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Test - The Casting of Frank Stone : Das Dead by Daylight Spin-off von den Until-Dawn-Machern ist überraschend gut

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Huch, das kommt jetzt schon raus? Gefühlt hat kaum jemand auf dem Schirm, dass The Casting of Frank Stone schon am 3. September erscheint. Womöglich liegt es daran, dass Publisher Behaviour Interactive, statt die Werbetrommel zu rühren, voll und ganz auf den Bekanntheitsgrad ihres Erfolgstitels Dead by Daylight vertraut und von dem Spin-off einen Selbstläufer erwartet. Vermutlich ein fataler Fehler, denn ein bisschen Werbung hat der Titel offenbar durchaus nötig – und verdient. Denn The Casting of Frank Stone ist eins der besten Spiele von Supermassive Games, den Machern von Until Dawn und der Dark-Pictures-Serie.

Andere haben es vorgemacht. League of Legends zum Beispiel mit seinen Ablegern Ruined King (Test) und The Mageseeker, die das Universum des Erfolgsspiels zur Abwechslung mal aus ganz anderen Perspektiven und in gänzlich unterschiedlichen Spielgenres beleuchteten. Oder Borderlands mit dem irre witzigen Tales from the Borderlands, das die grell bunte Apokalypsewelt des Koopshooters ins Gewand eines interaktiven Films kleidet. Ähnlich wie jetzt Dead by Daylight mit The Casting of Frank Stone.

Serienkiller jenseits von Raum und Zeit

Eine brutale Mordserie erschütterte in den 60er Jahren das entlegene Städtchen Cedar Hills. Der Serienkiller Frank Stone entführte damals Kinder ins stillgelegte Stahlwerk, um an ihnen grausame Rituale zu exerzieren. Einem jungen Polizisten gelang es zwar, ihm das Handwerk zu legen, doch machte er den Killer damit unfreiwillig zum Vollstrecker einer außerweltlichen Entität, die Dead-by-Daylight-Spieler nur allzu gut kennen.

Zeitsprung. Beziehungsweise derer zwei, denn The Casting of Frank Stone spielt auf zwei Zeitebenen gleichzeitig, die ihre Geschichten im ständigen Wechsel parallel zueinander entfalten und dabei erzählerisch geschickt gegenseitig vorwärts treiben.

In der Gegenwart folgt die junge Madison einer mysteriösen Einladung in ein gruseliges Spukschloss, wo sie mit zwei weiteren Gästen in die Falle der satanischen Gastgeberin tappt. Diese sammelt auf der ganzen Welt die Relikte dämonischer Gottheiten, was wiederum den Kreis zur Lore von Dead by Daylight schließt. Und irgendwie scheinen alle beteiligten Personen mit einem sagenumwobenen, angeblich verfluchten Horrorfilm zusammenzuhängen, der als verschollen gilt, seit er seine Zuschauer reihenweise um den Verstand brachte und sie zu gewalttätigen Exzessen animierte.

Parallel dazu folgen wir in den 80er Jahren der Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen, die mit einer Super-8-Kamera einen Amateurfilm drehen, genau in jenem Stahlwerk, in dem Frank Stone einst seine Opfer quälte und wo er selbst unter rätselhaften Umständen verschwand. Und natürlich dauert es nicht lange, bis seine Dämonen Jagd auf die leichtsinnigen Bratzen machen.

Sind noch alle da? Seid ihr bei der kurzen Inhaltszusammenfassung wenigstens halbwegs mitgekommen? Denn wie zu sehen: Supermassive Games, die Entwickler von Until Dawn, The Quarry (Test) und der Dark Pictures Anthology, rühren für The Casting of Frank Stone ein geradezu überschäumendes Potpourri an Handlungsfäden und Genrereferenzen an, dass einem vom Verzehr schwindelig werden kann.

