Preview - Banishers: Ghosts of New Eden : Die düstere und emotionale Alternative zu God of War: Ragnarök
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2023 war ein ziemlich irres Spielejahr. Etliche Produktionen, deren Entwicklung sich während des Corona-Lockdowns verzögerten, kamen nun wie eine Flutwelle über uns. Selbst im Monat Juni, in dem traditionell kaum Spiele herauskommen, weil die Menschen lieber draußen sind, statt zu Hause Videospiele zu zocken, traten sich Blockbuster wie Diablo IV, Street Fighter 6 und Final Fantasy XVI gegenseitig auf die Füße. Und im Weihnachtsgeschäft dann: totaler Overkill. Etliche „kleinere“ Spiele wie Blasphemous 2, Alone in the Dark und selbst Alan Wake 2 verschoben freiwillig ihr Veröffentlichungsdatum, um nicht mit Großkalibern wie Baldur’s Gate 3, Starfield, Spider-Man 2 und Assassin’s Creed: Mirage konkurrieren zu müsse
So auch Banishers: Ghosts of New Eden von Don’t Nod, das eigentlich am 7. November hätte erscheinen sollen, nun aber erst am 13. Februar veröffentlicht wird, nicht, weil es nicht fertig geworden wäre, sondern weil die Entwickler ihm die Chance auf die Aufmerksamkeit gewähren möchten, die ihm im Release-Umfeld von Call of Duty: Modern Warfare 3, Super Mario & Co. sicherlich nie und nimmer zuteil geworden wäre.
Eine kluge Entscheidung, denn eure Aufmerksamkeit hat das Action-Adventure zweifellos verdient. Exklusiv als eines von zwei deutschen Medien durften wir eine fast fertige Version des Spiels etwa drei Stunden lang anspielen und uns einen Eindruck davon verschaffen. Die zusätzliche Zeit bis zur Veröffentlichung wollen die Entwickler für weiteren Feinschliff nutzen, inhaltlich und technisch war die Version aber weitgehend final und machte auch diesen Anschein.
God of War meets Life is Strange
Schon im August durften wir im Rahmen einer Preview ein Kapitel aus Banishers: Ghosts of New Eden spielen und berichteten euch damals von dem ungewöhnlichen Setting des Spiels, dem flotten Kampfsystem und vor allem auch den schwerwiegenden, moralischen Entscheidungen, für die Don’t Nod mit seinen interaktiven Geschichten wie Life is Strange bekannt ist und die sie hier ins Action-Genre übertragen, um daraus eine emotionalere Erfahrung zu machen.
Während wir beim letzten Mal nur ein kurzes, noch dazu recht linear ablaufendes Kapitel vom Anfang des Spiels antesten durften, erlebten wir nun mehrere Abschnitte in verschiedenen, darunter auch recht späten Stadien des Spiels und erhielten so einen umfassenden Eindruck, wie all die einzelnen Bestandteile in einen spielerischen Zusammenhang gebettet sind.
Und dabei drängt sich vor allem ein Vergleich regelrecht auf: God of War, das in ähnlicher Form vielschichtige Kämpfe mit Rätseln und der Erkundung seiner Spielwelt zu einer stark story-getriebenen Erfahrung kombiniert, die streckenweise linear erscheint, aber auf lange Sicht eine semi-offene Welt aufspannt, in der man immer wieder nach Metroidvania-Vorbild an bereits besuchte Orte zurückkehrt und ständig neue oder optionale Aktivitäten vorfindet.
Damit fischt Banishers: Ghosts of New Eden natürlich in Gewässern, in denen sonst nur die allergrößten Fische im Teich wie Sony Santa Monica, Respawn oder Crystal Dynamics schwimmen und daher das Risiko bergen, Schiffbruch zu erleiden. Doch genau dort wiederum scheinen die Entwickler von Don’t Nod ihren Fokus zu setzen und halten dem Blockbuster-Mainstream mit ihrer großen Expertise im interaktiven Story-Telling gegen. Lead Narrative Designerin Elise Galmard zeichnete vor ihrer Arbeit an Banishers etwa für die Geschichte des feinfühligen Transgender-Melodrams Tell Me Why verantwortlich und bringt diese Erfahrung nun in das Action-Adventure ein, das eben nur vordergründig vom Abenteuer zweier Monsterjäger handelt, in seinem Kern aber eine tragische Liebesgeschichte erzählt.
Liebestragödie trifft Monster-Action
Red und seine Partnerin Antea sind sogenannte „Verbanner“ (Banishers), die ähnlich wie Witcher Geralt übernatürliche Bestien jagen und die Geister, die von ihnen Besitz ergriffen haben, ins Jenseits verbannen und ihnen so zur ewigen Ruhe verhelfen. Schon an diesem Punkt zeigt sich die besondere Vielschichtigkeit des Spiels, das keine eindeutige Unterscheidung zwischen gut und böse macht. Die Monster in Banishers sind nicht von Natur aus blutrünstige Kreaturen. Stattdessen handelt es sich um die rastlosen Geister gepeinigter Menschen, denen zu Lebzeiten fürchterliche Seelenqualen widerfahren sind, die womöglich aus der Not heraus schlimme Dinge verbrochen haben oder in Geschehnisse verwickelt waren, die ihnen nun im Tode keine Ruhe lassen.
Jede Mission setzt euch daher am Ende einer Entscheidung aus, mit der ihr das Geschehen einordnen und bewerten müsst und die auch das weitere Schicksal eurer Helden nach und nach formen wird. In einem Kapitel, das wir spielen durften, treffen wir zum Beispiel auf einen einsamen Trapper, der in der Abgeschiedenheit der Wildnis zunehmend den Verstand zu verlieren droht, dem ständiger Hunger und Krankheit augenscheinlich schwer zugesetzt haben. Er erzählt uns von seinem Kameraden, der schon seit Tagen, womöglich gar Wochen vermisst wird.
