Test - Werewolves Within : Jetzt endlich: Die erste gute Spieleverfilmung
Erst kürzlich warfen wir anlässlich der Kritik zur Uncharted-Verfilmung einen Blick in die Metacritic-Statistik aller 48 bisher erschienenen Spieleverfilmungen. Dabei stellte sich zu niemandes Überraschung heraus, dass es sie laut Kritikerspiegel noch immer nicht gibt: die erste richtig gute Videospiel-Verfilmung.
Doch halt! Irgendwo ganz tief versteckt in der Statistik war unter der Lupe fast unmerklich dieses kleine gallische Dorf zu erkennen, das erfolgreich dem Fluch der Spieleverfilmungen Widerstand leistet. Abseits des Bodensatzes von Alone in the Dark und Wing Commander im gar einstelligen (!) Metascore-Prozentbereich, jenseits der Mittelmaß-Gestade von Assassin’s Creed, Warcraft, Tomb Raider bis Silent Hill und hoch oben thronend über der Spitze der „Mit zugekniffenem Auge durchaus erträglich“-Liga von Meisterdetektiv Pikachu und Angry Birds 2, stach ein Film heraus, der laut Internet-Datenbank Rotten Tomatoes mit einem Metascore von 86% als einziger das Prädikat „tatsächlich echt ganz gut“ für sich beanspruchen darf.
Es handelt sich um: einen Film, den nur kaum jemand kennt. Zu einem Videospiel, das erst recht kaum jemand kennt. Das wiederum auf einem Gesellschaftsspiel basiert, das zumindest hierzulande kaum jemand kennt. Und das, obwohl das Spiel von niemand Geringerem als Massenmarkt-Entwickler Ubisoft stammt, der den zugehörigen Film sogar mitproduziert hat. Soeben ist er auf DVD und Blu-ray erschienen, was wir zum Anlass nehmen, ihn euch vorzustellen. Ladies and Gentleman, hier ist sie also: die angeblich erste gute Spieleverfilmung!
Hä? Verfilmung? Zu welchem Spiel denn bitteschön?
Werewolves Within basiert auf dem gleichnamigen Ubisoft-Spiel aus dem Jahr 2016, das vermutlich deswegen nur Wenige kennen, weil es exklusiv für VR-Brillen erschien. Darin sitzen mehrere Spieler beisammen ums virtuelle Lagerfeuer und müssen durch Kommunikation, Täuschung und geschicktes Ausfragen gemeinsam herausfinden, wer von ihnen der getarnte Werwolf ist, der das Dorf in Angst und Schrecken versetzt. Also im Grunde ein bisschen wie Among Us, nur eben im Sitzen.
Zunächst nur im russischen und osteuropäischen, später vor allem auch im angelsächsischen Raum ist das Prinzip schon seit den späten 80ern als analoges Gesellschaftsspiel beliebt und hat sich dort von seinem ursprünglichen Zweck als sozialpsychologisches Experiment an Universitäten zu einem Partyspaß für heitere Abende mit Freunden im Stuhlkreis zwischen einer Kiste Bier und ein paar Tüten Chips gemausert. Also im Grunde wie die Erwachsenenversion von „Es geht ein Bi-Ba-Butzemann“. Und genau für eine solche Runde ist auch der zugehörige Film gedacht: als beabsichtigt trashige Parodie auf einschlägige Horrorfilm-Klischees, die man am besten zusammen mit Freunden und typischerweise in Verbindung mit einem Trinkspiel und Zitate-Bingo konsumiert. Also im Grunde wie Cabin in the Woods, aber nicht von Joss Whedon. Also mal schauen …
Dass Ubisoft ausgerechnet ein nahezu unbekanntes Spiel verfilmen ließ und nicht mit seinen großen Marken wie Splinter Cell und Far Cry auf den großen Reibach schielt, mag gelinde gesagt befremdlich anmuten, nach den Flops der Verfilmungen von Assassin’s Creed und Prince of Persia (Hand aufs Herz: Denkst du jetzt gerade „Ach stimmt, den gab’s ja auch noch“?) wirkt es jedoch wie ein gewiefter Schachzug in Bescheidenheit, sich endlich einmal von der kreativen Inspiration bei der Themenwahl fürs Filmsujet anleiten zu lassen und nicht vom Blick ins Scheckbuch. Womöglich mag auch der Grund mit reingespielt haben, dass das ursprüngliche „Social Deduction Game“, wie man heutzutage dazu sagen würde, bereits in den 90ern mehrere launige Verfilmungen in Serienform erfahren hat, die recht erfolgreich im russischen Fernsehen liefen, und ohnehin die Ausgangssituation des Spiels auf häufig zitierten und damit kommerziell wie dramaturgisch bewährten Mustern des Horrorfilm-Genres baut, die auch vollkommen ohne zugehöriges Spiel genau so funktionieren, wie sie hier eben funktionieren.