Slasher meets Spukschloss meets Lovecraft meets alles Mögliche

Denn bislang huldigten die Spiele des Entwicklerstudios in der Regel einem oder zweier Traditionen des Horrorgenres, indem es deren Muster und Klischees lustvoll zitierte und ab einem bestimmten Punkt mal mehr, mal weniger clever brach. Until Dawn etwa dem Slasher und Torture-Porn, The Quarry dem Werwolf- und Backwoods-Horror, Man of Medan dem Zombie-Schrecken. The Casting of Frank Stone lässt sich allerdings nicht so einfach in eine Schublade packen, was es auf der einen Seite etwas wirr und planlos erscheinen lässt, auf der anderen Seite aber frisch und unvorhersehbar.

Und das ist nur einer der Punkte, für die ich es irgendwie ganz gerne mag. The Casting of Frank Stone ist eine wilde Achterbahnfahrt durch unterschiedlichste Spielarten der Horrorfilms. Als habe jemand eine Rolle aus jedem seiner Lieblingsfilme des Genres genommen und die Einzelteile zu einem neuen Ganzen montiert, das auf seine ganz eigene Weise schrill und kühn und wunderbar ist.

Da finden sich Referenzen an viktorianische Spukhaus-Geschichten ebenso wie die heutzutage unerlässlichen Lovecraft-Zitate. Der Teenager-gegen-Serienkiller-Plot erinnert natürlich an Klassiker wie Freitag der 13. und Nightmare on Elm Street, also genau die Filme, aus denen Dead by Daylight ursprünglich mal seine Inspiration zog, ganz besonders die Arbeiten von Tobe Hooper - und zwar sowohl sein markerschütterndes Texas Chainsaw Massacre als auch seinen familientauglichen Poltergeist. Der Mythos von der mörderischen Filmrolle weckt Assoziationen an den japanischen Schocker „Ringu – The Ring“ und die unfreiwillig geladenen Gäste im Gruselanwesen gar an den CD-ROM-Klassiker The 7th Guest (der kürzlich erst eine famose Neuauflage als VR-Spiel erhielt).

80er-Vibes à la Stranger Things

Am besten gefällt mir aber das unvergleichliche 80er-Flair, das The Casting of Frank Stone in seinen Rückblenden verströmt. Solch schöne Retro-Vibes erzeugte allenfalls der Film Super 8 von J.J. Abrams, in dem ebenfalls eine Teenager-Filmcrew übersinnlichen Vorgängen nachspürte, ebenso wie natürlich Stranger Things, dessen Einfluss allenthalben spürbar ist. Da surrt beim Dreh noch die kleine Super-8-Handkamera mit ihrer chemischen Filmrolle statt dem 4K-Smartphone, und die Jugendlichen treffen sich allabendlich auf dem verranzten Sofa in der Garage statt in der WhatsApp-Gruppe.

In seinen besten Momenten weckt The Casting of Frank Stone sogar Erinnerungen an Filme wie Die Goonies, an Stand by me oder auch die frühen Spielberg-Werke, in denen Jugendliche in der amerikanischen Vorstadt aus dem Alltag in ein außergewöhnliches Abenteuer schlidderten.

Nun hänge ich mit diesen Vergleichen die Erwartungen so hoch, dass sie das Spiel nie und nimmer erfüllen wird. Dafür bläst es am Ende des Liedes dann doch ein wenig zu laut in die Trash-Posaune. Aber im Kontext der Supermassive-Spiele bildet es dennoch eine willkommene Ausnahme, die sich nicht scheut, einfach mal was auszuprobieren, auch wenn nicht alles funktioniert. Und vieles ehrlich gesagt auch keinen rechten Sinn ergeben mag, erst recht nicht am Ende, wo angesichts der schieren Anzahl an Handlungsfäden manche fast schon zwangsweise ins Leere laufen und keine befriedigende Auflösung mehr erfahren.

Abermals wird wie in fast jedem Spiel von Supermassive Games ohnehin ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch weggerannt, während die emotionalen Bandeleien unter den Charakteren, die in der ersten Hälfte noch so sorgsam aufgebaut wurden, kaum noch eine Rolle spielen. Letztlich geht es halt wieder mal vor allem darum, wer am Ende überlebt oder vorher eines grausamen Todes stirbt.