Natürlich machen wir uns als Held eines Videospiels auf die Suche nach ihm und machen schlussendlich eine grausame Entdeckung: Offenbar hat der Trapper seinen Freund im Streit um die letzten verbliebenen Essensvorräte in eine Schlucht gestoßen und getötet. Doch nicht nur das: In völliger Verzweiflung entschied er sich dazu, seine Leiche auszuweiden und das Fleisch zu verzehren, was ihn schließlich in den Zustand des Wahnsinns trieb, in dem wir ihn nun vorfinden. Nun liegt es an euch, seine Tat zu bewerten: Habt ihr Verständnis für seine verzweifelte Situation und strebt die Versöhnung mit dem Geist seines Freundes an? Oder richtet ihr ihn für seine Taten und verurteilt ihn zum Tode?
Das eigentlich Heikle an diesen Entscheidungen besteht darin, dass man seine Wahl nicht lediglich für mehr oder weniger unbedeutende NPCs trifft, deren Wohlergehen einem ein paar Augenblicke später schon wieder einerlei ist. Sie bestimmen vielmehr langfristig das Schicksal der beiden Helden: Denn Antea ist selbst zu Beginn des Spieles gestorben und dadurch zum Geist geworden. Nur indem Red andere Menschen tötet, gewinnt er nach und nach die Macht, sie am Ende womöglich ins Leben zurückzurufen, setzt dabei aber nichts weniger als das eigene Seelenheil aufs Spiel, begeht er doch aus Eigennutz grausame Morde, die auch dann verwerflich scheinen, wenn die Opfer wie im geschilderten Fall den Tod verdient haben mögen.
„Sämtliche Quests des Spiels sind unter dem Gesichtspunkt entworfen, dass sie vom Schicksal dieser Menschen erzählen, die in der Hoffnung auf ein besseren Leben in die Neue Welt von New Eden gekommen sind, aber alle ihre Probleme und Leid mitgebracht haben oder nun neue vorfinden“, erklärt Elise Galmard ihre Philosophie hinter dem Storykonzept von Banishers.
Reales Vorbild für die fiktive Spielwelt von New Eden ist der US-Bundesstaat Massachusetts an der amerikanischen Ostküste, an der zur Zeit des Spiels Ende des 17. Jahrhunderts unzählige Auswanderer aus der alten Welt anlandeten, aber statt der Erfüllung des Versprechens aufs Paradies oftmals nur ein Leben in Entbehrung und Elend vorfanden. Eine Welt also im ständigen Zwiespalt zwischen Hoffnung und Tod, das sich im tragischen Schicksal der beiden Helden spiegelt. Dieser Zwiespalt, der den Konflikt der äußeren Welt in der emotionalen Tragik der Liebenden versinnbildlicht, habe sie besonders bei der Entwicklung des Spiels begeistert, so Elise Galmard im Interview.
Semi-offene Spielwelt voller Betätigungen
Er wiederum sei besonders stolz auf das Design dieser Welt, die Lust darauf macht, sie zu erkunden und dabei ständig Neues zu entdecken, erklärt Lead Level Designer Simon Svoboda. Natürlich sei man sich bewusst, dass man nicht mit dem Produktionsbudget eines God of War: Ragnarök konkurrieren könne. Umso mehr habe man sich daher bemüht, durch Einzigartigkeit hervorzustechen, das Raue und Schmutzige, Brutale und Magische dieser Welt hervorzuheben. Zum Beweis zeigt er mir einen seiner Lieblingsorte im Spiel: ein riesiges Schiffswrack, das an den Klippen der Küste zerschellt ist und auf den ersten Blick wie eine typische Videospielkulisse wirkt, zu dem es aber einen geheimen Pfad gibt, den man mithilfe von Anteas Geisterfähigkeiten entdecken kann, um die dort versteckte Beute zu ergattern.
Ein Blick auf die Landkarte von Banishers: Ghosts of New Eden versetzt zunächst umgehend in Erstaunen: So groß hätte keiner der anwesenden Journalisten das Spiel erwartet. Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um ein typisches Open-World-Spiel, in dem jeder Quadratmeter seiner Spielwelt durchquerbar ist. Vielmehr spannt es ein Geäst von Wegen auf, die wie eben bei God of War alle miteinander zusammenhängen und einander auch immer mal wieder kreuzen.
Und am Rand jedes dieser Wege: allerhand Betätigungen. Bei Banishers: Ghosts of New Eden handelt es sich zwar um ein weitgehend handlungsgetriebenes Abenteuer, doch abseits des Pfades erwarten den Spieler jede Menge optionale Aktivitäten und Quests mit dem Versprechen auf Beute und Level-ups.
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Da gibt es die obligatorischen Schatztruhen am Ende der Sackgassen von Umwegen, Altäre, an denen ihr Wellenkämpfe gegen Gegner beschwört und diese unter besonderen, erschwerenden Bedingungen besiegen müsst. An manchen Stellen nehmt ihr es mit optionalen Bossen auf oder erkundet kleine Rätsel-Dungeons, in denen es Anteas Geisterkräfte clever einzusetzen gilt, um versteckte Wege zu öffnen. Am interessantesten sind jedoch zweifellos die „Untersuchungen“, Nebenquests in Form kleiner Kriminalfälle, in denen es meist darum geht, einen Mord aufzuklären, ein Monster zur Strecke zu bringen, einen Streit zu schlichten oder eine vermisste Person zu finden – und an deren Ende jedes Mal eben nicht nur irgendeine Form von Loot, sondern eben auch eine schwerwiegende Entscheidung steht, der euer zukünftiges Schicksal besiegelt …
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