We’re wolves within
Es ist ein neuer Ranger in der Stadt. Weil seine Freundin eine „Auszeit“ von der Beziehung wünscht (also Schluss gemacht hat, ohne dass er das wahrhaben will), verschlägt es den sympathisch naiven Finn ins verschlafene Provinzstädtchen Beaverfield, um dort in der Weite und Abgeschiedenheit der Natur auf andere Gedanken zu kommen. Beaverfield ist das mustergültige Klischee spießbürgerlichen Kleinstadtlebens, in dem jeder jeden kennt, vordergründig vorgibt, dass alle Einwohner wie eine große Familie füreinander da sind, während sie hinterrücks nur auf die Gelegenheit warten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Ein Schneesturm sperrt zehn illustre Vertreter dieser sonderbaren Spezies in einem einsamen Berghotel ein, wo sie sich nicht nur den Herausforderungen von Abgeschiedenheit von der Außenwelt, fehlendem Handyempfang und billigem Fusel stellen müssen, sondern schon bald die erste Leiche in den eigenen Reihen vorfinden und feststellen müssen: Einer von ihnen ist ein Werwolf, der schnellstmöglich enttarnt werden muss, bevor er einen nach dem anderen zur Strecke gebracht hat.
Werewolves Within ist kein richtiger Horrorfilm, sondern vielmehr die postmoderne Parodie darauf, was so viel bedeutet wie: Die Macher wissen ganz genau, dass ihr schon sehr, sehr viele Filme nach exakt dem gleichen Schema gesehen habt und daher die Muster dahinter genauestens kennt und zu durchschauen wisst. Das Vergnügen entsteht beim Zuschauen demnach weniger durch den eigentlichen Nervenkitzel, sondern den Spaß, die Klischees in mannigfaltiger Form wiederzuerkennen und sie wahlweise pointiert überspitzt oder in unerwarteter Weise gegen den Strich gebürstet serviert zu bekommen. Also im Grunde wie in Scream, der nur deshalb wieder ein ernstzunehmender Slasherfilm sein konnte, weil er ganz offensiv zur Schau stellte, dass man Slasherfilme heute eigentlich nicht mehr ernst nehmen kann.
Das Schöne an Werewolves Within ist, dass er dabei nicht so eindeutig und neunmalklug vorgeht wie eben Scream, sondern seinen Humor sehr viel subtiler zwischen die Zeilen schreibt und dabei vor allem nicht zur reinen Persiflage verkommt, die ihr Heil oftmals lediglich in der maßlosen Übertreibung von Splatterszenen und zotig-schrägen Figuren für den platten Schenkelklopfer sucht. Werewolves Within ist eher ein Film der Schmunzler und sorgfältig vorbereiteten Running-Gags, die man auch schon mal übersieht, wenn man nicht gut aufpasst. (Achtet zum Beispiel mal darauf, mit welcher „Waffe“ der Werwolf am Ende bekämpft wird und worauf das anspielt.) Er zeugt von einer großen Liebe und dem tiefem Verständnis seiner Macher fürs Genre, das sie genüsslich wie mit dem Skalpell sezieren und seine Klischees augenzwinkernd offenlegen, ohne es selbst der Lächerlichkeit preiszugeben.
Also im Grunde wirklich sehr ähnlich wie der bereits erwähnte Cabin in the Woods, wenngleich dieser noch eine Spur gewiefter dabei vorging und trotz der doppelbödigen Herangehensweise dem Genre selbst enger verhaftet blieb, während Werewolves Within streng genommen eigentlich kein Horrorfilm mehr ist, sondern vielmehr eine Provinzposse, die sich lediglich ins Gewand eines Horrorfilms kleidet, weil nicht der Werwolf, sondern vielmehr engstirnige Nachbarn, hinterwäldlerische Ideologien und kleinbürgerliche Borniertheit der wahre Horror sind.
Da ist etwa das stereotype Redneck-Pärchen, das „links“ nicht als Richtungsangabe, sondern nur als Wort für das politische Feindbild kennt. Oder der unheimliche Einsiedler, der, warum auch immer, einen ausgestopften Wolf statt eines Wintermantels am Leib trägt und jedem Eindringling auf sein Grundstück zehn Sekunden Zeit lässt, bevor er ihn erschießt – selbst wenn es sich dabei um den Postboten handelt. Beziehungsweise die Postbotin („gendern ist wichtig“), die gleichzeitig wohl anscheinend die Dorfschönheit sein soll, dabei aber so herrlich genre-untypisch unscheinbar und gewöhnlich auftritt, dass man kaum anders kann, als sie irgendwann irgendwie genauso toll zu finden wie der schüchtern unbedarfte Neuankömmling Finn. Erst recht, wenn sie ihm einen Hauch angesäuselter und aufreizender, als ihr gut zu Gesicht steht, in die Geheimnisse des lokalen Kneipensports einweist: Dart. Aber mit Äxten. Also im Grunde wie … ach, keine Ahnung, egal.
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