Bedauerlich ist das insbesondere deshalb, weil gerade die zitierten 80er-Jahre-Filme mustergültig darin vorgingen, ein Ensemble unterschiedlichster Personen zu zeichnen, deren Schicksal einem wahrlich zu Herzen geht. Supermassive Games hingegen schickt einmal mehr die gleichen gleichgültigen Abziehbildchen echter Menschen ins Rennen, wie man sie schon aus sämtlichen ihrer vorherigen Spiele kennt: Die Blondine ist zickig und selbstherrlich und ihr Freund zu treudoof, um zu erkennen, dass sie ihn nur ausnutzt. Die strenge Mentorin tritt herablassend und spröde auf, und der Kumpeltyp ist halt der Kumpeltyp. Die Emo-Schwester unterdessen guckt trotzig aus der schwarzen Wäsche.

Grafik: ein Meilenstein

Grafisch hingegen legt Supermassive Games mit The Casting of Frank Stone eine neue Stufe auf die Messlatte. Zwar wirkt die Mimik noch immer in seltenen Momenten extremer Emotionen maskenhaft verzerrt, alles andere ist aber einfach nur sensationell. Wenngleich man wieder einmal die meiste Zeit über durch stockdustere Gänge und Keller und Fabrikhallen spaziert, wirkt sich der Umstieg auf die neueste Version der Unreal Engine sichtlich aus.

Auch weil die Entwickler geschickte Lichtstimmungen erzeugen, um die Schauplätze stets atmosphärisch und unheildräuend in Szene zu setzen – und sie nicht wie etwa noch in Little Hope oder The Quarry schlicht in trübes Dunkel tauchen. Vor allem aber der dezente Einsatz von klassisch anmutenden Spezialeffekten wie gespenstische Blitze und unheimlich leuchtende Energiewolken markieren spektakuläre Momente, genau wie eben in den Filmen der 80er, als solcherlei tricktechnischer Hokuspokus noch für staunende Münder sorgte. Die abartigen Details auf Frank Stones zerfleischter Haut oder das monströse Wesen in den Gewitterwolken setzen Akzente, wie ich sie allenfalls im Vorzeigespiel Hellblade 2: Senua’s Sacrifice in ähnlicher Qualität gesehen habe.

Entscheidungen und Filmschnitt

Ansonsten folgt das Spiel natürlich dem Muster typischer Supermassive-Spiele mit all ihren Vor- und Nachteilen. Die Rätsel – wenn man sie überhaupt so nennen mag – beschränken sich auf das Auffinden von Zahnrädern oder Ventilen für den Stromgenerator in unmittelbarer Nähe, und das einzige zaghafte Spielmechanik-Experiment, bei dem ihr Dämonen mit der Filmkamera vertreiben müsst, macht einen reichlich halbgaren und kruden Eindruck, stört aber auch nicht sonders.

Kernelement von The Casting of Frank Stone ist ohnehin das von Supermassive gewohnte Markenzeichen, dass fast jede einzelne Entscheidung spürbare Konsequenzen im ansonsten recht linearen Plotverlauf bewirkt. Den dürft ihr diesmal übrigens sogar in einem Diagramm stets einsehen, um nachzuverfolgen, welchen Pfad in der Geschichte ihr gewählt habt und welche für weitere Spieldurchläufe noch offen sind. Für eine Trophäe / Achievement müsst ihr gar alle mögliche Handlungsverzweigungen freischalten.

Freundlicherweise lässt euch das Spiel in der Kapitelauswahl fast jede einzelne Verzweigung gesondert ansteuern, um direkt auszuprobieren, was passiert, wenn ihr euch anders entscheidet. Derartig hält sich der Aufwand für spätere Durchläufe gottlob in Grenzen, vor allem auch wenn man den Anspruch hegt, alle Charaktere zu retten. Oder der sadistischen Neigung nachgehen möchte, sie alle sterben zu sehen. Ansonsten seid ihr nach 6-8 Stunden durch. Nur 40 Euro ist dafür angesichts der extrem hohen Produktionsqualität (sogar mit deutscher Vertonung) und großem Wiederspielwert eine lohnende Investition.

