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Test - Blair Witch : Vier Stunden Blödsinn am Stück

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Videospiele sind ein Medium ausschweifender Fantasie. Hier wachsen zwergenhafte Klempner nach dem Verspeisen von Pilzen auf Kampfgröße an und wackere Ritter kämpfen sich ganz allein durch Schlösser voller abstruser tödlicher Fantasiemonster. Und doch braucht ein Spiel einen gewissen Bezug zur Realität. Es muss den Spieler packen, ihm eine nachvollziehbare Sichtweise vermitteln. Das gilt ganz besonders für das Genre der Horrorspiele, in dem der Spieler nicht nur in die Heldenrolle schlüpfen, sondern auch Furcht und Schrecken erfahren soll. Warum das bei Blair Witch nicht klappen will, erklären wir euch in unserem Test.

Blair Witch möchte ein kurzes, aber intensives Gruselerlebnis sein. Angesichts der Ego-Perspektive und der starken Konzentration auf die Hauptfigur ist es verwunderlich, dass Entwickler Bloober Team keine VR-Erfahrung für Oculus Rift oder PSVR im Sinn hatte. Dagegen spricht höchstens, dass die Grafikqualität des Spiels sichtbar gelitten hätte, denn in jeder anderen Hinsicht entspricht Blair Witch einem typischen VR-Game. Es ist kurz, versucht viel Eindruck mit seinen optischen Spielereien zu schinden, stellt künstliche Grenzen auf, die man in normalen Videospielen der letzten 15 Jahre nicht mehr angetroffen hat, und verkürzt alle Interaktionsmöglichkeiten mit der Umwelt auf das Beobachten von Indizien.

Auch die Handlung böte sich gut für ein VR-Erlebnis an. Unser Protagonist Ellis schließt sich mit seinem Hund Bullet einem Suchtrupp an, der in einem finsteren Wald nach einem verschollenen Kind sucht. Wie sich bald herausstellt, hat sich der Knirps nicht verlaufen. Er wurde entführt. Ellis und Bullet müssen allerdings auf eigene Faust durch den Wald, denn der Suchtrupp ist ein ganzes Stück früher aufgebrochen, und die Kollegen der Polizei können ihn aufgrund seiner psychischen Störungen größtenteils nicht leiden.

Perspektive, eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten und die Umgebung verlagern viele Aspekte des Spiels auf den Umgang mit dem Schäferhund Bullet, was an sich keine schlechte Idee ist. Seine Spürnase kann den richtigen Weg auskundschaften, versteckte Utensilien finden, vor finsteren Gestalten warnen und nicht zuletzt ein wenig Gesellschaft im dunklen Wald leisten. Auf dem Papier also ein interessantes Konstrukt für ein VR-Horrorgame.

Einsam im Wald

Es gibt da nur einen Haken: Blair Witch ist kein VR-Spiel, und so wirken die Interaktionsmöglichkeiten leider etwas spärlich, die Laufgeschwindigkeit des Helden scheint schneckenhaft lahm (selbst wenn er rennt) und die künstlichen Grenzen des Waldes in Form von unsichtbaren Wänden, die ein freies Auskundschaften der Umgebung verhindern sollen, wirken erschreckend antiquiert. Das sind jedenfalls die primären Eindrücke der ersten 15 Minuten, die den Spielspaß grundsätzlich schmälern. Aber das ist leider nur der Startschuss für eine erzählerische Tour de Farce.

Es dauert keine halbe Stunde, bis Ellis erste Fundstücke analysiert und sie seinem Hund vorsetzt, damit er die Fährte des verloren Kindes aufnehmen kann. Hier eine Kappe, da das Einwickelplastik einer Süßigkeit. Man schickt den Hund voraus, in der fälschlichen Annahme, er könne von nun an jeder noch so schwachen Fährte folgen. Doch Bullets Geruchssinn (oder sein Gedächtnis) ist derart schwach, dass er alle paar Meter den Geruch neu erfassen muss – anhand von weiteren Gegenständen. Na gut, es ist ein Spiel, da muss es gewisse Brotkrumen geben, sonst ist es ja witzlos. Aber leider übertreiben es die Entwickler beim Versuch, dem (angeblich) von einer Hexe verwunschenen Wald einen Schreckens- und Mystikfaktor aufzudrücken.

Blair Witch verliert in dem Moment sämtliche Glaubwürdigkeit und Standfestigkeit, wenn Ellis eine Videokamera im Wald findet, die gleich mehrere Konsequenzen mitbringt. Einerseits wird Ellis‘ psychische Krankheit in vollem Ausmaß sichtbar. Der arme Tropf leidet nicht nur unter Angststörungen, sondern auch unter heftigen Halluzinationen und Filmriss-Anfällen, die seine eigene Sicherheit, wie auch die seines Hundes hochgradig gefährden. So steht er während eines Flashbacks mindestens sechs Stunden einfach im Wald herum und bemerkt es nicht. Als er wieder zu sich kommt, ist es auf einmal tiefste Nacht.

Zum anderen mutiert die Kamera, auf deren Kontrollbildschirm kleine, zehn Sekunden anhaltende Aufnahmen des entführten Jungen zu sehen sind, zum Wundergerät, das Indizien und wichtige Gegenstände aus dünner Luft erscheinen lässt. Alles, was man dafür tun muss, ist den gesuchten Gegenstand in der Videoaufnahme finden, den Film pausieren und die Kamera wegstecken. Tadaa, schon erscheint der Gegenstand in der Realität an jenem Ort, wo auch das Video aufgenommen wurde.

