entwickler Vorbild steht, hat Chocobo GP den Klassenprimus etwas genauer unter die Lupe genommen. Durchgeknallte Fahrer, aberwitzige Karren und Items findet man überall, die Unterschiede sind gewöhnlich subtiler. Die Drift-Turbo-Mechanik, Tricksprünge, Turbostart, Windschatten, all das findet sich auch fast 1:1 in Chocobo GP wieder und wurde sogar gut umgesetzt. Wer unzählige Stunden mit Mario Kart verbracht hat, stellt jedoch fest, dass diese Mechaniken dort eine Spur geschmeidiger von der Hand gehen. Fahrer, die schon einige Runden im Pilzkönigreich gedreht haben, werden sich trotzdem sofort auskennen und wohlfühlen.
Über die Fahrbahn verteilt finden sich sogenannte Maginit-Eier. Sie sind es, durch die sich Chocobo GP primär eine eigene Identität zu schaffen versucht. Im Gegensatz zu Mario Kart, in dem die Item-Verteilung abgesehen vom Zufall auch der Platzierung überlassen ist und sich Item-Boxen grundlegend nicht unterscheiden, gibt es in diesem Racer Eier in Bronze, Silber und Gold. Sie stehen respektive für eine Wertigkeit des potentiell darin enthaltenen Maginits. Bis zu drei Maginite, also Items, können getragen werden. Werden mehrere “Waffen” gleicher Art gesammelt, verstärkt sich deren Effekt oder Dauer in drei Stufen. Ein Alleinstellungsmerkmal, das Chocobo GP etwas strategische Tiefe verleiht.
Taktik lässt der Square-Racer aber an anderer Stelle schmerzlich missen. Denn im Gegensatz zum Vorbild können Maginite weder nach hinten entfesselt, noch zur Abwehr gegenüber gegnerischen Angriffen eingesetzt werden. Und Abwehrmechaniken hätte das Wetteifern der Chocobos bitter nötig. Jeder kennt das Gefühl eines Bob-ombs, der einem in Mario Kart direkt vor den Kühlergrill gesetzt wird. Die Chance zu reagieren rangiert zwischen Null und haarsträubendem Dusel. So fühlt sich das Gros der Zauber in diesem Spiel an. Von hinten heran rasende Angriffe werden zwar signalisiert, wer nicht in kürzester Zeit weiträumig ausweicht (und damit wahrscheinlich zurückfällt), wird sofort empfindlich getroffen. Chocobo GP lässt an dieser Stelle die Fairness missen, die Mario Kart trotz all seines Chaos beinahe jederzeit einräumt.
Wie die Schlacht auf der Fahrbahn manchmal so spielt, landet ihr leicht innerhalb weniger Sekunden unverschuldet vom siegesgewissen ersten auf dem letzten Platz. Während Mario Kart Rückschläge wie diese mit vielen stark beschleunigenden Items ausgleicht, die auch in Chocobo GP vorkommen, haben die Final-Fantasy-Hühner ein ganz anderes Problem…
Strecken bleiben auf der Strecke
Dazu ein kurzer Exkurs zu den Kursen selbst: Chocobo GP gleicht seine überschaubare Zahl an liebevoll gestalteten Strecken mit "kurzen" oder "technischen" Varianten in denselben Umgebungen aus. Der Unterschied liegt im abgewandelten Streckenverlauf. Kreativität sieht leider anders aus; das gilt für die mangelnde Abwechslung der Umgebungen gleichermaßen wie für den Weg zwischen Start und Ziel. Waghalsige Abkürzungen, deren Meisterung über Wochen motiviert, sind Fehlanzeige. Viel zu schnell stellen sich Abnutzungserscheinungen ein. Kreativität berühmter Mario-Kart-Kurse wie der Kokos Promenade oder Waluigi-Flipper sucht man vergebens. Dabei ist es sie, die über den langfristigen Erfolg eines Fun-Racers entscheidet. Beinahe schon in Signalfarben sticht dieser Umstand im Cup-Modus hervor, der uns dieselben Kurse immer und immer wieder serviert. Das dürfte selbst Fans, die bekannte Orte erkennen, schnell eintönig werden.
Das einleitend erwähnte Problem, mit dem Chocobo GP zu kämpfen hat, besteht darin, dass viele (nicht alle!) Streckenvarianten schlicht zu kurz sind, um selbst mit den besten Items wieder ein erfolgreiches Comeback nach einem Verweis auf den letzten Platz zu starten. Zusammen mit den fehlenden Abwehrmöglichkeiten sind vollkommen unverschuldete schlechte Platzierungen kaum zu vermeiden. Diese Balance meistert der Platzhirsch einfach besser.
Eines muss man Chocobo GP jedoch ganz klar zugute halten. Im eShop ist neben der Vollversion eine kostenlose Lite-Version erhältlich, die Multiplayer-Rennen mit Besitzern der des Spiels erlaubt ohne zusätzlichen Kauf erlaubt. Das sucht man im Nintendo-Universum vergebens.
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