Für die ihr übrigens keineswegs Dead-by-Daylight-Spieler sein müsst. Natürlich rasselt es am laufenden Band Anspielungen für Fans. Womöglich ist es aber gar von Vorteil, mit dessen Universum nicht vertraut zu sein, weil die Lore dann noch mysteriöser und geheimnisvoller wirkt.

Greift zu, wenn...

… ihr Lust auf einen wilden Mix unterschiedlicher Horror-Genres als interaktivem Film habt.

Spart es euch, wenn...

… ihr euch an flachen Charakteren und unbefriedigend aufgelösten Handlungsfäden stört.

Fazit

Matthias Grimm - Portraitvon Matthias Grimm
Eines der besten Spiele von Supermassive Games seit Langem

Ich mag The Casting of Frank Stone vor allem für vier Dinge: Erstens für die beeindruckende Grafik, die mit zum Besten gehört, was ich abseits von Hellblade 2 je gesehen habe. Zweitens für die nostalgischen 80er-Vibes, die an den Film Super 8 und die Serie Stranger Things erinnern. Drittens die geschickte Erzählweise, die zwei Zeitebenen parallel zueinander vor sich her treibt.

Viertens und vor allem aber, dass Supermassive Games im Gegensatz zu ihren bisherigen Spielen nicht einem bestimmten Genre des Horrorfilms huldigen, indem sie dessen Klischees und Muster bewusst bedienen, um sie dann an gegebener Stelle zu brechen. Das machte sie immer etwas vorhersehbar und abgedroschen. Stattdessen spinnen sie mit The Casting of Frank Stone ein geradezu tollkühnes Netz an unterschiedlichsten Genrereferenzen: vom Slasher zum Backwoods-Terror, vom Geisterschloss zum Cthulhu-Mythos, von verfluchten Filmrollen zu Agatha Christie. Und wieder zurück. Wie Dead by Daylight eben, mit seiner schonungslos lustvollen Lizenz-Akrobatik.

Das wirkt in dieser wilden Kombination erstaunlich frisch und immer wieder überraschend, gleichzeitig aber auch reichlich wirr und planlos, vor allem wenn am Ende manche der überbordend vielen Handlungsfäden fast schon zwangsweise unbefriedigend ins Leere laufen. Wer zu viele Fässer auf einmal aufmacht, kriegt sie eben nicht mehr rechtzeitig zu, bevor sie ranzig werden.

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Dabei hilft leider nicht, dass Supermassive Games einmal mehr lediglich die Abziehbildchen rotzlümmeliger Teenager statt gestandener Persönlichkeiten ins Rennen vor dem Killer schickt, wo doch gerade die zitierten 80er-Jahre-Vorbilder mustergültig vorgemacht haben, wie ein Ensemble unterschiedlichster Personen aussehen kann, damit einem ihr Schicksal wahrlich zu Herzen geht. Aber das kennt man ja seit Until Dawn nicht anders.

Abermals beeindruckt Supermassive Games jedenfalls mit einem weit verzweigten Geflecht von Entscheidungen, die in den 6-8 Stunden Spielzeit (für lediglich 40 Euro) unterschiedlichste Konsequenzen annehmen können. Und wer danach noch alternative Handlungsverläufe freischalten und erfahren möchte, was passiert, wenn andere Wege beschritten werden, der kann sogar in einem praktischen Diagramm nachvollziehen, welcher Plotverlauf genommen wurde und welche noch unentdeckt sind. Und sie direkt per Kapitelauswahl ansteuern.

Überblick

Pro

  • erfrischend vielseitiger Mix verschiedenster Horrorgenres
  • atemberaubende Grafik
  • interessanter Plot über mehrere Zeitebenen hinweg
  • viele Anspielungen für Dead-by-Daylight-Fans
  • deutsche Vertonung
  • komfortable Kapitelauswahl für weitere Durchgänge
  • nur 40 Euro (die Deluxe Edition für 50 Euro könnt ihr getrost meiden)
  • auch für Spieler geeignet, die Dead by Daylight nicht kennen

Contra

  • so viele Genrereferenzen, dass es mitunter konfus wird
  • flache Teenager-Charaktere
  • manche Handlungsfäden laufen unbefriedigend ins Leere

Awards

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