Der Versuch, ein mystisches Element für die virtuelle Schnitzeljagd einzuflechten, schlägt fehl, weil es an vielen Stellen viel zu aufgezwungen und zugleich offensichtlich wirkt. Blair Witch gaukelt dem Spieler vor, es ginge um eine Suche mit freien Parametern, die den Intellekt des Spielers kitzelt. Hat man aber einmal herausgefunden, was die Entwickler von einem erwarten, fällt das ganze Konstrukt aufgrund seiner allzu offensichtlichen Linearität wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Kreislaufbeschwerden

Das ist allein schon am Aufbau des Waldes zu erkennen. Immer dann, wenn man nicht tut, was die Macher des Spiels an einer Stelle vorgesehen haben, führen alle Wege im Wald im Kreis, sodass man stets mit der Nase auf den letzten gefundenen Gegenstand gestupst wird. Ist man dann der vorgesetzten Puzzle-Brotkrume gefolgt, gestaltet sich der Wald magisch um und derselbe Weg, der eben drei Mal im Kreis geführt hat, bringt einen plötzlich weiter.

Es gibt nicht den geringsten Ansatz eines alternativen Lösungswegs, einer Abkürzung oder einer selbst herausgefundenen logischen Schlussfolgerung für den Spieler. Wer am Anfang des Spiels gehofft hat, der Hund könnte dank der Interaktion mit ihm – etwa durch Lob und Tadel bei gewissen Aktionen – einen roten Faden in der Rätselstruktur zeichnen, wird enttäuscht. Die Entwickler drücken ihr in Stein gemeißeltes Prinzip auf Gedeih und Verderb durch, was die Immersion und nicht zuletzt auch die Glaubwürdigkeit des Hauptcharakters bis auf den allerletzten Krümel vernichtet. Der Kerl gehört mit Antidepressiva ins Bett, und nicht bei Nacht in den Wald.

Nun, selbst wenn Ellis gesund wäre, käme keine Empathie für ihn auf, weil er sich im Rahmen der Spielregeln anstellt wie der erste Mensch. Er kann zwar mit einer Zauberkamera Gegenstände erscheinen lassen, aber wenn sein Hund hinter einem umgefallenen Baumstamm kläfft, erreicht er ihn nicht, weil er nicht in der Lage ist, über ein Hindernis von unter einem Meter Höhe zu klettern.

Auch das ist nur ein billiger Trick der Entwickler, mit dem die Hilflosigkeit des Hauptcharakters künstlich gesteigert wird, or allem in den Pseudo-Kampfsituationen, wenn plötzlich schemenhafte Geister im Dickicht des Waldes erscheinen, was vornehmlich dann passiert, wenn die Umgebung keine Fluchtmöglichkeit bietet.

Diese Geister kann man nur vorbeihuschen sehen, aber nie direkt erfassen. Um sie aufzuspüren, muss man das Verhalten des Hundes beobachten. Einmal entdeckt, reicht ein Anstrahlen mit der Taschenlampe (die - oh Wunder - plötzlich ganz hell strahlen kann), um den Widersacher zu beseitigen. An sich keine schlechte Idee für einen waffenlosen Horrorkampf. Erinnert auch ein wenig an Alan Wake. Aber die Ausführung ist unter aller Kanone, weil man in der Dunkelheit des Waldes kaum den eigenen Hund ausmachen kann, ganz zu schweigen davon, seine hektischen Bewegungen zu interpretieren, während einem quasi-unsichtbare Geisterwesen den Hintern versohlen.

Nicht falsch verstehen: Blair Witch ist aufgrund seiner künstlichen Beschneidungen nicht schwierig zu knacken. Das Spiel ist einfach nur nervig. Man verdreht als Spieler alle drei Minuten die Augen, weil die Entwickler einem immer neue schwachsinnige Sinnesbeschneidungen aufbürden, die Spannung erzeugen sollen, es aber nicht schaffen, weil sie zugleich die Glaubwürdigkeit des Helden untergraben.

Blair Witch - Launch Trailer
Blair Witch ist ab sofort für PC und Xbox One zu haben.

Und je weiter das Spiel voranschreitet, desto übler wird es. Innerhalb der knapp dreieinhalbstündigen Spielzeit werden Ellis‘ Handicaps erzählerisch immer mehr zum zentralen Bestandteil des Spiels, sodass die Suche nach dem entführten Kind in den Hintergrund rückt, ja gar wie ein Alibi-McGuffin wirkt. Wäre Ellis‘ Zustand das Maß aller Dinge, so würde das Spiel tatsächlich immer mehr an Spannung gewinnen, je weiter man im Spielverlauf voranschreitet. Es geht aber um das Kind, und das verliert ständig an Bedeutung, sodass auch die Motivation weiterzuspielen, nicht gesteigert werden kann.

Angesichts solcher Schwächen fallen Schnitzer wie Übersetzungsfehler gar nicht mal ins Gewicht. Am ehesten nervt noch das Menü für den Hund, in dem das Verb „pet“ (Englisch für „streicheln“) mit seinem Teekesselchen („Haustier“) übersetzt wurde. Immer wenn der Hund etwas Gutes gemacht hat, „haustiert“ man ihn also. Da möchte man manchmal herzhaft den Kopf gegen die Tischplatte schmettern.

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